Orthodoxes Osterfest 2022-Mehr im Blog der Akademie

Sonntagsworte aus der Akademie

Heute, am 24. April 2022, feiern die orthodoxen Christen im „griechischen Osten“ Ostern. Letzte Woche haben wir in der Thomas-Morus-Akademie, in unseren Familien, im „lateinischen Westen“ Ostern gefeiert. Wir feiern, dass das Leben stärker ist als der Tod, dass die Botschaft Jesu Bestand hat, dass wir auf Gott und einander vertrauen können, dass wir Gott und einander lieben können über alles Trennende und Hoffnungslose und sogar den Tod hinweg.

Aber wir feiern das Fest der Auferstehung nur selten gleichzeitig mit den orthodoxen Kirchen. Wir sind meist zeitlich voneinander g e t r e n n t – das fällt mir besonders in diesem Jahr auf:

Seit dem 11. März 2022 wohnen in der Einliegerwohnung unseres Hauses Oksana und ihre beiden Töchter, die aus Kiew geflohen sind. Wir „sprechen“ mithilfe einer App miteinander, schreiben uns Nachrichten. Sie sind orthodoxe Christen und feiern in diesem Jahr eine Woche später Ostern als wir.

Ostern 2022_24. April-Sonntagsworte aus der Akademie

Ostern 2022_24. April-Sonntagsworte aus der Akademie

Für die meisten orthodoxen Kirchen gilt der julianische Kalender, den Kaiser Julius Caesar 45 v. Chr. einführen ließ. Er löste den Mondkalender ab, der vermutlich erst 10, später 12 Monate kannte, was die bis heute noch gültigen Monatsnamen vermuten lassen: September = der Siebte, Oktober = der Achte, November = der Neunte und Dezember = der Zehnte.

Cäsars neues Kalendersystem orientierte sich nicht mehr am Mond-, sondern am Sonnenjahr. Das Mondjahr kannte 355 Tage, da es nach den Mondphasen bestimmt war. Cäsars Kalendersystem orientierte sich jetzt am Sonnenumlauf mit 365 Tagen pro Jahr. Im Rahmen seiner Reform mussten also dem Jahr 11 Tage hinzugefügt werden. So kam es, dass zum Beispiel die Monate Januar, August und Dezember im julianischen Kalender nicht mehr 29, sondern jetzt 31 Tage zählten. Caesar führte außerdem eine neue Schaltregel ein, die in jedem vierten Jahr im Februar einen Zusatztag vorsah. Stattdessen wurde der bisher übliche Schaltmonat gestrichen.

Mit diesem Kalender ließ sich nun sehr viel besser abbilden, wann die einzelnen Jahreszeiten begannen. Die Menschen konnten vorausblickender handeln, die Äcker bestellen. Das war überlebenswichtig: Schon 4.000 v. Chr. bestimmten die Ägypter die drei Jahreszeiten „Überschwemmung, Aussaat und Ernte“ und erkannten, dass das Erscheinen des Sterns Sirius eng mit der Zeit des Hochwassers des Nils zusammenhing, das den wertvollen, ihre Felder düngenden Schlamm brachte.

Der julianische Kalender wies jedoch eine Unschärfe auf, die im Laufe der Jahrhunderte zu einer zunehmenden Abweichung zum tatsächlichen Sonnenlauf führte: Das julianische Kalenderjahr zählte 365,25 Tage und war damit etwa 11 Minuten länger als das tatsächliche Sonnenjahr. Im 14. Jahrhundert betrug die Abweichung bereits mehrere Tage.

Papst Gregor XIII führte deshalb 1582 den gregorianischen Kalender mit zusätzlichen Schaltregeln ein, um die Unregelmäßigkeiten des julianischen Kalenders auszugleichen. Beeindruckend ist, dass die Schaltregel präzise und vorausblickend berechnet wurde und festlegt: Ein Jahr ist ein Schaltjahr, wenn es durch 4, aber nicht gleichzeitig durch 100 teilbar ist, mit der Ausnahme, dass ein durch 400 teilbares Jahr dann wiederum ein Schaltjahr ist. So ist zum Beispiel das Jahr 2000 zwar durch 4, aber zugleich durch 100 teilbar, und wäre demnach kein Schaltjahr. Da es sich aber auch durch 400 teilen lässt, war das Jahr 2000 ein Schaltjahr.

Die Umstellung vom julianischen zum gregorianischen Kalender wollte das Kalenderjahr also mit dem Sonnenjahr in Einklang bringen und musste dafür 10 Tage aus dem neuen Kalender streichen: Es wurde festgelegt, dass auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582 (julianisch) direkt Freitag, der 15. Oktober 1582 (gregorianisch) folgt, womit 10 Tage übersprungen wurden.

Der gregorianische Kalender gilt heute weltweit – wobei sich die traditionellen Feste in vielen Ländern der Welt weiterhin nach dem Mondkalender richten, so auch das westlich-christliche Osterfest, das am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühjahr gefeiert wird mit der Ausnahme, dass Ostern eine Woche später gefeiert wird, wenn der erste Frühjahrsvollmond auf einen Sontag fällt.

In den Ländern Osteuropas, in Russland, Serbien, Bulgarien, der Ukraine etc. gilt offiziell auch der gregorianische Kalender: Wladimir Lenin unterzeichnete Ende Januar 1918 ein Dekret, das den gregorianischen Kalender ab sofort einführte. Damit hier die Zeitumstellung gelang, mussten 13 Tage wegfallen: Die Tage des 31. Januar – 14. Februar 1918 fanden kalendarisch nicht statt – und der gregorianische Kalender konnte beginnen.

Die orthodoxen Kirchen aber lehnten den gregorianischen Kalender ab; sie sahen in dem gregorianischen Kalender einen christlichen Angriff gegen ihre griechisch-orthodoxe Kirche – das morgenländische Schisma, Streit, Eroberung, Bevormundung, Kränkung spielten bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle – und hielten am julianische Kalender zur zeitlichen Bestimmung ihrer Festtage bis heute fest. Zum Errechnen des genauen Datums gilt – wie für die westlich-christliche Welt – der Mondkalender: Das orthodoxe Osterfest hängt vom ersten Vollmond nach dem kalendarischen Frühlingsanfang im julianischen Kalender ab und ist ein bewegliches Datum. Der orthodoxe Ostersonntag wird danach in den Jahren 1900 bis 2099 im Zeitraum vom 4. April bis zum 8. Mai liegen.

Ostern – auch wenn wir in Ost und West zeitlich voneinander g e t r e n n t Ostern feiern, feiern wir gerade in diesem Jahr gemeinsam. Uns verbindet das Unglaubliche, Unfassbare, nicht Erwartete, Erlösende. Uns verbindet die Hoffnung auf Frieden, der Glaube an Gott und die Auferstehung; das Leben ist stärker als der Tod.

Was Oksana uns zu Ostern am letzten Sonntag gewünscht hat, das wünsche ich ihr und ihren Töchtern, ihrer Familie, Freundinnen und Freunden in der Ferne an diesem Sonntag aus tiefstem Herzen:

„Viele glückliche Stunden im Kreise der Familie wünschen wir euch an Ostern. Möge Gottes Botschaft euch mit Liebe und Freude erfüllen.“

Ostern 2022-Sonntagsworte aus der Akademie

Ostern 2022-Sonntagsworte aus der Akademie

Bildnachweise:
pixabay, gemeinfrei
Karin Dierkes

24. April 2022 || ein Beitrag von Karin Dierkes, Akademiereferentin für Theologie und Philosophie

Dierkes Karin - Referentin für Theologie und Philosophie