Sonntagsworte aus der Akademie

Worte finden

Als ich am Donnerstag vom Tod der Queen gehört habe, war ich gerade bei unseren Eltern. NEIN ging durch mein Herz,“ eine Ära geht zu Ende“ ging durch meinen Kopf. Wir waren bestürzt. Und dann wurde das Fernsehen eingeschaltet, die Bilder aus ihrem Leben berühren. Hochzeit, Krönung, Reden in den Ländern des Commonwealths, Paraden, 4 Kinder, Jubiläen, mehr Hochzeiten, Tragödien, Scheidungen, Tode, wieder Jubiläen, Paraden. „God save the Queen“ wird gerufen, wenn sie eine Schule betritt, ein Unternehmen besichtigt, ein Krankenhaus besucht, eine Bahnstrecke einweiht. Ich kenne das Vereinigte Königreich nicht anders als mit ihr an seiner Spitze: Die Queen, alle verbindend und Hoffnung spendend, Sicherheit und Kontinuität ausstrahlend in unischeren Zeiten, ewiglich. Ich bin sprachlos.

Gleichzeitig erreichen uns am Donnerstagabend Nachrichten aus Frankfurt, wo die Vierte Synodalversammlung der katholischen Kirche tagt. Der grundlegende Text zur kirchlichen Sexualmoral findet 82 % der allgemeinen Zustimmung – aber gewinnt nicht die nötige 2/3 Mehrheit der Bischöfe. Ein Tiefschlag, ein Schock in Frankfurt und sicher bei vielen, die die Versammlung digital verfolgen. Ich bin erschüttert und merke, dass ich tatsächlich gehofft hatte, dass dieser richtungsweisende, fundierte Text angenommen wird. Jetzt ist er abgelehnt. War das eine letzte Chance im Reformprozess der katholischen Kirche? Verspielt? Unfassbar. Trauer und Wut, und Ohnmacht und wieder diese Sprachlosigkeit vermischen sich.

Die beiden Nachrichten von Donnerstag werden uns über die nächsten Wochen und Monate PARALLEL zum weiteren Weltgeschehen begleiten. Schier unendlich viele Bilder, Filme, Berichte, Kommentare warten in den Medien auf uns, überfluten uns. Geschichte passiert – und ich mittendrin mit meinem Alltag, meiner Familie, meiner Lebenssituation. Ich spüre, dass ich nach eigenen Worten suche. Das ist nichts Neues, Leben ist immer komplex, aber dieser Donnerstagabend bei unseren Eltern ragt heraus.

Nach einer Stunde schalten wir das Fernsehen aus. Wir spielen Karten und reden. Die Queen wird den Menschen fehlen. Warum? Was bedeutet sie mir? Was strahlte sie aus? Welche Bedeutung hatte sie für die Menschen? Unsere Eltern waren 14 und 15 Jahre jung, als Elizabeth Königin wurde. Sie erzählen, was sie empfinden. Das tut gut. Aus der Sprachlosigkeit wieder Worte finden. Zwei Tage später stoßen wir auf die Queen an und danken ihr für ihre lange Regentschaft, für ihren Humor und Scharfsinn, für ihr königliches Zugehen auf alle Menschen.

Und ich rede mit einer Freundin über das Geschehen in Frankfurt. Das Papier zu „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ ist am Freitag angenommen worden, das macht Mut, gibt Rückenwind. Wir loben die ZdK Vorsitzende Dr. Irme Stetter-Karp gemeinsam für ihr besonnenes, kluges Auftreten. Wie wird es weitergehen? Wir werden weiter diskutieren, suchen, unterschiedliche Konferenzkulturen zusammenbringen müssen, ringen, gemeinsame und eigene Worte finden.

Lesenswert in der Flut der Nachrichten zur Vierten Synodalversammlung:

Synodaler Weg schwankt zwischen Bangen und Hoffen – DOMRADIO.DE

Akademiereferentin für Theologie und Philosophie Karin Dierkes macht sich in den „Sonntagsworten aus der Akademie“ Gedanken über Gott und die Welt, sie wählt Texte, Gebete, gute Gedanken für die Sonntage aus, kurz und bündig, aber immer mit Tiefe und Herz.

11. September 2022 || ein Beitrag von Karin Dierkes, Akademiereferentin für Theologie und Philosophie