Auf ein Wort mit … Susanne Kolter

Liebe Frau Dr. Kolter, in der Regel sind die von uns engagierten Referentinnen und Referenten Fachleute in einer Profession, für die sie dann auch stehen und diese Kenntnisse vermitteln. Sie stehen sozusagen auf zwei Standbeinen, in der Kunst und Theologie, und können zwei Fachexpertisen einbringen. Wie ist es dazu gekommen?

So ungewöhnlich ist das ja letztlich nicht. Im Allgemeinen hat man doch auch mindestens zwei Studienfächer. Und im Laufe des Lebens kommt dann ja oft noch die eine oder andere Qualifikation und Expertise dazu. Tatsächlich war ich im „ersten Leben“ Kunsthistorikerin; in der Kunstgeschichte habe ich promoviert und habilitiert. Ehrenamtlich war ich fast durchgängig im kirchlichen Bereich engagiert. Im reifen Alter von 43 sind dann Lebenspläne in Bewegung geraten, und ich habe Hauptamt und Ehrenamt quasi getauscht. Das Bistum Münster hat mir dabei die Möglichkeit geboten, mich theologisch noch zu qualifizieren. Eine große Chance – aber durchaus auch eine Herausforderung, wenn man plötzlich im Hörsaal von der Lehrenden- in die Studierendenposition wechselt…

Was macht das Besondere dieser beiden Arbeitsfelder Kunst und Theologie aus und wo sehen Sie Verbindendes und Trennendes?

Dass beides gut – sogar sehr gut – zusammengeht, erschließt sich natürlich vor allem für den Bereich der christlichen Kunst. Aber darin erschöpft es sich selbstverständlich nicht. In beiden Fällen handelt es sich ja im Prinzip um hermeneutische Wissenschaften. Bestimmte Skills kommen einem also in beiden Feldern gut zu pass.

Um einmal bildtheologisch zu sprechen: Immer wieder flammten ja in der Geschichte des Christentums Auseinandersetzungen über die Möglichkeit und Angemessenheit von Gottesdarstellungen auf. Das meiner Ansicht nach auch heute noch entscheidende Argument zugunsten einer bildlichen Darstellung Gottes wurde aber schon frühzeitig in die Debatten eingebracht, nämlich von Johannes von Damaskus (650 – vor 754): Er verweist auf die Inkarnation, die Menschwerdung Gottes, die eine körperliche Darstellung befürworte. Zudem hob er hervor, dass die dem Bild erwiesene Verehrung dem Urbild gelte und eine „hypostatische“ Gemeinsamkeit zwischen Bild und Abbild bestehe. Im Hintergrund steht hier nicht zuletzt der platonische Teilhabe-Gedanke. Die inkarnatorische Perspektive (die Menschwerdung) wird insbesondere augenfällig im Prolog des Johannes-Evangeliums. Das Wort wird Mensch.

Und ergänzen möchte ich noch: Gott ist ein „Bilderfreund“ – da bin ich mir ziemlich sicher!

Sie leiten die Diözesankunstkommission des Bistums Münster. Wie lässt sich die Arbeit der Kunstkommission beschreiben und wie ist dabei Ihre Aufgabe?

Die Mitglieder der Kunstkommission beraten und begleiten – gemeinsam mit Vertretern der Bischöflichen Liturgiekommission – Gemeinden bei Umbau, Neuordnung und Umgestaltung von Sakralräumen. Die Kunstkommission nimmt dabei sowohl die Ästhetik und Wirkung des gesamten Raumes als auch einzelne Ausstattungstücke und Kunstgegenstände in den Blick. Sie befasst sich also mit dem wahrnehmungspsychologischen und –ästhetischen Zusammenspiel aller Bauelemente sowie Ausstattungsstücke und berät hinsichtlich der Gesamtwirkung des (Raum)Ensembles.

