Adventszeit-mehr im Blog der Akademie

Advent – Mehr als Lichterglanz

Herr Professor Becker-Huberti, der Advent ist heutzutage eine der hektischsten Phasen des Jahres, in der der Konsum und die Hetze im Vordergrund stehen. Trotz ihrer Hektik rührt der Advent aber die Menschen noch immer an. Wie erklären Sie sich das?

Das Wort „Advent“ verkürzt den eigentlichen Begriff, den „adventus Domini“ – die Ankunft des Herrn. Nicht wir kommen bei Weihnachten an, sondern der Herr kommt zu uns. Wir warten betend auf seine Ankunft. Das hat sich gewaltig geändert: Die Zeit des Advents ist zu einer Rampe geworden, die zum beliebtesten Fest der Deutschen, und nicht nur der Deutschen, schießt. Das, was die Weihnacht ausmacht, ergießt sich schon in den Advent: Lichtsymbolik, kleine Genüsse, weihnachtliche Stimmung. Schließen Sie die Augen, denken Sie sich in diese Phase hinein und Sie riechen den Weihnachtsmarkt, Sie schmecken den Punsch, Sie hören die Lieder. Schon der Advent holt die Weihnacht der Kindheit in die Gegenwart.

Der Advent steht in Verbindung mit Weihnachten. Seit wann und warum feiern wir Weihnachten am 25. Dezember?

„Ze wihen nahten“, in der heiligen Nacht, wenn „das Licht in die Finsternis leuchtet“ (Joh 1,5), wird „Weihnacht“ (Singular!) gefeiert, das Christfest oder genauer: das Fest der Geburt Christi.

In dem Maße, wie sich die Erkenntnis von der zweifachen Wesenheit Christi – wahrer Gott und wahrer Mensch – entwickelte, wurde die Menschwerdung Christi auch liturgisch gefeiert. Gab es ursprünglich parallel zum Fest der Auferstehung an Ostern nur das Fest der Erscheinung des (göttlichen) Herrn am 6. Januar, kam seit dem 2. Jahrhundert das Fest der Geburt Christi auf. Papst Liberius legte 354 die Feier des Weihnachtsfestes auf den 25. Dezember fest. Die Dauer des Weihnachtsfestes wurde von der Mainzer Synode 813 für Deutschland auf vier Tage bestimmt.

Unser heutiges Weihnachtsfest entwickelte sich in mehreren Schritten. Im 3. bis 5. Jahrhundert wurde Weihnachten liturgisch zu einem Fest. Im 5. und 6. Jahrhundert wird Weihnachten zum dritten Hochfest der Christen. Im 6. bis 9. Jahrhundert bildet sich der weihnachtliche Festkreis aus. Vom 9. bis 16. Jahrhundert falteten sich viele Festformen aus, die noch für uns heute Weihnachten ausmachen: Weihnachtslieder, Krippenverehrung, Schmücken, Friede usw. Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert verändert sich Weihnachten: Weihnachten wird zunehmend romantisch, in evangelischen Kreisen zum Kinderbeschenktag, der Christbaum und die Krippe halten Einzug in die Privathäuser. In Fortsetzung dieser Tradition wird Weihnachten im 18. bis 20. Jahrhundert zu einem Familienfest. Spätestens im 20. Jahrhundert steht Weihnachten in der Gefahr, zu einem folkloristischen Konsumfest zu verkommen.

Wie alt ist der Gedanke, sich auf die Geburt des Messias vorzubereiten?

Seit dem Ende des 4. Jahrhunderts lässt sich in Spanien und Gallien eine zunächst dreiwöchige Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest beobachten. Die Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Menschwerdung zeichnete sich aus durch eifrigen Gottesdienstbesuch und Askese (Fasten, gute Werke). Entstanden sein dürfte der Advent (auch: Adventfasten, Ad-ventquadragese, Tokunft unses heren, Singezeit, Quadragesima parva, Winterquadragese) unter orientalischem Einfluss als Vorbereitungszeit auf die Taufe. Nach Gregor von Tours (+ 594) hat Bischof Perpetuus von Tours (+ 491) eine vierwöchige Adventfastenzeit nach dem Vorbild der österlichen Fastenzeit eingeführt, beginnend nach Martini (den Advent-beginn nannte man auch: caput adventus). Martini wurde zum Schwellenfest (Schlachttag, Martinsminne, Heischegänge, Lichterprozession).

Seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts galt in der gallischen Liturgie das Adventsfasten allgemein; pastoral akzentuiert waren Buße und Umkehr. Erwartet wurde die Geburt des Erlösers, dessen gegenwärtige Heilswirkung bereits erfahren und die als Beweis der Vollendung der Erlösung bei der Wiederkunft Christi gefeiert wurde.

Im 6. Jahrhundert lässt sich das Begehen des Advents auch in Rom nachweisen, allerdings wohl sechs Sonntage umfassend, was Papst Gregor I. (+ 604) zur Kürzung auf vier Sonnta-ge veranlasste. Erst die dem Konzil von Trient (1545 – 1563) folgenden Liturgiebücher schrieben den Advent gesamtkirchlich vierwöchig vor; Mailand hält bis heute an einem sechswöchigen Advent fest. Die reformatorischen Kirchen stehen in der römischen Tradition. Die Syrer bezeichnen die vier (Ostsyrer) bzw. fünf (Westsyrer) Wochen vor dem Weihnachtsfest als „Wochen der Verkündigung“.

Wie haben sich die Gläubigen im Advent auf Weihnachten vorbereitet?

Der Advent, ursprünglich einmal 40 Tage, galt als geschlossene Zeit, d.h. Fasten und Buße war angesetzt; Feier, Tanz und sogar Hochzeiten waren nicht erlaubt. Von den Speisebeschränkungen ausgenommen waren die Adventssonntage. Der Advent hatte insgesamt einen ernsthaften Charakter.

Das ist ja so ähnlich wie die Fastenzeit vor Ostern. In dieser Zeit verzichten Christen immerhin auf das eine oder andere, um ab Ostern umso freudiger genießen zu können. Warum fällt den Menschen heutzutage das Warten so schwer?

Wie unsere Sprache belegt, werden die technischen Errungenschaften in unser Leben und Verhalten übernommen. Seit der Erfindung der Dampfmaschine, macht uns diese Entwicklung uns Dampf. Seit wir Daten in Sekundenbruchteilen um die Erde schicken können, geht alles turbo- und megaschnell. Die Wirtschaft taktet: alles, jetzt, hier und sofort. Und auch das übernehmen wir in unser Leben. Warten war gestern! Der Zeit voraus ist heute! Dieses Phänomen hat für Weihnachten sogar einen Namen: „Early tree“ nennt man es: Wann und wo steht der erste Christbaum – oft schon weit vor dem 1. Advent.

Kann man sagen, ab wann sich der Charakter dieser Zeit als Zeit der inneren Sammlung und des Fastens gewandelt hat?

Ja, man kann es daran festmachen, dass die Reformation die Familienweihnacht eingeführt hat. In den Familien inszeniert man ein romantisches Fest mit Geschenken, gutem Essen und Trinken. Die Möglichkeit, an diesem Fest zu verdienen, führte dann zu seiner Kommerzialisierung. Weihnachtsmärkte, die es einmal gab, um den weihnachtlichen Be-darf an Gewürzen oder Kleidung, dann auch Spielzeug zu befrieden, nahmen Züge von Vergnügungsparks an. Je besser es den Menschen wirtschaftlich geht, desto dünner wird die spirituelle Luft, die sie atmen. Der Konsum lässt kaum noch Zeit für den Sinn.

Wenn man bedenkt, wie hektisch und konsumorientiert es heute in unserer säkularen Gesellschaft zugeht, überrascht es, dass sich doch viele Adventsbräuche erhalten haben. Wie erklärt sich das?

Die Adventbräuche führen zurück in die Kindheit oder sie holen die Kindheit in die Gegenwart. Dass Nikolaus mehr bietet als ein pädagogisierter Kinderauftritt ist aber den meisten Menschen nicht mehr bekannt. Wer sich auf die Suche nach dem echten Nikolaus macht, wird eine faszinierende Gestalt entdecken, einen Mann, der mit Herz und Kopf die Nächstenliebe verkörpert. Die unheilbare Sehnsucht nach dem Guten prägt den Advent und vor allem das Weihnachtsfest.

Haben es Bräuche, die nicht christlichen Ursprungs sind, heute leichter, akzeptiert zu werden?

