Tagesheiliger Konrad von Parzham

Am 21. April 1894 verstarb Bruder Konrad von Parzham. 41 Jahre lang hatte der Kapuzinermönch als Laienbruder an der Pforte des damaligen St. Anna-Klosters zu Altötting Dienst getan – immer mit Blick auf das Allerheiligste auf dem Altar – immer mit freundlichen Worten für jeden der abertausend Pilger und Bittsuchenden, die Einlass ins Heiligtum begehrten. Konrad von Parzham war am 22. Dezember 1818 als elftes von zwölf Kindern des Bauernpaares Birndorfer in Parzham bei Bad Griesbach im Rottal geboren und auf den Namen Johann getauft worden. Schon als Heranwachsender wollte er in ein Kloster eintreten. Seine bereits in Kinderjahren auffallende Frömmigkeit ließ die Nachbarn munkeln: „Wenn der kein Heiliger wird, wird es niemand.“ Da dem jungen Johann Birnbacher der Zugang zu einem Theologiestudium nicht möglich war, arbeitete er zunächst als Knecht am elterlichen Hof, den er später einmal übernehmen sollte. Erst mit 31 Jahren fand er den Weg ins Kloster und lebte dort sein bescheidenes und demütiges Leben.

Die Heiligsprechung Bruder Konrads am 20. Mai 1934 durch Papst Pius XI. hatte man als stille Mahnung gegenüber dem in Deutschland seit einem Jahr erwachsenden Großmannstum gesehen. In diesem Sinne entstanden vor allem im damaligen Deutschen Reich bereits in den 1930er Jahren erste Rektorats- und Kirchengemeinden zu Ehren Konrads. Manch eine Gemeinde musste aber wegen der immer stärker werdenden Bedrückung der Kirche in Nazideutschland bis auf die Zeit nach dem 2. Weltkrieg warten, bis ihnen ein eigenes Gotteshaus gebaut werden konnte. Stellvertretend für all diese sei die nicht nur im 100. Jubeljahr ihres Architekten Gottfried Böhm erwähnenswerte Pfarrkirche St. Konrad in Neuss-Gnadenthal von 1954/55 genannt.

Man muss diesen großen historischen Hintergrund im Kopf haben, um die Bedeutung der 1960 im Rahmen eines Immobilientausches zwischen Erzbistum Köln und Stadt Köln eingerichteten Konrad von Parzham-Kapelle im Gürzenichquartier zu verstehen. Zu Ende des 2. Weltkriegs bestand die altehrwürdige Pfarre St. Alban in Köln nur noch aus 312 Seelen, die freilich nicht alle Kirchgänger waren. Im Zuge der Umstrukturierung der Kölner Pfarrbezirke in der Innenstadt wurde die alte Albanspfarre aufgelöst. Die zur Pfarre gehörenden Grundstücke am Quatermarkt inklusive der Ruine Alt St. Alban wurden 1954 im Tausch gegen ein Grundstück zwischen Gilbachstraße und Stadtgarten von der Stadt Köln übernommen. Das Erzbistum richtete hier, an der Grenze zwischen nördlicher Neustadt und Ehrenfeld eine neue Pfarre ein; die 1958 geweihte Kirche Neu St. Alban von Architekt Hans Schilling zählt zu den bedeutendsten Nachkriegskirchenbauten Deutschlands.

Die Stadt Köln richtete im Zuge des Gürzenichneubaus dort, in der profanierten Kirchenruine am Quatermarkt eine Mahn- und Gedenkstätte für die Toten der beiden Weltkriege ein. Mit der 1953 im Atelier Ewald Matarés von Erwin Heerich und Joseph Beuys ausgeführten Skulpturengruppe „Trauerndes Elternpaar“ (nach Käthe Kollwitz), die im ehemaligen Chorbereich der Ruine Aufstellung fand, ist dies einer der bekanntesten Erinnerungsorte des 20. Jahrhundert, und zwar überregional. Kein Geringerer als Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, war Anreger für diese Art des Mahnens in Köln!

