Auf ein Wort mit… Daniel Leis
Ganz kurzfristig ist der Historiker und Kunsthistoriker Daniel Leis im September 2019 eingesprungen, um eine Ferienakademie an die Loire zu leiten. Ein Glücksfall für die Akademie! Über seine Erfahrungen als Reiseleiter im vergangenen Jahr, seine Reiseleidenschaft und seine Motivation als Reiseleiter zu arbeiten, darüber war Reisekoordinatorin Sandra Gilles mit ihm im Gespräch.
Lieber Daniel, im September 2019 sind wir beide sehr unverhofft zu einer Ferienakademie an die Loire gekommen. Zwei Tage vor Abflug hast Du Dich dankenswerterweise bereit erklärt, kurzfristig für einen erkrankten Reiseleiter einzuspringen. Noch während der Busfahrt vom Flughafen zum Hotel wurde mir klar: das wird gut! Damit stand ich nicht alleine und so hatten wir uns sehr gefreut, 2020 gleich mehrere Ferienakademien mit Dir anbieten zu können. Bedingt durch die Pandemie konnte leider nur ein Bruchteil dessen durchgeführt werden. Wie hast Du als Reiseleiter dieses Jahr erlebt?
Vielen Dank für die Blumen gleich zu Beginn (lacht), aber ich wusste ja auch nicht genau worauf ich mich einlasse. So war ich sehr froh eine so umsichtige, detaillierte Planung vorzufinden, besonders aber Gästen zu begegnen, die sehr interessiert, kommunikationsfreudig und warmherzig sind. Der offene und mitunter auch humorvolle Umgang der Gruppe untereinander, hat mir viel Lust gemacht wieder mit der Thomas-Morus-Akademie und ihren Gästen zu reisen. Und das Jahr fing ja auch sehr vielversprechend an. Noch im Januar waren wir auf einer Ausstellungsfahrt und über Karneval in Flandern, dann musste mit dem ersten Lockdown und der daraus resultierenden Unsicherheit fast alles abgesagt werden.
Es folgten Neu- und Umplanungen, die oftmals rasch von den Ereignissen wieder überholt wurden. Trotzdem fanden auch unter Corona-Auflagen im Spätsommer Reisen statt. Dabei zeigte sich, dass auch mit Maske, mit Abstand, vieles besichtigt, erkundet und erlebt werden kann. Die Kopfhörersysteme helfen dabei. Natürlich gibt es Einschränkungen, und es ist schade, wenn die Gruppe bei Besichtigungen in zwei oder drei Untergruppen geteilt werden muss, doch unter den gegebenen Bedingungen ist es wohl akzeptabel.
Leider konnten unter dem Strich einige sehr schöne und vielversprechende Projekte nicht realisiert werden, etwa die Reisen an die Côte-d‘Azur oder in die Franche-Comté.
Die Ferienakademie in die Franche-Comté werden wir 2021 erneut anbieten, aber wir haben auch einige komplett neue Ziele mit Dir im Gepäck: Ausstellungen und Sammlungen in der Schweiz, der Harz zwischen Romanik und Romantik, Schleswig-Holstein von Lübeck bis Ripen, die Weserrenaissance und die Prämonstratenser-Ausstellung in Magdeburg – an Ideen hat es Dir nicht gemangelt. Aber worauf freust Du Dich am meisten? Und was dürfen unsere Gäste mit Dir auf Reisen erwarten?
Sehr freue ich mich, wieder nach Frankreich zu fahren. Ein Land, das ich sehr liebe. Und die Freigrafschaft Burgund ist eine besondere Region, wenig bekannt und also vom Tourismus kaum berührt. Dort ist man noch Reisender unter Einheimischen, nicht Tourist unter Touristen. Aber weil man natürlich nicht weiß, unter welchen Unwägbarkeiten das Reisen im kommenden Jahr stehen wird, haben wir verstärkt Deutschland in den Blick genommen, wo ja ebenfalls viele reizvolle Ziele liegen. Auch hier gibt es wenig bekannte Ecken. Die Weser ist so eine Region, mitten in Deutschland und doch irgendwie abgeschieden, kaum besucht. Der ruhige Fluss und daneben die mittelalterlichen Klöster und Kirchen, die Bauten der Weserrenaissance und eine verträumte Landschaft.
Unbekanntes zu entdecken oder Bekanntes noch einmal anders zu betrachten. Das ist schon eine Erwartung, die auf den Reisen eingelöst werden sollte. So wollen wir auch in den Norden fahren, nach Schleswig-Holstein und dort auch die kleinen Sehenswürdigkeiten in den Blick nehmen und Grenzen überschreiten, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Schleswig-Holsteinsche Geschichte ist eine deutsch-dänische, die historische Region mit dem heutigen Bundesland nicht deckungsgleich, im Süden Dänemarks begeben wir uns auf Spurensuche.