Auch wenn Kirchen natürlich architektonisch und (bild)künstlerisch wichtige Zeugen oder Monumente sind, mitunter sogar als wirkliche Kleinodien daherkommen, so sind Sakralräume doch in erster Linie als Orte der verfassten und der individuellen Spiritualität definiert, also Orte unterschiedlichster Gottesdienstformate und auch des persönlichen Gebets, der eigenen Gottesbegegnung. Sie haben damit eine liturgische und eine anthropologische Dimension. Beides muss ästhetisch sinnvoll und sinn(en)haft verknüpft sein. Und zwar sowohl zeitgemäß als auch – soweit sich das ermessen lässt – zukünftig tragfähig.

Neben der wissenschaftlichen Arbeit steht bei Ihnen auch die Vermittlung von Kunst hoch im Kurs. Was reizt Sie besonders an dieser Aufgabe.

Jetzt sollte wahrscheinlich eine richtig solide Erläuterung zu pädagogischen Prozessen und didaktischen Konzepten folgen. Aber am Ende des Tages ist es so: Sowohl Forschung als auch Vermittlung empfinde und betreibe ich als ein dialogisches Geschehen. Ob im universitären oder im pastoralen Kontext – es bereitet mir großes Vergnügen gemeinsam zu lernen, zu lehren, zu denken. Ich bin wohl tatsächlich nicht für das stille Kämmerlein geschaffen…

Sie leiten in diesem Jahr erstmals unser kulturelles Veranstaltungsangebot in der Karwoche in Bensberg. Thema ist „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt” Vom Totentanz bis Auferstehungshoffnung. Was hat Sie an diesem Thema gereizt?

Es ist gar nicht so einfach „ganz Ostern“ unter kunstgeschichtlicher Perspektive zu verhandeln. Die schiere Fülle der Möglichkeiten führt sogar in eine regelrechte Optionsparalyse. Ich habe schließlich ganz eigennützig ausgewählt und aus dem Gesamtkontext Themen und Motive versammelt, die ich entscheidend, aufregend, ertragreich finde. Ein persönliches „best of“, wenn man das so flapsig sagen darf: Von der umfangreichen und bis in die Gegenwart reichenden Totentanzthematik, mit ihrer Vorstellung, dass der Tod zu allen gleichermaßen und unterschiedslos kommt, über künstlerische Ausformungen der Kreuzigung vornehmlich im 20. Jahrhundert, bis hin zu einigen Schlaglichtern auf die überschäumende, brodelnde apokalyptische Gemengelage rund um das Jüngste Gericht. Der Ostersonntag ist dann vornehmlich zwei besonderen Zeugen der Auferstehung gewidmet: Thomas und Maria Magdalena, die in ihrem Verlangen, den Auferstandenen buchstäblich zu erfassen, die theologische Debatte wie die künstlerische Fantasie gleichermaßen befeuert haben.

Liebe Frau Dr. Kolter, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit in der Akademie.

28. bis 31. März 2024 (Do.-So.)
„Du hast die Klage in Tanzen verwandelt”
Vom Totentanz und Auferstehungshoffnung
Akademietagung in den Kar- und Ostertagen

Einmal im Monat erscheint „Auf ein Wort mit…“ und stellt interessante und engagierte Personen vor, mit denen die Akademie auf unterschiedliche Weise verbunden ist. Gesprochen wird über Gott und die Welt, über Kunst und Kultur, über Aktuelles aus Gesellschaft und Kirche ….

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4. Februar 2024 || ein Gespräch mit PD Dr. Susanne Kolter, Kunsthistorikerin und Theologin

PD Dr. Susanne Kolter arbeitet in Münster als Pastoralreferentin, leitet die Diözesankunstkommission im Bistum Münster und ist Privatdozentin an der Georg-August-Universität Göttingen. Ihre Forschungsschwerpunkte und -interessen liegen unter anderem in der Englischen Kunst, der christlichen Ikonographie oder auch im Manierismus. Sie ist Mitglied in verschiedenen Foren und gehört beispielsweise zum Wissenschaftlichen Beirat der Prinz Albert Gesellschaft. In der Thomas-Morus-Akademie ist sie seit 2023 als Referentin tätig.