Auf nach Wuppertal: in den Skulpturenpark Waldfrieden und in der Ausstellung „An die Schönheit“ im Von der Heydt-Museum.

An die Schönheit – Auf nach Wuppertal

Der Skulpturenpark Waldfrieden geht auf das Jahr 2006 zurück, als der britische Bildhauer Tony Cragg eine alte Villa in Wuppertal und das sie umgebende Parkgelände kaufte. Die Villa und der Park waren schon lange vor Tony Cragg ein wichtiges Zentrum zeitgenössischer Kunst. 1940 hatte der Lackfabrikant Kurt Herberts das Anwesen mit einem 1894 errichteten Gründerzeitbau erworben und musste nach den Bombardements des Weltkriegs neu bauen lassen. Dazu heuerte er den Architekten Franz Krause an, der Verfechter einer „reziproken Architektur“ war. Krause wartete nicht etwa mit einem fertigen Projekt auf, sondern entwickelte das Gebäude im Prozess des Bauens vor Ort, im Dialog mit den Bauarbeitern und als Reaktion auf die sie umgebende Natur. Diese heute aufgrund aktueller Bauvorschriften nicht mehr mögliche Verfahrensweise ließ eine organische, sich in die Landschaft einschmiegende, rundliche Architektur entstehen, die durch relativ große Fenster den umgebenden Wald mit seinem alten Baumbestand auch in die Räume hineinholte.

Kurt Herberts hatte während des Weltkriegs seine schützende Hand über einen Kreis als entartet diffamierter Künstler gehalten, zu denen neben Krause auch der abstrakte Maler Willi Baumeister und der Bauhauskünstler Oskar Schlemmer gehörten, die ihre Werke in ähnlichen Formen gestalteten. Tony Craggs Skulpturen der vergangenen 30 Jahre teilen mit der Villa von Kurt Herberts ihre Vorliebe für das rundliche, scheinbar natürlich gewachsene. Das zwischen 1947 und 1950 entstandene Anwesen wurde nach 2006 akribisch restauriert und beherbergt heute die Cragg Foundation.

Cragg hatte zunächst Malerei und dann Skulptur studiert und war in den 1970er durch einen Lehrauftrag in Metz auf den Kontinent umgezogen. Ab 1979 unterrichtete er in an der Düsseldorfer Kunstakademie und richtete sich im nahegelegenen Wuppertal ein, das damals durch die Choreografin Pina Bausch eine außergewöhnliche kulturelle Strahlkraft entfaltete. Der britische Bildhauer avancierte allmählich zum international gefragten Star und suchte nach einem Ort, wo er seine Skulpturen zeigen und in ihrer Raumwirkung beobachten konnte. Das Gelände wird, wie die ganze Stadt Wuppertal, durch eine steile, steinige, bewaldete Hanglage geprägt und wird ausgehend von der von Franz Krause erbaute Villa aus erschlossen, die in ihren organischen Formen ebenfalls skulpturalen Charakter hat. Wie erwähnt, waren die von Herberts geförderten Künstler in ihrem Formstreben dem Spätwerk Tony Craggs eng verwandt, das ebenfalls mit runden, teils rotierenden, immer am menschlichen Körper und der Keramik orientierten Raumkonzepten arbeitet.

Cragg stellt im Skulpturenpark ca. 50 Plastiken aus, davon 30 eigene und 20 von befreundeten Bildhauern. Die sind alle, wie Cragg, internationale Stars und waren auf den großen Schauen wie der Biennale und der Dokumenta vertreten. Weit entfernt davon, nur auf verwandte künstlerische Positionen zu setzen, ergibt sich so ein erhellendes Panorama zeitgenössischer Plastik: Es werden Werke großer Klassiker wie Joan Mirò und Henry Moore gezeigt, aber auch die zarten, klassizistisch anmutenden Frauenköpfe von Jaume Plensa oder die versponnen-ironischen Arbeiten des Wiener Bildhauers Erwin Wurm. Auch die minimalistischen, wuchtigen Steinblöcke Ulrich Rückriems haben ihren Weg in die abwechslungsreiche Vegetation des Parks gefunden.

Auf nach Wuppertal: in den Skulpturenpark Waldfrieden und in der Ausstellung „An die Schönheit“ im Von der Heydt-Museum.

Sind die Pflanzen in der näheren Umgebung der Villa eher exotisch, etwa ein Mammutbaum, Gingko oder Magnolien, so wechselt die Bepflanzung mit zunehmendem Abstand von der Villa in einen Laubwald mit eher heimischem Baumbestand. Hinzu kommen zwei Ausstellungshallen in teils an Mies van der Rohe orientierter Glasarchitektur, die eine reizvolle Symbiose von Innenraum und Natur herstellen. Die scheinbar schwerelose aus Glas bestehende größere Halle erinnert ein wenig an Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin und setzt die dort ausgestellten Skulpturen in direkte Beziehung zur üppig grünen Vegetation rund um den Bau. Aus diesem Grund wählte Wim Wenders diese Halle, um hier eine Szene seines Pina Bausch-Films zu drehen. Der Film machte aus dieser Glasarchitektur eine faszinierende, von Licht durchflutete Kulisse.

Die nächste Schau im Sommer 2021 befasst sich denn auch mit einem Klassiker der Nachkriegsmoderne, dem Zero-Künstler Heinz Mack, dessen Lichtbesessenheit im Park mit seinen variablen Beleuchtungssituationen einen geradezu kongenialen Ort finden dürfte. Mack gehörte zur Düsseldorfer Gruppe Zero, die als erste eigenständig Avantgardegruppe Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg gelten kann, zum ersten Mal sehr eigene Akzente setzte und damit frei von epigonalen Zügen war. Zero entstand Ende der 50er Jahre im Umfeld der Düsseldorfer Kunstakademie, an der später auch Tony Cragg lehrte. Um 1960 hatten die jungen Künstler Mack, Piene und Uecker das Bedürfnis, dem Grauen des Weltkriegs eine Kunst der Stille, des sich Sammelns und der Meditation entgegensetzten, die gewisse Affinitäten zu ostasiatischer Philosophie hatte. Man fuhr alles auf einen Nullpunkt, auf einen geschichtslosen Zustand des Elementaren zurück. So entstanden teils monochrome Arbeiten, teils Werke aus hochpoliertem Metall oder geschliffenem Glas und schließlich auch eine Unzahl lichtkinetischer Objekte, die bis heute faszinieren. In seinem späteren Werk schuf Heinz Mack rau bearbeitete Granitstelen, auf deren teils glitzernder Oberfläche sich das Licht bricht und die ein wenig an urgeschichtliche Menhire denken lassen. Sie werden sich sicherlich in die faszinierende Vielfalt des Parks einfügen.

Auf nach Wuppertal: in den Skulpturenpark Waldfrieden und in der Ausstellung „An die Schönheit“ im Von der Heydt-Museum.

Der Titel der großen Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum bezieht sich auf ein bekanntes Gemälde von Otto Dix, das 1922 als Stellungnahme zu einigen Skandalen in seinem Umfeld entstanden war. Dix wählte den Titel „An die Schönheit“ wohl in Anlehnung an ein bekanntes Gedicht von Hölderlin, das denselben Titel trug und symptomatisch für das Schönheitsverständnis des 19. Jahrhunderts sein dürfte:

„Glühend an der Purpurwange / Sanft berührt vom Lockenhaar, / von der Lippe, süß und bange / Bebend in dem Liebesdrange / Vom geschloßnen Augenpaar,- / in der hohen Meisterzüge / Wonniglicher Harmonie, / In der Stimme Melodie / Fand, verraten ihrem Siege, / Fand die trunkne Seele Sie.“

Die Seele trinkt Schönheit – nach Hölderlin etwas Harmonisches, künstlerisch Vollendetes, Sanftes, Melodiöses. Diese wird im Gemälde von Otto Dix allerdings hinterfragt. Dix steht – als ein geschniegelter Dandy – in der Mitte des Gemäldes, dessen Kulisse ein Jazzclub sein dürfte. Er runzelt kritisch die Stirne, umgeben von einer etwas zu stark geschminkten blonden Dame und einem etwas zweifelhaften Liebespaar links und einem schwarzen Jazzschlagzeuger rechts; der Protagonist hält einen Telefonhörer in der Hand. Es sind neue Zeiten, Zeiten einer neuen Ästhetik angebrochen nach dem großen Weltkrieg. Schönheit definiert sich in jeder Epoche neu – schön kann auch die von Spießbürgern für zu wild gehaltene neue Jazzmusik sein, oder eben auch der überfeinerte Dandy in der Mitte des Gemäldes. Damit nimmt die Ausstellung ihren Anfang, mit der Frage nach dem in der Moderne ständig neu definierten Schönheitsbegriff – und zeigt die Stars des Museums mit ihren Hauptwerken, zu denen auch Paula Modersohn Becker und in dieser Ausstellung vor allem der Schweizer Maler Ferdinand Hodler gehören, die das Schönheitsverständnis ihrer Zeit jeweils revolutionierten.

Auf nach Wuppertal: in den Skulpturenpark Waldfrieden und in der Ausstellung „An die Schönheit“ im Von der Heydt-Museum.

Diese beiden Highlights, das Museum und die Villa Waldfrieden, werden also ein Einstieg in einen Tag voller hoffentlich lebhafter Diskussionen über den Schönheitsbegriff werden, der in all seiner Vielfalt erforscht werden soll. Zwar wird man wohl mit Dürer sagen müssen „Was aber Schönheit sei, daß weiß ich nit“, man wird aber durch die Vielfalt des Angebotes an diesem bunten Tag einer möglichen Idee des Schönen sicherlich näherkommen.

Ich freue mich auf die Diskussion und den Austausch mit Ihnen!

Wir laden Sie herzlich ein, die Schönheit von Kultur, Architektur und Landschaft bei uns im sommerlichen Bergischen Land zu genießen.

Neben der wunderbaren Landschaft ist das Bergische Land eine äußerst reiche Kulturregion, deren Schätze es noch zu entdecken gilt.
Die Architektur ist durch eine Reihe bedeutsamer Schlösser und besondere Museen ausgezeichnet. Herausragend ist auch die bergische Industriekultur.
Die Bergische Sommerfrische bringt Sie neben dem Von der Heydt-Museum und dem Skulpturenpark Waldfrieden auch zur Baumwollspinnerei Cromford in Ratingen und lädt zu einem Spaziergang durch die Parkanlagen von Schloss Benrath ein.
Ein attraktives Abendprogramm mit Vorträgen, Gesprächen, Musik und einem KulturDinner runden die Tage ab.
So führt Sie die Bergische Sommerfrische zu verschiedenen thematischen Schwerpunkten dieser Region, lässt Natur, Kultur und Geschichte lebendig werden.

15. bis 18. Juli 2021 (Do.-So.)
Das Schöne
Kultur, Architektur und Landschaft im Wandel
Bergische Sommerfrische

Hier finden Sie das ausführliche Programm.

Bildnachweis:
Villa Waldfrieden und Von der Heydt-Museum von außen: gemeinfrei
Ausstellungsplakat: Von der Heydt-Museum

26. Juni 2021 || ein Beitrag des Kunsthistorikers Dr. Till Busse