Ein Honigvögelein gibt allersüßeste Frucht oder der Triumph der Selbstlosigkeit

Die Eigenschaften der Bienen, ihr Fleiß, die Ordnung des Bienenstaates, die Süße und der Wohlgeschmack des Honigs verkörperten für die Menschen schon immer Ideal und Erhabenheit. Das kleine, produktive Tier war von altersher eine beliebte Metapher. Der Theologe Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti blickt in seinem heutigen Beitrag auf die Biene und den Honig sowie ihre religiöse Bedeutung.

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„Iss Honig, mein Sohn, denn er ist gesund“, rät das Buch der Sprüche (24, 13). Das Hohelied beschreibt die Vorzüge der Braut damit, dass von ihren Lippen Honig tropft (4, 11). In der Bibel ist vom Honig rund fünfzigmal die Rede, viel seltener werden Bienen erwähnt. Vielleicht ist das auch normal, wenn einem von Gott quasi das Schlaraffenland zugewiesen wird, eben das Land „wo Milch und Honig fließen“ (Ex 3, 8). So ganz sicher war man sich in alttestamentlichen Zeiten nicht, wie man die Biene einzuordnen hatte. Martin Luther übersetzt Jesus Sirach 11, 3 deshalb noch: „Die Biene ist ein klein Vögelein und gibt doch die allersüßeste Frucht“. Was bedeutete das kleine „Honigvögelein“ schon gegen den Honig, den es neben dem Wachs lieferte?

Honig wussten schon die Menschen der Steinzeit zu schätzen. Eine 12.000 Jahre alte Höhlenzeichnung zeigt einen von Bienen umschwärmten Menschen, der Honig aus einer Baumhöhle räumt. Honig war in der Antike nicht nur ein Süßungs- sondern auch ein Heilmittel: Kleopatra planschte in Eselsmilch und Honig, um sich Schönheit und Jugend zu erhalten. Die Ärzte der Antike wussten, dass Honig Entzündungen hemmt, keimtötend und schmerzlindernd wirkt, weshalb sie ihn bei offenen Wunden und gegen Schwellungen, Fieber, Verbrennungen und Zahnschmerzen anwandten. Und dass man Honig auch als Gesunder essen kann, berichtet Matthäus 3, 4 von Johannes dem Täufer, der sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährte. Selbst der auferstandene Jesus war dieser Köstlichkeit nicht abgeneigt, denn ihm wurden Fisch und Honig angeboten (Luk 24, 42). Bienenwachs diente ursprünglich nicht zur Herstellung von wohlriechenden Kerzen. Auf Wachstäfelchen konnte man schreiben, mit ihm konnte man modellieren. Wachs lässt sich zudem einfärben, bemalen und bleichen.

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Der Begriff Bienen“stock“ für ein Bienenhaus gibt einen Hinweis auf die ursprüngliche Behausung der Bienen, eine Höhle in einem Baumstock, einem Baumstamm. Solange die Bienen noch nicht domestiziert waren, bauten sie sich selbst ihr Haus. Dann boten ihnen die Menschen vorbereitete Baumhöhlen an und später Strohkörbe und hölzerne Kästen. „Beute“ nennen Imker das Bienenhaus.

Das Alter der Biene wird auf etwa 110 Millionen Jahre geschätzt. Die älteste erhaltene fossile Biene soll zwischen 75 und 92 Millionen Jahre alt sein. Weltweit gibt es heute etwa 20.000 Bienenarten, davon sind 700 in Europa heimisch, davon wiederum 500 in Deutschland. Etwa 80.000 Imker halten in Deutschland rund 1 Million Bienenvölker, die Jahr für Jahr 25.000 Tonnen Honig liefern. Das sind aber nur 25 % des in Deutschland jährlich gekauften Honigs. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung der Biene wird weltweit auf zirka 70 Milliarden Dollar pro Jahr beziffert. Hinter Rind und Schwein ist die Biene damit das drittnützlichste Nutztier.