Wer Dich kennt, weiß, dass Dich eigentlich nichts aus der Ruhe bringen kann. Hand auf’s Herz: wie anstrengend ist der Job als Reiseleiter wirklich? Und: Ist Dein Beruf gleichzeitig auch Berufung?
(lacht) Das ist aber eine reichlich lutherische Gleichsetzung von Arbeit und Berufung. Zumindest für eine katholische Akademie. Obwohl, warum nicht? Schließlich war Luther ja auch katholisch. (lacht erneut) Aber Spaß beiseite.
Natürlich ist man als Reiseleiter immer gut eingespannt, man trägt die Verantwortung für die Durchführung einer Reise, an der viele Menschen teilnehmen. Denen möchte man ja die Inhalte vermitteln und sie im Idealfall begeistern für besondere Orte, Sehenswürdigkeiten und Kunstwerke. Gleichzeitig ist man in Gedanken immer schon beim nächsten Programmpunkt, muss den Zeitplan im Blick behalten, die Gruppe beisammenhalten, mit dem Busfahrer und externen Führern Absprachen treffen, und versuchen, auch unterschiedliche Bedürfnisse der Gäste zu berücksichtigen. Da ist schon eine gewisse Grundanspannung und die Tage können ja auch recht lang sein. Wirklich gefordert wird man natürlich bei unvorhergesehenen Ereignissen. Auf so etwas kann man sich auch nicht vorbereiten.
Wenn ich aber das Gefühl habe, dass unsere Gäste sich wohlfühlen und ich aus den Gesprächen entnehme, dass sie sich freuen oder etwas neu oder anders gesehen haben, dann freut mich das und daraus ziehe ich auch Befriedigung. Umgekehrt lerne ich auch viel von unseren Gästen, profitiere von ihren Kenntnissen und ihrer Lebenserfahrung. Wenn man einige Tage zusammen unterwegs ist, lernt man sich kennen und hat viel Gelegenheit für Gespräche. Daher macht mir das Reisen mit Thomas-Morus viel Freude.
Dein Herz schlägt vor allem auch für Italien und das Vereinigte Königreich. Du hast an Universitäten in Mainz, Bologna und Berlin studiert. Was sollte man sonst noch über den Kunsthistoriker Daniel Leis wissen?
Ja, die britischen Inseln, auch Irland, sind wunderbare Ziele. Leider weiß man noch nicht, unter welchen Bedingungen man 2021 dorthin wird reisen können, aber für die Zukunft hoffe ich sehr, einmal mit einer Gruppe der Akademie dorthin fahren zu können. Und Italien ist so etwas wie meine zweite Heimat, ich habe ja auch in Florenz und in Venedig gelebt. Die eigene kulturelle Prägung wird einem eigentlich erst so richtig bewusst, wenn man einmal in einem anderen Kulturraum lebt. Die Jahre in Italien haben mich das gelehrt. Und sie haben mich verändert. Ich merke, wenn ich in Italien bin, verhalte ich mich anders, habe andere Erwartungen an Situationen und Begegnungen.
Zum Kunsthistoriker wurde ich erst relativ spät. (denkt nach) berufen! (lacht). Zunächst habe ich bei einer deutschen Großbank gelernt, die es heute gar nicht mehr gibt. Sic transit gloria mundi, aber das war ja auch im letzten Jahrtausend.
Ich danke Dir für das interessante Gespräch und hoffe, dass wir in diesem Jahr alle unsere Reisepläne realisieren können.
Daniel Leis leitet in 2021 die Ferienakademien „Rund um den Blocksberg“ (Mai 2021), „Reizvolle Franche-Comté“ (Juni 2021), „Schleswig-Holstein von Lübeck bis Ripen“ (Juli 2021) und „Im Land der Weserrenaissance“ (August 2021).
Im Oktober 2021 reist er für die Akademie zu Ausstellungen und Sammlungen in die Schweiz. Unter seiner Leitung wird außerdem die Ausstellung „Mit Bibel und Spaten. 900 Jahre Prämonstratenser-Orden“ (September 2021) in Magdeburg besucht.
Bildnachweis:
© Christine Roy, unsplash, gemeinfrei
3. Januar 2021 || ein Gespräch mit Daniel Leis, Kunsthistoriker und Historiker
Das Gespräch führte Sandra Gilles, Reisekoordinatorin im Referat Ferienakademien.
„Den Tag, an dem ich Daniel Leis traf, werde ich vermutlich so schnell nicht vergessen: eine kurze Nacht, ein Flughafen, ein Blind-Date am Terminal in letzter Minute. Was für den Leser nun vielleicht wie das kitschige Happy End einer schlechten Liebesgeschichte klingt, hat sich genauso zugetragen. Und sollte sich rückblickend als echtes „Glück im Unglück“ entpuppen.“