Kalk kulinarisch – zwischen ältestem Kölsch, italienischer und veganer Pâtisserie
Köln-Kalk ist ein äußerst heterogener Stadtteil, der sich in stetigem Wandel befindet. Kulinarisch hat das Veedel einiges zu bieten – von der ältesten Kölschbrauerei der Welt, über den einzigen Slowbaker der Stadt bis hin zu türkischen Fischhändlern u.v.m. Anne-Katrin Kleinschmidt war im Gespräch mit Johannes Arens über die gastronomischen Besonderheiten.
Johannes J. Arens, Referent bei den „kulinarischen Streifzügen“ der Akademie. Er begleitet die Gastrotour „Kalk kulinarisch“ am 3. September 2020 (Do.).
Köln-Kalk galt als ehemaliger Industriestandort lange Jahre als eine Art No-Go-Area im Rechtsrheinischen. Doch jetzt ist auch hier die Gentrifizierung angekommen und es wird mitunter als „neues Ehrenfeld“ gehandelt. Wie hat sich der rechtsrheinische Stadtteil in gastronomischer Hinsicht in letzter Zeit entwickelt?
Die Entwicklung verläuft im Allgemeinen vermutlich langsamer als erwartet. Man muss das Veedel schon kennen, um Veränderungen wahrzunehmen. Ich persönlich begrüße diese Geschwindigkeit, weil es für niemanden gut ist, wenn ein Stadtteil in kürzester Zeit umgekrempelt wird. Anhand der Gastronomie kann man den Wandel und auch die Beständigkeit aber gut wahrnehmen: Kalk hat seit geraumer Zeit gleich zwei rein vegane Restaurants und ein Lokal, das vegane Pâtisserie auf hohem Niveau anbietet – gleichzeitig aber nach wie vor die traditionellen türkischen Restaurants mit Holzkohlegrill und gutbürgerliche Gaststätten.
Viele kleine, alt eingesessene Ladenlokale verschwanden in den letzten Jahren, nicht zuletzt zugunsten des großen Einkaufszentrums – fast fashion, fast food … Dieser Realität stehen Betriebe des traditionellen Lebensmittelhandwerks gegenüber, die teilweise seit Generationen bestehen.
Was Lebensmittelhandwerk und -handel angeht, ist Kalk in der Tat nach wie vor gut aufgestellt. Vom Fischhändler über den italienischen Metzger bis hin zum Obst- und Gemüsehändler ist (noch) alles da. Was Backwaren angeht, ist Kalk geradezu ein Paradies. Es gibt zwei traditionelle deutsche Bäcker, sowie türkische und italienische Backstuben. Dazu kommen noch diverse Läden der Filialisten. Was aber nicht bedeutet, dass diese Vielfalt nicht bedroht wäre, denn auch hier steht häufig der Preis und nicht die handwerkliche Qualität im Fokus.
Viele Menschen, die als sogenannte „Gastarbeiter“ nach Kalk gekommen sind, haben die kulinarischen Traditionen ihrer Herkunftsregionen mitgebracht. Welche Entwicklung gibt es hier: Wird sich geschmacklich „angepasst“ – oder finden wir etwas Unverfälschtes, „echt türkisches, syrisches, …“?
Kulinarische Traditionen sind erstaunlich beharrlich und es dauert oft Jahrzehnte, bis die nächste oder übernächste Generation von den Überlieferungen abweicht und Rezepte anpasst und erneuert. Und trotzdem ist der Wandel unaufhaltsam. Ein Beispiel: Es gibt an der Kalker Post ein nettes kleines italienisches Bistro, das von einem italienisch-deutschem Ehepaar betrieben wird. Man könnte den Schuss Sahne in den einfachen Pastagerichten auf der Karte als „unecht“ bezeichnen, man kann aber auch sagen, dass man hier authentisches Essen der zweiten Generation bekommt. Denn so funktioniert Integration auf Dauer: Ein bisschen von dem hier und ein bisschen davon.
Das marokkanische Café Casablanca bezeichnet sich als „Wohnzimmer für Nachbarn als auch Begegnungsstätte für Menschen aus aller Welt“. – Ein Café: Vorbild und Keimzelle für gesellschaftliches Miteinander?
Hinter der Bahnlinie ist eigentlich schon Humboldt/Gremberg, das gehört zum Stadtbezirk Kalk, ist aber schon wieder eine eigene Welt. Das Casablanca ist gewissermaßen der Eingang in die eher nordafrikanisch geprägte Taunusstraße und ein wunderbares Beispiel für ein konfliktfreies Miteinander. Hier spielt es keine Rolle, wo man herkommt, weil alle das gleiche Ziel haben: ein Glas Tee und etwas Süßes dazu.
Danke für das Gespräch!
Bild:
pxhere, gemeinfrei
Johannes Arens © Franzi Klein
21. August 2020 || ein Interview von Anne-Katrin Kleinschmidt, Akademiereferentin