Ein neues Dreikönigenreliquiar im Kölner Dom

Im ersten Berühren, in dem Gott die Seele als ungeschaffen und erschaffbar berührt hat und berührt, da ist die Seele der Berührung Gottes nach ebenso edel wie Gott selbst.

Meister Eckhart

Anlässlich des diesjährigen Domjubiläums wurde gegenüber der Johanneskapelle am Chorgitter ein neues Dreikönigenreliquiar der Nürnberger Silberschmiedin und Künstlerin Juliane Schölß angebracht. Es hat die Form eines Ikosaeders und wird dementsprechend von 20 gleichseitigen Dreiecken gebildet. Mit der wiederkehrenden Dreizahl nehmen das Reliquiar Bezug auf die Heiligen Drei Könige und ihre drei Gaben. Je nach Blickwinkel erkennt man einen Stern, der sich aus fünf gleichseitigen Dreiecken und einem Fünfeck ergibt und der so zugleich auf die Sterne an den Gewölben des Chorbaus anspielt. Drei applizierte Kronen, die am Ikosaeder auf der Chorumgangsseite und auf der Binnenchorseite auf je einem Dreieck zu sehen und zu berühren sind, weisen zusätzlich auf die Heiligen Drei Könige hin. Die Kronen sind dem Kölner Wappen entnommen. Mit der feuervergoldeten Oberfläche des aus Messing gefertigten Reliquiars spielt es zudem auf den Dreikönigenschrein. Im Inneren des Reliquiars ruhen drei aus diesem Schrein entnommene Reliquienpartikel in einer kleinen silbernen Dose, welche die Initialen 20*C + M+ B + 22 trägt.

Die Idee von Berührungsreliquien geht auf den tiefen Wunsch zurück, Heiliges zu berühren und auf diese Weise mit dem Heiligen in Berührung zu kommen. Gott selbst hat sich in der Menschwerdung Jesu an Weihnachten berührbar gemacht. Und so erstaunt es nicht, dass der mehrfach im Dom dargestellte Antitypus zur Geburtsszene die Begegnung Mose mit Jahwe im brennenden Dornbusch ist. Denn auch hier geht es ja um Berührung: Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden (Ex3,5). Die Praxis der Reliquienberührung geht dabei über das allgemein menschliche Bedürfnis, Dinge anzufassen, hinaus, ist doch bei genauerem Hinsehen die umgekehrte Bewegung gemeint: Es geht darum, sich vom Heiligen berühren zu lassen, angerührt zu werden. Oder wie Meister Eckhart – jener Mystiker, der möglicherweise im Jahr der Chorweihe oder ein Jahr später in Köln gewesen ist – es im vorangestellten Zitat so feinsinnig ausdrückt hat, geht es letztlich um die Berührung Gottes in der Seele des menschlichen Geschöpfs, sprich, in der Tiefe unserer menschlichen Existenz.

Köln, Dom, Chor, Dreikönigenreliquiar am Gitter zwischen Chorumgang und Binnenchor

© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

12. Februar 2023 || ein Beitrag von Harald Schlüter, Referent für Dom- und Kirchenführungen beim DOMFORUM