Rosa Schapire-Mehr im Blog der Akademie

Rosa Schapire – Kunsthistorikerin, Kunstsammlerin, Mäzenin – Eine Spurensuche

…Und wenn ich noch mal wieder auf die Welt käme, dann würde ich genau wieder den gleichen Weg beschreiten…“

Rosa Schapire

Rosa Schapire wird im September 1874 als vierte von fünf Töchtern jüdischer Eltern in Brody (Ostgalizien) geboren. Als eine der ersten Frauen promoviert sie 1904 in Heidelberg im Fachbereich Kunstgeschichte über den Landschaftsmaler Johann Ludwig Ernst Morgenstern.

Seit 1905 lebt Rosa Schapire in Hamburg und wird sich schon bald als passives Mitglied der Künstlervereinigung „Brücke“ anschließen. Den Malern der „Brücke“, allen voran Karl Schmidt-Rottluff, schenkt sie besondere Aufmerksamkeit. Die Kunsthistorikerin gilt es engagierte Mentorin der Brücke-Maler. Sie sammelt konsequent Werke dieser Künstler, obwohl sie nur über bescheidene finanzielle Mittel verfügt. Das belegen die zahlreichen Künstlerpostkarten von Erich Heckel, Ernst-Ludwig Kirchner, Otto Müller, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff an sie.

Mit Mut und Gespür für die Avantgarde-Kunst dieser Zeit stellt sie sich der öffentlichen Meinung entgegen. Bei einer ersten Ausstellung von Werken Schmidt-Rottluffs in der Galerie Commeter in Hamburg 1911 löst Rosa Schapires engagierte Rede viel Widerspruch aus.

Karl Schmidt-Rottluff wird es auch sein, der ihre Wohnung in Hamburg-Uhlenhorst in der Osterbekstraße 43 zu einem expressionistischen Kunstwerk gestaltet und einige Porträts seiner Gönnerin malt. Auch Walter Gramatté, ein junger Graphiker, Zeichner und Maler aus Berlin, fertigt 1920 ein Bildnis von Rosa Schapire an, dass in der Ausstellung „Walter Gramatté und Hamburg“ 2021 in der Kunsthalle zu sehen war.

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Mit Ida Dehmel gründet Rosa Schapire 1916 den Frauenbund zur Förderung der deutschen bildenden Kunst. Durch ihr sachkundiges Engagement werden Sammlerinnen und Sammler schon zu einem frühen Zeitpunkt auf die expressionistische Kunst aufmerksam.

Auch als Mitherausgeberin der Monatszeitschrift für Kunst und Kultur „Rote Erde“, die von 1919 – 1923 erscheint, zeigt ihre große Begeisterung für diese Kunstrichtung.

Mit vielen Gleichgesinnten setzt sich Rosa Schapire fast drei Jahrzehnte in Hamburg für ein offenes Kunstverständnis ein. Die nationalsozialistische Machtübernahme verändert diese Situation gravierend. Unter einem Pseudonym veröffentlich sie bis 1937 und hält Vorträge im privaten Kreis. In der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ wird sie als Kunstkritikerin diffamiert.

Zwei Jahre später emigriert Rosa Schapire nach London. An einen Freund schreibt sie: „Die Nazis hatten mich so ausgeraubt, dass ich mit genau zehn Mark hier angekommen bin. Das Einzige was ich von meinem Besitz gerettet habe, ist meine große Schmidt-Rottluff-Sammlung.“

In Nähe der Tate Gallery findet sie in einem kleinen Zimmer Unterschlupf. Sie arbeitet im Museum und sichert sich mit Übersetzungsarbeiten zusätzlich ihren Lebensunterhalt.

Mit Karl Schmidt-Rottluff wird Rosa Schapire weiter in Briefkontakt bleiben. Der Versuch, ein Gemälde von ihm zu verkaufen, scheitert. Die britische Kunstszene ist zu diesem Zeitpunkt wenig an expressionistischen Werken interessiert. Erst einige Jahre später gelingt Rosa Schapire das Vorhaben. 1953 findet in Leicester eine Ausstellung mit Werken von Schmidt-Rottluff statt. Es wird die letzte Initiative der engagierten Kunsthistorikerin und Mäzenin sein, die damit konsequent eine Lebensmaxime für sich verfolgt: „Der Einzelne vermag außerordentlich viel, vorausgesetzt, dass er guten Willens ist und die Bereitschaft hat, sich einzusetzen.“ Rosa Schapire stirbt im Februar 1954 in London.

Ihr beharrlicher Einsatz für die expressionistische Kunst hinterlässt Spuren. Sechs Gemälde von Karl Schmidt-Rottluff, die sich in ihrem Privatbesitz befanden, sind heute u.a. in der Tate Gallery in London, im Kunstmuseum in Den Haag, im Museum für Kunst in Kopenhagen und im Tel Aviv Museum in Israel zu sehen. Das Brücke Museum in Berlin erwarb 2019 das Gemälde „Bildnis R. S. (Rosa Schapire) und konnte damit seine Sammlung um ein wichtiges Werk von Schmidt-Rottluff erweitern.

Die umfassende Ausstellung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe unter dem Titel „Rosa. Eigenartig grün – Rosa Schapire und die Expressionisten“ widmete sich 2009 ihrem Lebenswerk.

Seit 2016 vergeben die Freunde der Kunsthalle e.V. in Hamburg den mit 20.000 Euro dotierten Rosa-Schapire-Preis. Einerseits wird so an Rosa Schapire als engagierte Kunstmäzenin erinnert und andererseits wird Kunst unserer Zeit gefördert und ausgezeichnet.

Die Briefe von Rosa Schapire an Karl Schmidt-Rottluff aus ihren letzten Lebensjahren in London werden erstmals durch die Autorin Susanne Wittek ausgewertet. Das Buch mit dem Titel „Es gibt keinen direkteren Weg zu mir als über deine Kunst – Rosa Schapire im Spiegel ihrer Briefe an Karl Schmidt-Rottluff 1950 – 1954“ erscheint im Sommer 2022.

Weiterführende Links:

https://rosa-schapire-kunstpreis.de

https://www.mkg-hamburg.de/de/ausstellungen/archiv/2009/rosa-eigenartig-gruen.html

https://www.bruecke-museum.de/

https://www.aviva-verlag.de/programm/rosa-und-anna-schapire/

Empfohlene Literatur:

Susanne Wittek: „Es gibt keinen direkteren Weg zu mir als über deine Kunst“

Rosa Schapire im Spiegel ihrer Briefe an Karl Schmidt-Rottluff 1950 – 1954, Göttingen 2022

Bildnachweis:
Walter Gramatté: Porträt Rosa Schapire, 1920, Nationalgalerie Berlin
Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e8/Gramatte_Rosa_Schapire.jpg

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