Barbenheimer – Mehr im Blog der Akademie_I

Was Barbenheimer mit dem Status von Mann und Frau im Mittelalter zu tun hat

Mit großem Getöse wurde der Kinostart zweier hoffnungsvoller Blockbuster in den erwartet: Barbie und Oppenheimer, oder besser: Barbie gegen Oppenheimer?

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Auch wenn es sich hier um ein einigermaßen irreales ‚Duell‘ handelt, dass eher die Fans, denn die Filme selbst gegeneinander austragen, lässt sich ein vermeintlich Jahrhunderte alter Reflex an diesem ablesen: Es geht eben auch um Frau gegen Mann – dumm gegen klug – Fashion gegen Physik …

Lässt man die Tatsache beiseite, dass es sich bei Barbie ‚nur‘ um eine Plastikpuppe handelt, die hier ein eigenes Biopic erhält, bei Oppenheimer aber um einen der wichtigsten Physiker des 20. Jahrhunderts, lassen sich in deren Gegenüberstellung Fragen über Rollenzuschreibungen und Geschlechtsidentitäten kaum besser abarbeiteten. Nur sind das eben moderne Rollenbilder.

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Die Frage danach, was Frau und Mann ausmacht und voneinander unterscheidet – die Frage nach der Rolle beider Geschlechter innerhalb der Gesellschaft (gender) – prägt bereits die mittelalterlichen Erzählwelten. Hier sind es vor allem Ausnahmegestalten und Ausnahmesituationen, an denen sich Rollenerwartungen und Brüche mit diesen beobachten lassen. Im „Nibelungenlied“ etwa wird aus der jungen und wunderschönen, sich stets unterordnenden Kriemhild eine Rächerin, die ihre gesamte Welt in Brand setzt. Hilfestellung dabei bieten ihr ihre Brüder – vor allem König Gunther – die sich auf ihre vermeintliche Klugheit berufend, den Intellekt der Frauen und den damit einhergehenden Verrat nicht zu sehen vermögen. Auslöser des Weltuntergangs im „Nibelungenlied“ ist der Streit der beiden Königinnen – Brünhild und Kriemhild – um die Frage: Wer ist der Bessere – Gunther oder Siegfried? Eine durch und durch bedrohliche Frage, denn davon hängt der soziale Status der Damen ab. Die Frage des Geschlechts, des gender, stellt sich in den meisten mittelalterlichen Erzählungen nämlich gar nicht primär, wichtiger ist die Frage nach dem Status einer Figur: hoch geboren, aus einer mächtigen Familie stammend, mit Reichtum und Macht gesegnet, sprich: die Zugehörigkeit zum Hochadel ist es, die Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv macht und eben verbindet.

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Die soziale und familiäre Verortung ist auch der wichtigste Identifikationspunkt der Figuren selbst. Erst auf dem zweiten Rang folgt die Frage nach dem Geschlecht, die Tatsache, dass man eben Mann oder Frau ist. Und erst auf dieser Ebene, zumeist in der Auseinandersetzung mit den männlichen Figuren entfalten weibliche Figuren ihre Handlungsspielräume. Und hier endet das Duell zwischen Frau und Mann im „Nibelungenlied“ eventuell auch so wie das zwischen Barbie und Oppenheimer: Obwohl die Männer die stärkeren Waffen haben, geht eine Frau am Ende siegreich aus der Schlacht hervor. Im „Nibelungenlied“ geht die gesamte königliche Familie der Burgunden unter – selbst Kriemhild findet einen schändlichen Tod. Nachdem diese die Welt in Brand gesteckt hat, überlebt aber ihre Schwägerin Brünhild, die nun als Witwe die Herrschaft in Worms übernimmt und ohne die soziale Kontrolle von Männern herrscht. Aber das ist eine andere, leider unerzählte Geschichte.

Bildnachweis

Maggie barbie cosplay Geffen85, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
ThreeOfCups, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Charlotte Johnson with1965 Barbiedoll, Nelson Tiffany, Los Angeles Times, CC BY 4.0 via Wikimedia Commons
Robert Oppenheimer at the GuestLodge, OakRidge, in1946 Ed Westcott (Fotograf der US-Regierung), Public domain, via Wikimedia Commons

15. August 2023 || ein Beitrag von Dr. Birgit Zacke, Institut für Germanistik, Germanistische Mediävistik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn