Ostermontag - Ein Beitrag von Pfarrer Axel Hammes - Mehr im Blog

Ein ganz besonderer Mut

Für das Wort ‚Religion‘ werden oft zwei Wurzeln im antiken Sprachgebrauch ausgemacht. Zum einen geht es ihr um die sorgfältige Beachtung der überlieferten Riten und Bräuche. Zum anderen bindet sie sich an einen letzten Halt und Grund. Das gibt der religiösen Existenz festen Boden unter die Füße. Aber hat das ein moderner Mensch überhaupt noch nötig. Genügt ihm nicht seine autonome Vernunft, um sich seiner selbst zu vergewissern und die nötige Orientierung zu gewinnen? Religion mag dann noch den schwächeren Naturen unter uns zugestanden sein.

Oft gelingt es allein der Sprache der Lyrik, das Empfinden der eigenen Zeit in seiner ganzen Ambiguität auf den Punkt zu bringen. Regelmäßig kreisen die Gedichte von Marie-Luise Kaschnitz (*1901 †1974) um den Kern des christlichen Glaubens. Mit nur ganz wenigen Strichen zeichnet sie ihre Haltung zur Hoffnung über den Tod hinaus in den folgenden Zeilen:

Nicht mutig

Die Mutigen wissen

Daß sie nicht auferstehen

Daß kein Fleisch um sie wächst

Am jüngsten Morgen

Daß sie nichts mehr erinnern

Niemandem wiederbegegnen

Daß nichts ihrer wartet

keine Seligkeit

keine Folter

Ich

Bin nicht mutig.

Der überraschende Schluss stellt das angeblich so sichere Wissen der Mutigen mit feiner Ironie in Frage. Was wissen wir denn wirklich über das, was jenseits des Todes liegt? Und wer beweist den größeren Mut? Wer allein dem traut, was sich in eine objektive Messskala einfügt und auch der Überprüfung im Experiment standhält. Und sich deshalb ohne Ausflucht dem brutalen Faktum stellt, dass einmal alles aus sein wird mit mir? – Oder wer auf eine große Hoffnung setzt, die sich nicht allein im Sichtbaren und Begreifbaren erfüllt. Auch das muss gewagt werden gegenüber dem unausweichlichen Abgrund des Todes. Denn Hoffnung beginnt da, wo ich über nichts mehr verfügen kann.

Auferstehung von Toten, das mutet nicht erst dem modernen Denken mehr zu, als es einsehen kann. Paulus muss am Ende eines ohnehin schon ziemlich langen Briefes noch einmal sehr weit ausholen, um diesen Glauben der Gemeinde in Korinth zu erschließen: „Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe“ (1 Kor 15,1). Wer ernsthaft als Christ leben will, kann das Osterereignis nicht zur reinen Meinungsfrage erklären. Auferstehung ist im Glauben nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. Der harte Kern der Botschaft wurde schon lange vor Paulus formuliert und spricht eine klare Sprache: „Christus ist für unsere Sünden gestorben und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden und erschien dem Kephas, dann den Zwölf“ (vgl. 1 Kor 15,3b-5). Damit wurden die bisherigen Koordinaten der Welt komplett aus den Angeln gehoben. Und nur auf dieser neuen Basis macht es für Paulus Sinn, ein Christ zu sein.

Woher bloß nimmt der Apostel seine Gewissheit? Eine Erfahrung hat ihn so gepackt, dass sein altes Leben total auf den Kopf gestellt wurde. Doch damit steht er nicht alleine; er beschließt eine lange Kette von Zeugen, denen es wie ihm erging. Sie alle begegneten dem Auferstandenen, und danach gab es für sie kein Halten mehr. Für diese Botschaft riskierten sie alles. Seitdem hört das Feuer nicht auf zu brennen, das sie in Umlauf brachten. Solchen Zeugen dürfen wir trauen, gerade auch, weil sie selbst nicht so „mutig“ waren wie so manche Mutigen von heute.

Michelangelo, Das Jüngste Gericht – Detail | Sixtinische Kapelle | 1508-1512  (gemeinfrei – wikipedia)

1. April 2024 || ein Beitrag von Pfarrer Dr. Axel Hammes, geistlicher Berater der Thomas-Morus-Akademie Bensberg

Axel Hammes - Thomas-Morus-Akademie Bensberg