Eine – vielleicht – wahre Orgelgeschichte
Heute, vor genau einem Jahr, starteten wir mit dem Eröffnungskonzert des Festivals OrgelKultur im Rhein-Sieg-Kreis in das Beethoven Jubiläumsjahr 2020. Noch nicht wissend, welche Herausforderungen und Neuigkeiten in diesem Jahr noch auf uns warten würden. Heute blicken wir zurück auf ein Jahr mit einigen Absagen, aber auch vielen sehr gelungenen Veranstaltungen und einem tollen Team von Beteiligten und freuen uns auf die Veranstaltungen, die wir glücklicherweise in dieses Jahr verschieben konnten.
Herzlich danken wir Heiner Meurs für den heutigen Beitrag, in dem wir mehr über die Orgel erfahren, auf der Markus Eichenlaub (Domorganist des Speyerer Doms) im letzten Jahr unser Festival eröffnete.
Wir befinden uns in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts: Clemens August von Bayern, seines Zeichens Kurfürst und Erzbischof von Köln, hatte 1761 seinen himmlischen Frieden gefunden – der Herr hat’s gegeben, der Herr hat‘s genommen, gepriesen sei der Name des Herrn in Ewigkeit (Buch Hiob). 1763 war im fernen Osten des Hl. Römischen Reiches nach sieben Jahren Krieg eine neue Hegemonialmacht erstanden. Da trug sich im Jahre des Herrn 1767 in einem Adelsdamenstift der Augustinerchorfrauen in Schillingscapellen zu, dass die Wahl einer neuen Äbtissin anstand – der Herr hat’s gegeben … Der überaus frommen Nonne Maria Lambertina Freifrau von Brackel zu Breitmar wurden beim Chorgebet, in den Stunden der Laudes und der Komplet, gute Chancen auf die Wahl zur Äbtissin eingeräumt. Aber – man kann bei solcherart Abläufen ja nie wissen …
Foto: Alexander Schulte, Schillingscapellen, Klosterruine. Blick aus dem niedergelegten Kirchenschiff auf die Wand zwischen Kirchenraum und Nonnenempore (dahinter) mit der großen Fensteröffnung. Der wahrscheinliche Standort der Orgel, so dass der Organist beide Bereiche einblicken konnte.
Da machte auf einmal ein Gerücht die Runde, man mochte es kaum glauben, aber – ‘was Wahres musste ja wohl dran sein, woher sonst sollte das Gerücht kommen: Zur Verherrlichung des Herrn und zum schöneren Lobpreis Gottes sollte eine Orgel den Kirchenraum des Klosters beseelen, gestiftet von den Eltern Maria Lambertinas, den hochehrenwerten Familien von Brackel zu Breitmar und von der Portzen. Wenn das kein Fingerzeig war, auf den sehnlichst gewartet worden war! Und tatsächlich, Maria Lambertina wurde zur „Ehrwürdigen Mutter“ erwählt – und das Stift erhielt seine Orgel.
Als Erbauer sollte kein geringerer als der damalig prominenteste unter den wohlachtbaren Orgelbaukünstlern den Auftrag erhalten: Christian Ludwig König (1717 – 1789). Er selbst aus der Hohen Domstadt zu Köln hatte bereits die Orgel der Hofkirche St. Maximilian zu Düsseldorf erbaut und auch die der Schlosskirche von Schleiden, sein Vater die des Klosters Steinfeld – wenn das keine Referenzen waren! Jedenfalls erbaute König in den Jahren 1768 bis 1769 – im benachbarten Miel wurde mit dem Neubau eines Schlosses begonnen – ein Instrument von einer solchen Qualität, dass es die Jahrhunderte überdauerte und in unsere Zeit gekommen ist. Und das obwohl die Orgel in den Wirren der französischen Besatzung doch tatsächlich die Abqualifizierung einer mediokren, einer „leidlichen“ erhalten sollte – aber was konnte von den „Gottlosen, den Revolutionstruppen“ schon anderes erwartet werden!
Das Schloss beherbergt heute einen Golfclub, die neue Hegemonialmacht überdauerte die Zeiten bekanntermaßen ebenso nicht wie das Nonnenstift – die Orgel aber hat immer noch Bestand, in der Pfarrkirche St. Martinus zu Ollheim. Nun ist sie zu wesentlichen Teilen restauriert, in anderen Teilen an den Ursprungszustand herangeführt und in wiederum anderen Teilen erneuert. In Summa wies sie einen derart bemerkenswerten Originalzustand auf, dass im 251. Jahr ihres Bestehens das Festival OrgelKultur im Rahmen des Beethovenjubläums BTHVN2020 zu einem Festkonzert einlud, gegeben im Jahre d. H. 2020 zu Ehren des großen Ludwig van in der Kirche St. Martinus zu Swisttal-Ollheim.
12. Januar 2021 || empfohlen von Julia Steinkamp, Mitarbeiterin Festival Orgelkultur