Die Biene oder Imme, Imp, Weisel oder Drohne, die im Zusammenhang mit ihrem Honig interessiert, ist die westliche Honigbiene, lateinisch Apis mellifera. Sie ist nicht nur naturwissenschaftlich interessant, mindestens das Gleiche gilt für ihre Symbolhaftigkeit. Sie ist eine „uralte Kulturbotschafterin“ (Ralph Dutli), von der der römische Naturwissenschaftler Plinius der Ältere (23 – 79 n. Chr.) überzeugt war, dass sie nur um des Menschen willen geschaffen sei.

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„Willst du Gottes Wunder sehn, musst du zu den Bienen gehen“ sagt der Volksmund nicht ohne Grund. Die Menschen hat immer fasziniert, was sie bei der Beobachtung der Bienen lernen konnten. Jede Biene gehört zu einem Bienenvolk, das gemeinsam in einem Stock lebt. Eine einzelne Biene ist nichts, aber jede einzelne erfüllt im System ihres Staates eine abgestimmte Rolle. Das Bienenvolk wird zum Symbol eines geordneten Staatswesens. Im Zentrum existiert die Bienenkönigin, von der man bis in das 19. Jahrhundert glaubte, sie sei ein „Bienenkönig“. Sie ist die „Mutter“ aller Bienen im Stock. Auf ihre Rolle wird sie schon vor ihrer Geburt vorbereitet. Sie wird mit „Gelée Royale“ gefüttert, das nicht nur königlich heißt, sondern durch seine energiereiche Zusammensetzung Königinnen erschafft und dafür sorgt, dass sie in ihrem fünf- bis sechsjährigen Leben über 500.000 Eier legt, täglich bis zu 2.000 Stück, mehr als Körpergewicht. Sie ist die einzige fruchtbare Biene im Stock. Die anderen unfruchtbaren Weibchen sind Arbeitsbienen. Die Männchen, Drohnen, sind nur zur Begattung der Königin da und müssen von den Arbeiterinnen ernährt werden. Die Arbeiterinnen bauen den Bienenstock und die Waben, schaffen den Honig heran, erzeugen Wachs zum Bauen, ernähren die Brut, verteidigen den Stock gegen Eindringlinge, informieren die anderen Bienen über ergiebige Blütenstände. Zwar kann eine Biene auch stechen, aber ihre Vorzüge überwiegen diese Gefahr bei weitem. Das Buch der Sprüche konkretisiert: „Geh zur Biene und lerne, wie fleißig sie ist und wie ernsthaft sie ihre Arbeit verrichtet! Die Frucht ihrer Mühen ist der Gesundheit von Königen wie von schlichten Leuten zuträglich. Daher ist sie beliebt und geschätzt und bekundet trotz ihrer geringen Kraft bewundernswerte Geschicklichkeit“ (6, 8).

All dies erklärt die Symbolkraft der Bienen. Sie sind Vorbild für die Selbstlosigkeit, Selbstaufopferung, gemeinsamen Besitz, durchdachte Ordnung, Fleiß, Zukunftsvorsorge, Reinheit, Kunstfertigkeit und Fülle. Sie sind ein Beispiel für die Unschuld und die gelebte Jungfräulichkeit, ein Vorbild für Ordensleute. Der Kirchenvater Hieronymus (347 – 419) schrieb dem Mönch Rusticus: „Richte Bienenstöcke ein … und lerne von den kleinen Wesen, wie Ordnung und Zucht in den Klöstern zu wahren sind“. Augustinus (354 – 430), selber als Imker tätig, sah in der ewigen Jungfernschaft der Bienen das Merkmal ihre Auserwählung: „Sie kennen keine Männer, die Blume ist ihr Bräutigam.“

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Die Christen übernahmen die Bienensymbolik. Die Biene ist Jesus Christus, nach Gregor von Nazianz (329 – 390) „die jungfräulich geborene Biene“. Im Mittelalter wird der Auferstandene als „himmlische Biene“ (apis aetherea) bezeichnet, die abhebt in die Sphären des Lichtes. Maria, der Inbegriff von Tugend, Reinheit und Jungfräulichkeit, wird zum Bienenstock. Die Heilige Schrift wird zu einer Wabe voll mit süßem Honig, „geistige Speise“, die Süßigkeit der Frohen Botschaft.