Zum Advent und Weihnachtsfest gibt es kaum nichtchristliche Bräuche. Ein um die Christlichkeit entkerntes Martinsfest wird zu einem Laternenfest ohne Sinn. Es gibt aber keinen Sinn oder Grund, ein solches Fest zu feiern. Ein Lichterumzug ist beliebig und kann Teil eines jeden Grillabends sein. Die Annahme, ein christlich entkerntes Fest werde von Nichtchristen leichter angenommen, ist falsch. Muslime z.B. nehmen lieber am Martinsbrauchtum teil, als unbeteiligt daneben zu stehen.

Schauen wir einmal einige Adventsbräuche an. Da ist zunächst der Adventskranz, der heute weit verbreitet ist. Wie ist er entstanden und warum ist er so beliebt?

Das seit dem 19. Jahrhundert bekannte Aufstellen oder Aufhängen von Adventkränzen, ein Brauch „halbsakralen Charakters“, ist – wenigstens im deutschsprachigen Raum – zu einer flächendeckenden „Bildgebärde“ der Adventzeit geworden. Hervorgegangen ist der Adventkranz aus evangelischen Adventandachten, die der Hamburger Pfarrer und spätere Berliner Oberkonsistorialrat Johann Hinrich Wichern (1808-1881) am „Rauen Haus“ in Hamburg-Horn, einer 1833 von ihm gegründeten Anstalt zur Betreuung gefährdeter Jugendlicher, eingeführt hat. Am 1. Advent wurde auf einem Tannenkranz eine erste Kerze entzündet, und dann jeden Tag eine mehr, so dass am Heiligen Abend 24 Kerzen brannten. Mit dieser Symbolik nahm Wichern das Wort vom „Licht, das in der Finsternis leuchtet“ (Joh 1, 1) auf, das Christus als das „wahre Licht“ kennt, das „Fleisch wurde und unter uns wohnte“. Der Advent sollte durch die Adventkerzen immer mehr Licht geben und in Christus, dem Licht des Weihnachtsfestes, münden. Der Kreis des Adventkranzes nahm das Bild von der Sonne auf, die ab Weihnachten wieder an Stärke gewinnt und Christus symbolisiert. Der Kranz kann auch als Hinweis auf den Kreislauf der Zeit verstanden werden. Die Form des ursprünglichen Adventkranzes mit 24 Kerzen bot Schwierigkeiten, weil Kränze dieser Größe nicht leicht herzustellen und zu gebrauchen waren. Ihr Vorbild waren die großen kreisrunden Leuchter in romanischen Kirchen (Aachen, Hildesheim …). Alternativen, Adventgestelle oder sogar Adventbäumchen, wurden von den Menschen nicht angenommen. Erst als man auf die Idee kam, statt einer Kerze pro Tag nur eine Kerze pro Adventsonntag, also vier, zu nehmen, erhielt der Adventkranz die heutige Form und setzte sich – von Norden nach Süden – als ein Element für Gruppen (Familie, Gemeinde, Schule …) durch. Nach dem Ersten Weltkrieg begann der Adventkranz überkonfessionell zu werden, denn seine Symbolik vertrug sich durchaus mit den liturgischen Vorgaben der katholischen Kirche.

Adventskränze der Katholiken können eine Abweichung aufweisen. Statt vier roten Kerzen weisen sie nur drei rote Kerzen auf. Die vierte Kerze ist rosa. Sie gehört zum vierten Adventssonntag, dem Sonntag „Laetare“, dessen Texte weihnachtlich ausgerichtet sind.

Adventskalender sind fast ebenso beliebt. In unseren Kindertagen immer nur mit Schokolade befüllt, gibt es sie heute in unendlich vielen Varianten. Was lässt sich über sie sagen?

Von evangelischer Seite wurde um 1850 der Adventkalender entwickelt, der vom 1. bis zum 24. Dezember begleitet und nicht die vier Adventsonntage wie der Adventkranz, sondern den Monat Dezember zur Berechnungsgrundlage nimmt. Adventsgliederungen dieser Art scheinen aber älter zu sein, wie ein Bild des Malers Petrus Christus aus Brügge zeigt: Im 15. Jahrhundert zeigt er in einem seiner Bilder die Gliederung des Advents in 24 Tage. Die „modernen“ Adventkalender des 19. Jahrhunderts erprobten das „Abstreichen“ oder „Abreißen“ der 24 Werk- und Sonntage durch Kreidestriche, Abrisskalender, stückweise Abbrennen von Kerzen mit aufgeklebter Tageszählung, Weihnachtsuhren und Weih-nachtsleitern (mit Stufen für jeden Tag). Urheber der gedruckten Adventkalender mit Klapptürchen, die im Gegensatz zum Adventkranz je einem einzelnen Kind gehören, scheint der Münchner Verleger Gerhard Lang zu sein, der 1908 die ersten Exemplare druckte. Diese Adventkalender, die sich vielfach bloß als „Weihnachtskalender“ verstanden, gerieten durch die Nazis von der christlichen Symbolik ab und hin zur Darstellung von Geschenken oder Märchenmotiven. Die Entdeckung der Adventkalender durch die Süßwarenindustrie hat den Prozess der Entchristlichung der Adventkalender keineswegs aufgehalten. Gedruckte evangelische oder katholische Adventkalender, die Kindern helfen wollen, den Advent bewusst als Vorbereitungszeit auf Weihnachten zu erleben, sind zwar in der Minderzahl, aber vielfach von hoher pastoraler und pädagogischer Qualität.

Das waren zwei Beispiele adventlichen Brauchtums, die von der säkularen Gesellschaft akzeptiert und angepasst wurden. Gibt es noch rein christliche Bräuche, die sich erhalten haben?

Da gibt es einige. „Rorate, caeli, desuper, et nubes pluant justum“ – in den Köpfen älterer Katholiken, die diese lateinischen Worte lesen, klingt sofort die Melodie mit, zu der dieser Text im Advent gesungen wurde und wird. In deutscher Sprache heißt dies: „Tauet, Himmel, von oben! Ihr Wolken, regnet den Gerechten“ (Is 45, 8) oder wie es in einem deutschsprachigen Lied heißt: „Tauet, Himmel, den Gerechten, Wolken regnet ihn herab …“. Mit diesen Worten aus dem alttestamentlichen Buch Isajas beginnt das Eingangsgebet der sogenannten Rorate-Messe, einer Votivmesse zu Ehren der Gottesmutter im Advent. Vor allem in den Alpenländern war dieser Gottesdienst auch unter dem Begriff „Engelamt“ bekannt und beliebt, weil das Evangelium von der Verkündigung des Herrn durch den Engel Gabriel berichtet. Bis zur Liturgiereform wurde diese Messe mancherorts vom 17. bis 24. Dezember täglich oder auch an allen Werktagen oder nur an den Samstagen des Advents gefeiert. Dadurch, dass in dem seit 1969 gültigen Messbuch jeder Tag im Advent eigene Texte erhalten hat, sind die Rorate-Messen als besondere Frömmigkeitsübung stark zurückgegangen. Heute sind die Rorate-Messen nur noch an den Werktagen des Advents bis einschließlich 16. Dezember gestattet. Seit wann es Rorate-Messen gibt, ist unbekannt. In Bayern sind sie seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen. Sie dürften aber erheblich älter sein und haben sich sicher mit dem Advent entwickelt, nachdem Maria seit 451 als Gottesgebärerin durch die Kirche bezeichnet wurde.

Ein Brauch, der kaum mehr ausgeübt wird, weil er – ähnlich dem berüchtigten „Fleißkärt-chen“ – durch eine übertreibende Pädagogik falsch geübt wurde, ist das „Strohhalmlegen“, auch „Krippe füllen“ genannt. Dafür wird die Krippe, die am Heiligen Abend unter dem Christbaum steht, am 1. Adventsonntag bereits leer aufgestellt. Jedes Kind (und jeder Er-wachsene!) im Haus, das oder der im Advent eine gute Tat vollbringt – Streit schlichtet, freiwillig im Haushalt hilft, eine gute Note mit nach Hause bringt usw. – darf einen Strohhalm in die Krippe legen. Ziel ist es, das Jesuskind zu Weihnachten möglichst weich zu betten, also mit Hilfe vieler guter Taten die Krippe mit Stroh zu füllen. Der alte Brauch vermittelt anschaulich – wird er mit Verstand ausgeführt – , dass Verzicht auf Eigennutz und Streit, Friedfertigkeit und tätige Nächstenliebe eine tragfähige Basis für den Christen abgeben. Ein gutes Gewissen ist eben ein sanftes Ruhekissen – auch für das Christkind in der Krippe.