Bestandteil des Vertrags über den Grundstückstausch zwischen Stadt und Erzbistum Köln war auch, dass die Stadt auf ihre Kosten eine Kapelle im Turmerdgeschoss der Kirchenruine einrichten würde. Das Erzbistum benannte einen rector ecclesiae für die Kapelle und darf sie vertraglich seither liturgisch nutzen. Und in diesem Punkt besteht ein gewisses Skandalon. Denn dies – liturgische Feiern, Andachten etc., ja jeglicher Zugang zur Kapelle – wird von Seiten der Stadt vertragswidrig seit Jahren verwehrt. Lediglich dem ehemaligen Puppenspieler des Kölner Hänneschen-Theaters, Hans Fey, waren – und das ist kein verspäteter Aprilscherz! – über das Büro der Oberbürgermeisterin dort Führungen in den letzten Jahren erlaubt. Die Gründe seien hier nicht genannt. Hier soll nur einer der schönsten, aber unbekanntesten Sakralräume Kölns vorgestellt werden:

Allein die Wahl der Einsegnung der Kapelle auf Bruder Konrad von Parzham stellt eine sinnfällige Verbindung zum Erinnerungsort Alt St. Alban, an dem ja aller Kriegsopfer des vom staatsterroristischen Naziregime ausgehenden 2. Weltkrieg gedacht wird, dar. In der Eingangshalle der Kapelle ist das ehemalige Hochkreuz des Kirchhofes Alt St. Albans angebracht. Die von Peter Hecker angebrachten Wandkartuschen erinnern an die auf diesem Kirchhof bestatteten Künstlerpersönlichkeiten der Kölner Malerschule: Stefan Lochner und Barthel Bruyn d.Ä. Zentral wird aber hier des letzten Pfarrers der Albansgemeinde, Felix Heusch († 01.07.1943) , und des Pfarrverweser, Dr. Karl Koch, der es wie Pfr. Fabry von St. Georg oder Stadtdechant Dr. Robert Grosche bis zum Ende des Krieges in Köln bei „seinen“ Pfarrkindern ausgehalten hatte und, wie Pfr. Fabry, im Bombenhagel des 2. März 1945 starb, gedacht. Der eigentliche Kapellenraum besitzt zwei, östlich und südlich ausgerichtete Fenster (Kunstverglasung von Will Thonett), die im Durchblick durch den Sieger Christus (Ostfenster) und den Lebensbaum (arbor vitae, das Südfenster) auf sinnfälligste Weise den Kapellenraum mit der säkularen Gedenkstätte verbindet.

Die Gedenk- und Mahnstätte in der Ruine Alt St. Alban, der Neubau des Kölner Gürzenich, der gemäß seinem Architekten Rudolf Schwarz „die Feste des Lebens vor den Hintergrund des Todes stellt“ und die Konrad von Parzham-Kapelle stellen ein in Deutschland einzigartiges Ensemble dar, weil es ein von der Zivilgesellschaft und von Seiten der Katholischen Kirche in gleichem Sinne ausgerichtetes, architektonisch und künstlerisch überzeugendes Projekt ist. Es ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar, dass an diesem Ort der kirchliche Erinnerungsträger seit Jahren ausgegrenzt wird.

Ich möchte meinen heutigen Beitrag für die „Akademie in den Häusern“ mit der Idee beenden, dass sich ähnlich wie in Bezug auf die Maria-Magdalenen-Kapelle auf dem Melatenfriedhof (die sich ebenfalls in städtischem Besitz befindet), eine Arbeitsgemeinschaft für die liturgische „Wiederbelebung“ der Bruder-Konrad-Kapelle gründen möge. Interessenten wenden sich bitte über die Thomas-Morus-Akademie an mich.

Bilder: Markus Juraschek-Eckstein

20. April 2020 || Beitrag von Markus Juraschek-Eckstein, Kunsthistoriker und Germanist