Adventskunst am Samstag II

Donatellos David – ein erstaunlicher Sieger

Sechs Ellen und eine Handbreit hoch soll er gewesen sein, der Riese Goliat. Das sind fast drei Meter! Sein Schuppenpanzer wog 5000 Schekel Erz (ca. 50 kg), er trug einen ehernen Helm, eherne Beinschienen, eine eherne Sichel und einen Spieß, dessen Spitze allein 600 Schekel wog. Kein Wunder also, dass keiner der den Philistern zur Verteidigung gegenüber stehenden Männer Israels Lust verspürte, der Herausforderung des Goliat zu folgen – selbst nicht, als er Israel verhöhnte.

David, ein Sohn des Isai, hütete tagtäglich die Schafe seines Vaters. Seine drei älteren Brüder standen in den Schlachtreihen Israels vor den Philistern, so dass Isai sein Jüngsten zu ihnen sandte, um ihnen Essen zu bringen. Dort angekommen, hörte David die wiederholte Herausforderung, wie auch die Verspottungen aus dem Munde des Riesen. Empört trat er vor Saul und bot sich an, Goliat im Zweikampf gegenüber zu treten. Die Bedenken Sauls schob er beiseite; er habe die Schafe seines Vaters bereits vor Löwen und Bären verteidigt, und genau so wolle er gegen den Philister verfahren. Beeindruckt von Davids Vertrauen – in sich selbst und in Gott – gab er ihm immerhin eine Rüstung. Diese aber war zu groß und behinderte den Knaben nur, so ging er unberüstet in den Zweikampf. Der Rest ist Geschichte.

Eine Geschichte der klaren Worte, es scheint nicht viel Raum für künstlerische Freiheit zu sein. Und doch liefert allein Florenz zwei weltberühmte David-Figuren, die unterschiedlicher kaum sein können: Den David von Michelangelo (heute in dem eigens für ihn gebauten Raum der Galleria dell‘Accademia ) und den David von Donatello (heute im Museo Nazionale del Bargello). Zu finden auf Tassen, T-shirts und Servietten ist der Adonis aus den Händen Michelangelos omnipräsent. Er ist der Inbegriff der Renaissance, der Heros, der seinen Platz problemlos unter antiken Helden, wie Perseus, Herakles und Achilles einnehmen kann. Im körperlichen Ideal als muskulöser Schöner, im antikisierenden Kontrapost und scheinbar in Gedanken versunken in die Ferne blickend, hat sich der Künstler nicht besonders nah an der biblischen Vorlage bewegt. Von Goliat keine Spur, und die Schleuder ist nur zu entdecken und als solche zu erkennen, wenn man weiß, wonach man suchen muss, hat der siegreiche Held sie doch lässig über die Schulter geworfen.

Donatello hingegen lässt seinen David so erscheinen, wie in der Bibel beschrieben – und noch ein bisschen mehr. Dem Betrachter zeigt sich ein Knabe. Als erster männlicher Akt in Lebensgröße seit der Antike wird die Jugendlichkeit seines Körpers besonders deutlich. David steht in einem übertrieben geschwungenen Kontrapost, hat die eine Hand mit dem Stein in die Seite gestützt und hält in der anderen das Schwert Goliats, das so schwer ist, dass er es auf dem Boden abstützen muss. Der androgyne Eindruck der Figur wird durch das Tragen eines mit Efeu bekränzten Hütchens und lederner Beinkleider betont. Man wird so sowohl der Nacktheit, als auch – und darauf kommt es an – der Wehrlosigkeit des Jünglings außerordentlich gewahr. Das ist es doch, was die biblische Geschichte, und so auch diesen David ausmacht: Nur durch Gottes Kraft und seine Unterstützung eines gottesfürchtigen Knaben konnte es David gelingen, den Riesen mit nur einem Wurf seiner Schleuder niederzustrecken. Dass er ihn dann auch noch mit seinem eigenen Schwert enthauptet, macht die ganze Geschichte noch unglaublicher, ist das Schwert doch so groß, wie Davids Beine lang sind; das Haupt des Goliat übrigens, welches unter Davids Füßen liegt, ist so groß wie sein ganzer Oberkörper.

Die enorme Bedeutung dieses Schmuckstücks der italienischen Renaissance liegt nicht nur in Donatellos künstlerischem Talent, sondern nicht zuletzt auch in der Geschichte des Werks. Geschaffen wurde die Figur für Cosimo de‘ Medici und so vermutlich auch zunächst in dessen sogenannter Casa Vecchia aufgestellt, bis sie in den Hof des neuen Palazzo Medici Riccardi überführt wurde. Sie stand so für die Überlegenheit der Stadt Florenz unter der Macht der Medici gegenüber den anderen Großmächten Neapel und Mailand. Im Jahr 1495 aber wurden die Medici aus Florenz vertrieben. Damit verbunden war der Umzug Davids aus dem Medici-Palast in den der Signoria. So stand Donatellos David nun für den Triumpf Florenz‘ über die Medici. Solche Umdeutungen fanden in der Renaissance nicht selten statt. Festzuhalten ist wohl, dass David Goliat besiegt hat, und das nur, weil er von Gottes Kraft erfüllt war. Wen man schließlich mit der Figur des David oder auch der des Goliat parallelisiert, steht offenbar jedem selbst frei.

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28. Februar bis 5. März 2025 (Fr.-Mi.)
Faszinierendes Florenz
Farbenprächtiges Mittelalter und Wiege der Renaissance
Ferienakademie | Flugreise

Faszinierendes Florenz: Farbenprächtiges Mittelalter und Wiege der Renaissance

„Firenze è come un albero fiorito – Florenz ist wie ein erblühter Baum“, singt Gianni Schicchi in Puccinis Oper. Dieses Bild beschreibt treffend die unvergleichliche Schönheit und kulturelle Bedeutung der Stadt. Florenz, die Hauptstadt der Toskana, begeistert mit einer reichen Geschichte und einem künstlerischen Geist, der in jeder Gasse spürbar ist.

Als lebendiges Museum gesäumt von Meisterwerken, schufen hier Künstler wie Michelangelo, Leonardo da Vinci und Botticelli Werke, die die Kunstwelt für immer veränderten. Jeder Winkel erzählt Geschichten von künstlerischen Revolutionen und politischen Umwälzungen. Florenz ist nicht nur eine Stadt, sondern ein inspirierendes Zeugnis menschlicher Schöpfungskraft und kulturellen Erbes.

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Bild:

Donatello, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons

14. Dezember 2024 || ein Beitrag von Akademiereferentin Judith Graefe

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