In einigen katholischen Regionen läuteten am 17. Dezember um 15 Uhr alle Glocken der Kirche. Man nannte dies „das Christkind einläuten“. Dies war nicht nur der Hinweis auf das eine Woche später beginnende Weihnachtsfest. Bis zur römischen Kalenderreform feierte die Kirche an diesem Tag das Gedenken an Lazarus aus Bethanien, den Jesus wie-der ins Leben gerufen hatte. Das Glockengeläut an diesem Tag erinnerte an die an diesem Tag fälligen Weihnachtsgaben für Alte und Kranke und die dazu gehörenden Weihnachtsbesuche.

In die Adventszeit fallen auch die Feste von Heiligen. Welche Heilige sind das?

Vor allen Dingen Martin (11.11.), Barbara (04.12.), Nikolaus (06.12.), Lucia (13.12.). Man darf aber sich auch nennen: Elisabeth von Thüringen (19.11.), Katharina von Alexandrien (25.11.) und den Apostel Andreas (30.11.).

An Weihnachten, aber auch schon in der Adventszeit, steht das Schenken im Mittelpunkt. Warum eigentlich und vor allem wie soll man schenken?

Eigentlich ist das Schenken eine Symbolhandlung, die das Schenken des hl. Nikolaus nachahmt. Nikolaus schenkt, weil er die Mädchen vor einem Weg in die Sünde bewahren will. Er hält ihnen den Weg in den Himmel offen. Das Beschenken der Kinder will sie we-nigstens einmal im Jahr in den Himmel blicken lassen. Martin Luther hat das Schenken vom Fest des hl. Nikolaus getrennt und auf Weihnachten verlegt. Nach wie vor wird geschenkt wie zum Nikolausfest im 16. Jahrhundert: Die Schenkfigur tritt nicht persönlich auf. Weihnachtliche Geschenke symbolisieren aber nicht mehr die Nächstenliebe des hl. Nikolaus, sondern das weihnachtliche Geschenk in der Person des Messias. Weihnachtsgeschenke sind eben kein Selbstzweck, sondern verdeutlichen das Geschenk der Erlösung, das durch die Person Christi in unsere Welt kam.

Das Besondere des weihnachtlichen Geschenks besteht nicht in seiner ökonomischen Dimension, nicht weil es teuer ist oder noch mehr bietet als im letzten Jahr. Es muss aus dem Herzen kommen und ins Herz gehen.

In einer Umfrage zum Thema Weihnachten gibt ein Drittel der Befragten den Kirchgang als wichtigen Bestandteil des Festes an, also weit über dem durchschnittlichen sonntäglichen Gottesdienstbesuch hinaus. Bieten die christlichen Feste auch heute noch eine Chance, die Menschen religiös zu sensibilisieren?

Der weihnachtliche Gottesdienst ist in allen Kirchen hochfrequentiert. Natürlich ist das eine Chance, diese Menschen anzusprechen. Man muss ihnen die weihnachtliche Wahrheit hinhalten, damit sie sie überstreifen können wie einen warmen, gefütterter Mantel in eisiger Kälte. Ihr Gottesdienstbesuch ist – oft uneingestanden – eine Reaktion auf eine tiefe Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit, Annahme und Ganzheit.

Was müsste denn pastoral geschehen, um die Chance solcher Begegnungen mit dem christlichen Glauben zu nutzen?

Statt liturgischer Routine und intellektueller Distanz: Sensibilität und Verständlichkeit, gepaart mit Empathie. Wer wie Jesus Christus sein will, liebt, vergibt, nimmt an. Zu vermitteln ist, was der schlesische Dichter Angelus Silesius vor rund 350 Jahren geschrieben hat: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren“.

Das Interview ist zuerst erschienen bei KIRCHE IN NOT Deutschland. Die Fragen stellte Volker Niggewöhner. Vielen Dank.

Bild: Ute Quaing
In: Pfarrbriefservice.de

14. Dezember 2021 || ein Beitrag von Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti

Der Theologe Manfred Becker-Huberti war von 1991 bis 2006 Pressesprecher des Erzbistums Köln. Seit 2007 ist er Honorarprofessor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Er forscht zu religiösem Brauchtum, Heiligen und der Heiligenverehrung speziell im Rheinland.