Klinkclowns - Humor hilft heilen - Mehr im Blog der Akademie

Es darf auch gelacht werden! Zu Wesen und Wirkung von Klinikclowns

Michael Christensen war der erste Klinikclown der Welt. Bei einem seiner frühen Klinikbesuche in den 80er Jahren begegnete ihm an der Tür zur Intensivstation ein Arzt, der über den neuen Mitarbeiter nicht im Bilde war. Er reagierte, gelinde gesagt, konsterniert und herrschte ihn an: „Dies ist kein Ort für Clowns!“ – „Dies ist auch kein Ort für Kinder!“ entgegnete Christensen. Diese kleine Szene aus der Frühzeit des Berufes birgt in sich bereits Grundlegendes über Wesen und Wirkung der Klinikclowns in sich. Ein Beitrag von Georg Brinkmann von „HUMOR HILFT HEILEN“ aus Bonn.

Nicht ganz zu Unrecht empfand der Arzt den Clown als Zumutung: Clowns werden häufig mit Unordnung und Chaos assoziiert, die im medizinischen Sicherheitstrakt dramatische Folgen haben können. Ebenfalls zu Recht wies der Clown ihn darauf hin, dass die Klinik selbst mit ihrer Funktionalität und ihren hohen Anforderungen an die Selbstbeherrschung (nicht nur für Kinder) eine Zumutung darstellt.

Der Clown ist in vielfältigen und wechselnden Gestalten seit Jahrhunderten ein kulturübergreifender Begleiter der Menschheit. Als Vertreter des Unlogischen, Bildhaften, Ver-Rückten und Mehrdeutigen ist er ein Souvenir früher Entwicklungsstufen, die wir im Zuge der Reifung und im Dienste der Zivilisation zu beherrschen gelernt haben. Sein Angebot ist verführerisch, ruft aber auch Abwehr hervor.

In Klinik und Heim sind die Anforderungen der Selbstkontrolle an uns als Patienten oder Bewohner enorm gesteigert. Teilweise existentielle Ängste mit hoher Ausdrucksnot treffen auf ein recht strenges Regelwerk und festgezurrte Abläufe – eine brisante Mischung!

Der Clown kann den Ängsten, aber auch den „anderen“, ungezügelten Seiten des Seelischen, die in der Regelwelt der Klinik zwangsläufig zu kurz kommen, eine symbolische Form geben. Das bringt nahezu automatisch Humor, Lachen und Erleichterung, aber auch eine urmenschliche Nähe im Verstanden-Sein ins Spiel. Um das zu bewerkstelligen, machen Klinikclowns auch keine feste Show, sondern improvisieren ihr Spiel für den oder zusammen mit dem jeweiligen Patienten. Dazu nutzen sie die ganze Bandbreite clownesken Handelns –bildhafte Körpersprache, Übertreibungen und Verdrehungen, Scheitern, Slapstick, Wortwitz, aber auch Techniken wie Musik, Zauberei, Puppenspiel oder Zaubern.

Die Clowns stehen am Bett von Tim (Name geändert), der sich „matschig“ fühlt. Die Clowns machen Papiertücher nass und matschen sie zu Kugeln. „Fühlst du dich so matschig?“ – „Ja, genau!“ sagt Tim grinsend. Die Clowns werfen sich die Matschkugeln zu, eine bleibt dabei an der Decke kleben. Wenn der Chefarzt das nächste Mal kommt, soll der Tim ihn darunter platzieren, vielleicht fällt die Matschkugel dann runter und er weiß dann, wie sich der Junge fühlt.

Der Klinikclown schafft in seinem Spiel einen Zwischenraum, welcher das überlebensnotwendige System „Klinik“ nicht Frage stellt. Der Zumutung einer Intensivstation durch die Zumutung eines Clowns zu begegnen, die Regelinstitution „Klinik“ durch die Figur des regelbrechenden Clowns zu lockern, wird eine befreiende Intervention, die das System Klinik paradoxerweise stärkt. Denn natürlich geht es dem Clown nicht darum, dieses in Frage zu stellen oder zu beschädigen. Er will nur spielen!

Im Demenzbereich kommt der Wunsch nach einer Flugreise auf. Wohin soll’s denn gehen? Nach Berlin! Also wird der große Tisch zum Flugzeug, mit dem Servierwagen wird Saft angeboten, die Sicherheitsinstruktionen werden absolviert und mit lautem Gebrumm hebt der Flieger ab. Es gibt eine Stadtführung durch die Flure des Wohnbereichs, wer gehen kann, schiebt die anderen, mit „Das ist die Berliner Luft“ geht es zum Reichstag, Brandenburger Tor und Siegessäule, bis der Flieger für die Heimreise wartet. Wir müssen ja zum Abendessen wieder zurück sein!

Seit 40 Jahren wird Klinikclownerie in Heil- und Hilfseinrichtungen aller Art ausgeübt. Kinderkliniken, Spezialkliniken für Erwachsene, Altenheime, Demenzeinrichtungen, Palliativ- und Hospizstationen, Heime für Menschen mit Behinderungen, Flüchtlingseinrichtungen oder die OP-Begleitung für Kinder sind nur ein Teil der wachsenden Einsatzfelder.

Klinikclownerie ist eine Profession, die an speziellen Schulen erlernt werden kann. Klinikclowns sind in Verbänden oder Stiftungen wie „Humor hilft heilen“ in Bonn organisiert. Diese sorgen durch regelmäßige Trainings, Weiterbildungen und Coachings für die Qualitätssicherung eines jungen, boomenden Berufes.

Bildnachweis: © Marina Weigl für humor hilft heilen

28. April 2024 || ein Beitrag von Georg Brinkmann, Team künstlerische Leitung „HUMOR HILFT HEILEN“, Bonn

www.georgbrinkmann.dewww.humorhilftheilen.de

Georg Brinkmann war Referent bei der 17. Fachtagung zur Supervision in kirchlichen Feldern vom 11. bis 14. März 2024 (Mo.-Do.) unter dem Titel „Wir machen das hier nicht zum Spaß! Humor in der Supervision“ in der Thomas-Morus-Akademie Bensberg. Die Fachtagung fand das fünfte Mal in Bensberg statt und wurde veranstaltet mit der Konferenz der Diözesanverantwortlichen für Supervision in den deutschsprachigen Bistümern in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv) und der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP).