Caspar David Friedrich zum Geburtstag - Mehr im Blog der Akademie

Der Wanderer über dem Nebelmeer. Caspar David Friedrich hat Geburtstag!

Berglandschaften, Sonnenuntergänge, der Blick auf das weite, weite Meer… das alles sind Motive, die dem heutigen Betrachter „klassisch“ und „typisch“ vorkommen können. Anfang des 19. Jahrhunderts aber waren sie in ihrer neu komponierten Präsentation von umwerfender Innovation. Die Landschaft – an sich ein jahrhundertealtes Motiv und schon an den Wänden der steinzeitlichen Höhlen sichtbar – ist einer der roten Fäden der Kunstgeschichte. Auch wenn von griechisch-antiken Fresken nicht viel erhalten ist, sind in den Resten Landschaften zu erkennen, meist als Hintergrund für Villen oder andere Architekturen. Und so blieb es eine ganze Zeit. Die Natur fungierte als ein folienhafter Hintergrund, vor dem sich über Jahrhunderte beispielsweise biblische oder auch mythologische Szenen zeigten. Arkadien oder der Garten Eden waren ebenso Klassiker der Naturmotive, wie ganze Weltlandschaften. Caspar David Friedrich änderte diesen Ansatz und brach mit der Tradition.

Der 1774 in Greifswald geborene Künstler gehört zu den bedeutendsten der deutschen Kunstgeschichte. Die Wirkung seiner Werke ist bis heute enorm. Viele seiner Gemälde haben geradezu ikonische Wirkung und das weit über Deutschlands Grenzen hinaus. Eines dieser ikonischen Bilder ist ohne Zweifel „Der Wanderer über dem Nebelmeer“.

Heute ist das 94,8 x 74,8 cm große Werk, das sich in der Hamburger Kunsthalle befindet, nicht nur ein beliebtes Motiv, sondern steht sinnbildlich für die ganze Epoche der Romantik. Und ein wesentliches Thema (der Epoche wie auch des Künstlers) ist die Natur – aber nicht nur als Hintergrund. Es geht um sie selbst und wofür sie steht. So prägt die Romantik das Gefühl von beeindruckender Größe, ungreifbarer Macht und unendlicher Existenz. Besonders deutlich wird dies im malerischen Dialog mit dem Menschen. Die berühmte Entscheidung, Rückenfiguren in Szene zu setzen, steigert den Effekt des großen Gefühls. Heute sind die Rückenfiguren vielfach verwendet und überraschen auch nicht mehr besonders – sie werden aber auch mit unterschiedlichen Effekten eingesetzt. Bei Friedrich waren sie ein absolutes Novum. Der Mensch wird nicht von vorne gezeigt? Man sieht nicht, was er oder sie tut? Keine Gestik, keine Mimik – wo beides doch jahrhundertelang oft in den kleinsten Details die größten Bedeutungen trug?

Zunächst ist der Wanderer über dem Nebelmeer ein einzelner Mensch im Angesicht der Berglandschaft vor ihm. Berge und auch Nebel lassen die Größe der Umgebung, oder anders herum die Unscheinbarkeit des Menschen präsent werden. Was kann der Mensch denn tun außer überwältigt anzuschauen, was ihn umgibt: Eine Landschaft, die Millionen von Jahren alt ist und die ihn um wiederum Millionen von Jahre überdauern wird. Und so wird die völlig neue Idee, Menschen in einer Landschaft zu positionieren, die nichts tun, als zu schauen, als Notwendigkeit zum Transport dieser Emotionen überdeutlich. Die überwältigende Gefühlslage muss doch alles vereinnahmen, so dass tanzen, springen oder auch nur spazieren – wie es lange motivische Tradition war – gar nicht mehr möglich erscheint. Unscheinbar also das Motiv des „schauenden“ Menschen, aber unumgänglich, um diese tiefe Emotionalität zum Ausdruck zu bringen.

Als genau in die Mitte gesetzte Rückenfigur holt der Wandere nicht nur den Betrachter ans Bild heran und verbindet ihn mit der Landschaft. Man blickt auch – sozusagen – durch die Augen des gemalten Pendants und kann nicht anders, als selbst zu staunen über die Herrlichkeit der Natur. Auf diese Weise kann auch vom festen Parkettbodens des Museums die Unebenheit der Bergspitze gefühlt, die Feuchtigkeit im Nebel erlebt und die Erhabenheit der Berge empfunden werden.

Gleichzeitig wird der Schritt in das ungreifbare (und unmalbare?) Unbewusste vollzogen. Es wird ein Blick in das menschliche Seelenleben geworfen, und das ganz konkret in die Gefühlswelt der sich in der Landschaft befindlichen Person in Öl. Damit sind die Grenzen der Darstellung aber noch nicht erreicht, wird doch in Erweiterung des Motivs auch die Frage nach dem, was den Menschen bewegt, auf „das Ganze“ übertragen, auch den Menschen im Allgemeinen. So birgt das Gemälde vielfache Deutungsansätze und eine emotionale Bandbreite von meditativer Naturbetrachtung zu tiefer Religiosität. Friedrich malt nun nicht nur den Berg, den Nebel und den Wanderer, er malt ein ganzes Seelenleben.

Zu seinem 250. Geburtstag wird Caspar David Friedrich mit besonderen Ausstellungen geehrt. So haben unter anderen die Staatlichen Museen zu Berlin, das Pommersche Museum Greifswald und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden beeindruckende Präsentationen zusammengestellt, die immer verschiedene Aspekte des vielseitigen Künstlers in den Fokus nehmen.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Friedrich!

© Caspar David Friedrich – https://online-sammlung.hamburger-kunsthalle.de/de/objekt/HK-5161, gemeinfrei

5. September 2024 || ein Beitrag von Akademiereferentin Judith Graefe