Die Bienensymbolik wurde nicht nur auf Jesus und seine Zeit angewandt. Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153), ein begeisternder Prediger, wurde seiner „honigfließenden Rede“ wegen als „Doctor mellifluus“ bezeichnet. Eine grandiose Predigt war deshalb „Honig aus Worten“. Der hl. Ambrosius (337 – 397) war kein minder begabter honigsüßer Prediger. Die Legenden erzählen, über seiner Wiege habe einst ein Bienenschwarm geschwebt und ihm Honig in den Mund geträufelt, was Grund für seine Begabung gewesen sei. Das Lob der Biene hat selbst im „Exultet“ der Osternacht seine Spur hinterlassen, wenn die Kerze „vom Werk der Bienen“ Gott geweiht und die Flamme „vom schmelzenden Wachs genährt wird, das Mutter Biene zur Herstellung dieser kostbaren Leuchte erzeugt hat“. Da lag es nahe, die „honigsüßen Prediger“ wie Ambrosius von Mailand, Chrysostomus (griech. Goldmund) und Bernhard von Clairvaux bei ihrer Darstellung durch die Beigabe eines Bienenkorbes kenntlich zu machen.

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Wen wundert es, wenn Bienen und Bienenstöcke auf Stadtwappen und sogar auf Papstwappen vorkommen. Das Wappen von Papst Urban VIII. (1623 – 1644) mit drei Bienen findet sich häufig in Rom. Er stammte aus dem alten Adelsgeschlecht der Barberini, die aus Barberino in der Toskana stammten und ursprünglich Tafani (Pferdebremsen) hießen und deshalb drei Pferdebremsen im Wappen trugen. Als Maffeo Barberini Papst wurde, adelte man die Familie durch den Austausch der Pferdebremsen gegen Bienen.

Bienenwachs

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Seit dem christlichen Altertum brennen Kerzen im Heiligtum, sowohl aus praktischen Gründen bei nächtlichen Gottesdiensten zum Lesen der Gebetstexte, als auch aus liturgischen Gründen um Christus als Licht der Welt zu symbolisieren. Wie die brennende Kerze sich sichtbar verzehrt, so opfert sich Christus bei jeder Eucharistiefeier auf, um Gläubige durch seine Selbsthingabe zu erlösen. Darum die bis heute noch bestehende liturgische Vorschrift der Kirche, dass bei jeder heiligen Messe Wachskerzen brennen müssen, wie auch ein Kreuz auf dem Altartisch stehen muss.

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Die Altarkerzen bestanden früher nur aus Bienenwachs, denn das Bienenwachs war das Material der keuschen Biene, das in der Nähe des Allerheiligsten brennen durfte. Ein weiterer Grund, warum man Bienenwachs nahm, ist, dass man für die Liturgie wegen ihres Festcharakters nur die edelsten Materialien verwenden wollte. Da diese Tradition aber mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges unterwandert wurde, da kein Bienenwachs mehr für die Kerzenherstellung verwendet werden durfte, gab es auch ein Material, was ähnliche Eigenschaften besaß wie Bienenwachs, aber wesentlich preisgünstiger am Markt zu erhalten war, das Paraffin. Die Kerzenhersteller einigten sich so auf einen 10%igen Bienenwachsanteil in der Kerze.

Diese Regelung, „echte“ Wachskerzen (aus Paraffin) mit einem Bienenwachsanteil von 10 %, ist beibehalten worden, denn reine Bienenwachskerzen sind mengenmäßig weder lieferbar noch bezahlbar.

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10. Juli 2020 || ein Beitrag von Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti

Der Theologe Manfred Becker-Huberti war von 1991 bis 2006 Pressesprecher des Erzbistums Köln. Seit 2007 ist er Honorarprofessor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Er forscht zu religiösem Brauchtum, Heiligen und der Heiligenverehrung speziell im Rheinland.