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Niki de Saint Phalle – nicht nur dicke bunte Frauen

Sie springen, sie tanzen, sie leben! Niki de Saint Phalle wurde besonders für ihre farbenfrohen Nanas in den Kunsthimmel der Moderne aufgenommen. Doch es begann alles ganz anders.

Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle hatte eine schwere Kindheit, die sie tief traumatisiert hat. Nicht selten sprach sie darüber und war sich sicher, dass es für sie nur das Gefängnis oder die Psychiatrie gegeben hätte, wäre da nicht doch noch ein einziger Ausweg gewesen: Die Kunst.

Angefüllt von Zorn und Aggressivität fand sie einen Weg, alles Schlechte herauszulassen: Die Schießbilder. Für diese füllte sie verschiedene Objekte mit Farbe, befestigte sie auf einem Untergrund, einem Brett, einer alten Tür, oder Ähnlichem, und übergoß schließlich alles mit weißem Gips. War dieser ausgehärtet, so konnte das Werk aufrecht hingestellt werden. Meist war sie es selbst, die auf die „Bilder“ schoß, manchmal ließ sie auch andere partizipieren. Traf eine Kugel einen Farbbehälter, so spritzte oder floß die Farbe heraus. Für sie war es, als ob das Bild blutete, als ob diese Aktion den Tod des Bildes bedeutete. Mit diesen Arbeiten machte sie sich einen Namen als Aktionskünstlerin, sie gehörte also von nun an in die Sparte des sogenannten Happenings.

Diese Kunst war sozusagen eine Therapie, und sie funktionierte. Nach einer Weile änderten sich ihre Arbeiten. Jedes Mal, wenn sie eine neue Technik ausprobierte, geschah etwas Neues. Es war nichts, was sie plante, sie ließ es einfach geschehen. Und jedes neue Werk schien neue Geheimnisse zu enthüllen, neue Facetten freizulegen, neue Blickwinkel auf das Leben zu eröffnen.

Immer häufiger wurden es weibliche Motive. Für Niki de Saint Phalle waren die Rolle der Frau in der Gesellschaft, aber auch ihre eigene Weiblichkeit Themen von hoher Wichtigkeit, und so gab sie dieser Stimme in ihr eine Bühne.

Wie die Nanas begonnen haben, wusste sie nicht mehr. Sie waren einfach da, und strahlten eine Lebensfreude aus, die die dunklen Erinnerungen zu überblenden schienen. Die Nanas machen Handstand, stehen auf einem Bein, strecken die Arme in die Luft, scheinen jeden Augenblick losfliegen zu wollen. Sie sind bunt und voller Muster und scheinen Spaß zu haben.

Doch damit nicht genug, Niki de Saint Phalle wollte die Welt der Nanas erlebbar machen und schuf so ihre erste Architektur, das Nana-Haus. So war die Nana nicht mehr nur zu betrachten, sondern auch zu begehen und zu beklettern. Dieser Wunsch des intensiven Erlebens kulminierte in großen Anlagen und schließlich in Spielplätzen und Parks. Diese Orte waren nicht nur bevölkert von Nanas, sondern auch von anderen Phantasiewesen und Häusern und Grotten. Niki de Saint Phalle wollte schon immer Kunst mit Architektur verbinden. Der berühmte Tarotgarten in der Toskana ist vielleicht die komplexeste Verschmelzung dieser beiden Kunstideen in ihrem Werk. Es ist einerseits ein meditativer Garten, andererseits ein gebauter und begehbarer Ort, und alles ist bevölkert von den kunstvollsten Figuren entsprungen aus einer unbekannten Märchenwelt.

Vieles in ihrem Oeuvre ist für die Künstlerin nicht erklärbar, aber alles ist fühlbar. Die Nanas aber sind am Ende vor allem eines: „A new world of joy“.

NIKI DE SAINT PHALLE
noch bis zum 21. Mai 2023
In einer großen Ausstellung beleuchtet die SCHIRN das vielseitige Schaffen dieser außergewöhnlichen Künstlerin.

Bildnachweis:
Sculptures Nanas Niki de Saint Phalle Leibnizufer Hanover
ChristianSchd, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

4. Mai 2023 || ein Beitrag von Akademiereferentin Judith Graefe