Südtirol mit Daniel Leis

Wandmalerei in Südtirol

Es waren die Römer, die über den Reschenpass eine befestigte Straße bauten. So machten sie ihn zu einem der wichtigen Alpenübergänge, von Verona die Etsch hinauf und über den Reschen zum Inn. Noch im frühen und hohen Mittelalter zählte diese Verbindung zu den wichtigsten, doch mit der Anlage des Gotthard-Passes im 13. Jahrhundert und dem Ausbau des Brennerweges im 14. Jahrhundert verlor sie zunehmend an Bedeutung. Die nunmehr weniger beachtete und wirtschaftlich weniger leistungsstarke Region bewahrte so viele Kunstschätze, die ansonsten vielleicht Erneuerungen oder Umbauten zum Opfer gefallen wären. Namentlich die Fresken in den Kirchen und Burgen sind hier zu nennen. Auf vergleichsweise kleinem Raum finden sich Wandmalereien vom 8. bis zum 14. Jahrhundert. Ein Bilderbuch der abend- und alpenländischen Kunst.

So beherbergt die Kirche Sankt Prokolus in Naturns etwa das Bild eines Mannes, der auf einer Schaukel zu sitzen scheint.

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Er gibt der Forschung nach wie vor Rätsel auf, ist es der hl. Paulus, der, um seinen Verfolgern zu entgehen, heimlich aus einer Stadt entkommt, indem er von der Mauer oder aus einem Fenster herabgelassen wird? Auch die Datierung dieser Fresken ist umstritten, doch werden sie mehrheitlich in die vorkarolingische Zeit datiert. Damit wären sie die ältesten im deutschen Sprachraum.

Nur unwesentlich jünger sind die Wandmalereien in Sankt Benedikt in Mals. Auch hier ein von außen unscheinbares Kirchlein, das aber im Innern einige bemerkenswerte Fresken birgt.

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Wiewohl die Szenen zum Teil verloren sind, treten sie uns doch mit der ganzen Ausdruckskraft ihrer Zeit vor Augen, etwa in jenen aus der Legende um Papst Gregor, den der heilige Geist in Gestalt einer Taube aufsuchte, um ihm die Lehren einzugeben, die Gregor zum Kirchenvater werden ließen. Sind diese Bilder wirklich vor mehr als 1.200 Jahren gemalt worden?, mag sich der heutige Betrachter fragen. Fühlt man sich den hier dargestellten Personen nicht nahe? Und das obwohl oder gerade weil hier Perspektive und Proportion einer fernen Zeit zu uns sprechen?

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Die Region verfügt aber auch über Klöster, die in ihren Mauern Bildschätze ferner Jahrhunderte bewahren. In Marienberg kurz vorm Reschen und im schon auf Schweizer Gebiet liegendem Müstair leben seit Jahrhunderten Mönche bzw. Nonnen nach den Regeln des heiligen Benedikt. Die karolingische Kirche und die aus gleicher Zeit stammenden Fresken in Müstair sind seit 1983 als UNESCO-Weltkulturerbe eingetragen.

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Doch nicht die geistigen Themen allein sind es, die den reichen Bilderschatz dieser Gegend ausmachen, vielmehr haben sich in den Burgen profane Wandmalereien erhalten, und manches Bild legt Zeugnis ab von Brauchtum und Alltag einer längst vergangenen Epoche. Wenn diese wie in der Burgkapelle von Hocheppan in Gestalt einer Knödelesserin erscheint, die sich direkt aus dem Topf bedient, schlägt sich die Brücke in die Gegenwart leicht. Welcher Betrachter kann ihr das nicht nachfühlen? Und in der Burgküche kann er es ihr sogar gleichtun.

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Der umfangreichste und größte Zyklus profaner Fresken findet sich aber auf Schloß Runkelstein über Bozen, wo nicht nur die Ausmalung der Kapelle, sondern mehrere Säle im Palas mit Fresken erhalten sind, die uns das literarische und höfische Leben jener Zeit vorstellen. Neben Schilderungen des Tristan-und-Isolde Stoffes sind es die Szenen adliger Vergnügungen wie der Jagd oder dem Ballspiel, welchem sich die Dargestellten widmen. Mit seiner Datierung in die Jahre um 1400 schließen diese Wandmalereien auch zeitlich diese kleine Betrachtung ab.

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Der Kunsthistoriker und Historiker Daniel Leis lädt Sie herzlich ein, gemeinsam mit ihm die „steinernen Stiegen zum Himmel“ zu erkunden und die typische Südtiroler Gastlichkeit zu genießen:

21. bis 29. Juli 2022 (Do.-Fr.)
Steinerne Himmelsstiegen
Alpine Natur und mittelalterliche Fresken in Südtirol
Ferienakademie mit Daniel Leis

Als kleinen Vorgeschmack auf die Reise nach Südtirol im Juli nimmt Sie Daniel Leis heute schon mit auf eine kurze virtuelle Reise.

Alle Abbildungen aus Wikipedia mit folgenden Autorenzusätzen

Abb. 1, 6, 7  Dietrich Krieger
Abb. 2 ManfredK
Abb. 3 gemeinfrei
Abb. 4 Wladyslaw Sojka
Abb. 5 Martin Geisler

24. Mai 2022 || ein Beitrag von Daniel Leis, Kunsthistoriker und Historiker