Meister des Lichts und des Schattens – Caravaggio

Die Kunst des Barock ist in der Architektur bekannt für viel Gold, Rosa, Stuckmarmor und überbordendes Dekor. Im Gartenbau erkennt man sie an kunstvoll beschnittenen Hecken mit Grotten und ornamentalen Beetanlagen. In der Malerei präsentiert sie sich mit enormer Motivfülle, Dynamik und Ausdrucksstärke und (im Falle beispielsweise eines Peter Paul Rubens) mit einer ordentlichen Portion Pathos.

Michelangelo Merisi da Caravaggio, 1571 geboren, stand am Anfang dieser machtvollen und repräsentativen Kunstrichtung. Mit knapp 20 Jahren kam er nach Rom und saugte die noch verbreitete Kunst der Renaissance in sich auf. So sehr ihn diese auch beeindruckte und seine Arbeiten beeinflusste, er fand schon bald zu seinem eigenen Stil: Wahrheit, Echtheit, Unmittelbarkeit und Dramatik zeichneten seine Werke aus und brachten ihm bald Erfolg. Zwar musste er Rom nach wenigen Jahren bereits 1606 verlassen (ein privater Streit mit tödlichem Ausgang veranlasste ihn zur Flucht), doch die Stadt der sieben Hügel beherbergt bis heute einige seiner bedeutendsten Werke, und das nicht nur in Museen, sondern auch im öffentlichen Kirchenraum.

Auf der nach ihr benannten Piazza steht die Kirche Santa Maria del Popolo mit der den Heiligen Petrus und Paulus geweihten Capella Cerasi. Dort findet sich Caravaggios Meisterwerk „Die Bekehrung des Apostels Paulus“.

Es geht um den Sturz und die Umkehr des Apostels, beides festgehalten in einem einzigen Moment. Der Künstler rückt das Bildgeschehen ganz nah an den Betrachter heran. Einen großen Teil des Bildraumes nimmt überraschenderweise ein Pferd ein, das den rechten Vorderhuf hebt. Kein edles Streitross ist es, und keine beeindruckende Position nimmt es ein, ist es doch sogar von schräg hinten zu sehen.

Der hinter dem Pferd stehende Mann hat schütteres Haar, seine Beine und Füße sind nackt, er ist ein einfacher Stallknecht. Erst dann wird der Blick des Betrachters nach unten geführt. Über die beiden in die Höhe gestreckten Arme des bereits Gestürzten findet sich schließlich der eigentliche Protagonist: Paulus liegt auf dem Rücken am unteren Bildrand. Eine ungewöhnliche Platzierung, sein Kopf berührt fast den unteren Abschluss der Malerei. Caravaggio malte den schon Erblindeten in kühner Verkürzung, der Betrachter sieht ihn von oben.

Des Künstlers meisterliche Fähigkeit, Oberflächen darzustellen, lässt die Szene so echt und damit in ihrer göttlichen Botschaft wahr erscheinen. Das Fell des Tieres, die in Falten gelegte Stirn des Knechtes, Leder und Stoff der Kleidung des Paulus bis hin zu Federschmuck und Metalloberfläche des Helmes, Caravaggio hat die Fähigkeit, den Betrachter mit den Augen fühlen zu lassen.

Im Zentrum der Caravaggio-Bewunderung steht aber vor allem seine Beherrschung von Licht und Schatten. Der Hintergrund der Szene verschwindet fast in vollkommener Dunkelheit. Umso heller strahlt das Licht, welches nicht nur Paulus erhellt, sondern auch Pferd und Knecht berührt. Es handelt sich um himmlisches Licht, dessen Quelle außerhalb des Bildraumes liegt und welches die ganze Szene als eine göttlichen Geschehens kennzeichnet. Mit dem Einsatz dieser Lichtschattenmalerei, des Chiaroscuro, schafft Caravaggio ungewöhnliche Dramatik, Intensität und absolute Authentizität.

Mit wenigen Figuren und enormer Bildspannung bannt Caravaggio den himmlischen Akt der Gnade auf die Leinwand. Alles spielt sich in der Figur des Paulus ab. Der Sturz, die äußere Erblindung und innere Erleuchtung – alles ausgedrückt mit stark reduziertem Bildpersonal, denn seine erste Arbeit für diesen Ausstellungsort wurde auf Wunsch des Auftraggebers Tiberio Cerasi ersetzt. Die zunächst gearbeitete Version ließ Paulus durch die donnernde Erscheinung Christi von einem sich windenden Streitroß stürzen (heute in der Sammlung Odescalchi).

Die dramatische Stimmung der Erstfassung weicht hier einer mystischen Ruhe und Ergebenheit. Der Hochmut, der Fall, der göttliche Dialog, die Erkenntnis und die Bekehrung, alles wird in einem einzigen Augenblick zusammengefasst. Caravaggio lässt Erhabenheit, Wahrheit und Glaube Wirklichkeit werden, ausgestattet nur mit einem Pinsel, Ölfarben und einer Leinwand.

In den Sommerferien reist Akademiereferentin Judith Graefe mit ihrer Familie durch Italien. Ihre Reise verspricht unvergessliche Erlebnisse von Norden bis Süden. Für den Blog der Akademie schreibt sie von prächtigen Kunstwerken, historischer Spurensuche und unentdeckten Orten. Heute reist sie von Rom nach Süden. In Rom begegnet sie heute dem Meister des italienischen Frühbarock: Caravaggio.

In unserem Blog können Sie ihre Reise miterleben. Los ging es in Sterzing, weiter nach Pisa, dann nach Rom, zum Schluss über Pompeji zurück ins Rheinland.




Bildnachweise:

Caravaggio (1601): Die Bekehrung des Apostels Paulus (Ausschnitt). Bild: Sailko via Wikimedia commons (CC BY 3.0)

Posthumes Porträt Caravaggios von Ottavio Leoni, um 1614, via Wikimedia commons, gemeinfrei

Caravaggio (1601): Die Bekehrung des Apostels Paulus. Wikimedia commons, gemeinfrei

2. August 2022 || ein Beitrag von Judith Graefe, Akademiereferentin Erkundungen