Klavier spielen lernen in besonderen Zeiten

Seit Januar nimmt meine Tochter Klavierunterricht. Es ist gar nicht so einfach ihre kleinen Finger auf den Tasten richtig zu verteilen, Noten zu lesen und mit beiden Händen zu spielen. Aber sie hat viel Spaß, vor allem beim eigenen Kreieren von Liedern. Wer sie in ihrer Freude an Rhythmus und Musik motiviert, ist ihr zugewandter und geduldiger Klavierlehrer, selbst Vater von zwei Söhnen – die wichtigste Voraussetzung, damit der Unterricht gelingt. Gernot Rautenbach ist ausgebildeter Jazz-Pianist und Instrumentalpädagoge und erwarb sein Diplom am Conservatorium in Maastricht.

Der Klavierunterricht meiner Tochter findet einmal die Woche in seinem Klavierstudio statt, auch in dieser Zeit, nur per Videoanruf vom Klavierstudio in unser Wohnzimmer.

Lieber Herr Rautenbach, der Turnverein ist geschlossen, der Schwimmunterricht fällt aus, kein Tanzen, kein Kinderchor, alle Nachmittagsaktivitäten meiner Tochter stehen still, nur Sie haben sich dazu entschieden, den Klavierunterricht fortzuführen und dafür in ihrem Studio entsprechend Technik aufgebaut. Wie sind bislang die Reaktionen ihrer Schülerinnen und Schüler und deren Eltern?

Durchweg positiv, alle sind froh nicht stagnieren zu müssen. Wir lernen in dieser Zeit wieder mit Kompromissen leben zu müssen. Das unterrichten im online Modus ist natürlich nicht vergleichbar mit einem Unterricht von Mensch zu Mensch in einem wirklichen Raum. Außerdem, glaube ich, kann man durch dieses wöchentliche online Ereignis aus der eigenen „Quarantäne“ ein wenig in die Welt hinaus schauen und Kontakt halten. Deshalb halte ich solche Methoden für unverzichtbar, obgleich es in anderen Bereichen wie Ballett, Tanz, Sport, usw. ungleich schwieriger ist dies zu realisieren.

Denken Sie, dass das Musizieren am Klavier in dieser besonderen Zeit – Homeschooling, eingeschränkter Besuch des Kindergartens, Eltern, die zu Hause arbeiten… –  die Kinder positiv unterstützen kann?

Natürlich ist für die Kinder, gerade auch für unsere Kleinen, Vorschulkinder und Grundschüler, der soziale Kontakt sehr wichtig für die Sozialisation. Die würde nämlich sonst nicht stattfinden. Und der soziale Kontakt ist auch für die Älteren bedeutsam. Es bekämpft Einsamkeit.

Macht Musizieren glücklich?

Musik ist Lebenselixier! Es regt Hirnareale an, die sonst bei keiner anderen Aktion benutzt werden. Musik ist genauso wie die Kunst zur intellektuellen und kreativen Entwicklung absolut notwendig.

Lieber Herr Rautenbach, herzlichen Dank für Ihren Einsatz für Ihre Schülerinnen und Schüler.

Das Konzept, wie der Klavierunterricht gestaltet wird, erfolgt schrittweise und orientiert sich immer an den Bedürfnissen und Kenntnissen des Kindes.

Die einzelnen Schritte folgen einem definierten Schema. Wie dies klingt, können Sie anhand der folgenden musikalischen Beiträge von Gernot Rautenbach nachverfolgen.

  1. Man übt nur die Melodie eines Songs in der rechten Hand, wie so oft auch mit notierter Musik.
    The days of wine and Roses-Thema-Rechte Hand:

  2. Man übt nur den Basston in der linken Hand.
    The days of wine and Roses-Linke Hand Basston:
  3. Man übt einen Zweiklang in der linken Hand mit den wichtigen Tönen: Terz und Septime.
    The days of wine and Roses-Zweiklang Linke Hand:
  4. Man übt die Melodie der rechten Hand mit dem Zweiklang der linken Hand zusammen.
    The days of wine and Roses-Linke Hand Zweiklang + Rechte Hand Thema:
  5. a) Man spielt das Thema mit der rechten Hand und den Zweiklang der linken Hand.
    5.b) Man spielt die Improvisation mit der rechten Hand und den Zweiklang der linken Hand.
    5.c) Man spielt das Thema mit der rechten Hand und den Zweiklang der linken Hand.
    The days of wine and Roses-Linke Hand Basston + Rechte Hand Thema:

Das komplette Stück mit Improvisation klingt so:

Jeden Durchgang nennt man: Chorus (Refrain, Kehrreim). Diese Standartsongs sind meistens Refrains aus Musicals, wobei die Strophen oft weggelassen werden.

Insbesondere der amerikanische Jazztrompeter Louis Armstrong (1901 bis 1971) variierte die Melodie eines Songs und veränderte diese. Zunächst mit leichter Veränderung und später mit stärkerer Veränderung, sodass das Thema kaum mehr zu erkennen ist und eine neue Melodie entsteht.

Titelbild: Hal Gatewood auf Unsplash, gemeinfrei

12. Juni 2020 || ein Gespräch mit Gernot Rautenbach, Jazz-Pianist und Instrumentalpädagoge

Das Gespräch führte Anne Pesch, Akademiereferentin.