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Das Leben der Anderen | KinoKolloquium

Ein deutscher Politthriller, ein Drama, ein Melodram oder auch eine psychologische Studie oder ein Gesellschaftsporträt: Qualitäten all dieser Genres werden der deutschen Filmproduktion „Das Leben der Anderen“ aus dem Jahr 2006 zugeschrieben. Mit seinem Regiedebüt gelang dem 33-jährigen Florian Henckel von Donnersmarck, der auch das Drehbuch verfasst hat, ein weltweiter Besuchererfolg, der mehr als 2,3 Millionen Besucher in seinen Bann zog.

Die Geschichte, die der Film erzählt, lässt sich in einem Satz auf seine Kernthese einschmelzen: Die Begegnung mit wahrer Kunst vermag auch unter düstersten Lebensumständen das Gute im Menschen hervorzubringen. Szenisch bewegt sich der Film dichotomisch auf einem Dachboden, der als Lauschstation des Staatssicherheits-Apparats fungiert, und der darunter liegenden Wohnung des belauschten und ausgespähten Künstlers. Die Kulturszene Ostberlins wird wieder gegenwärtig. Es mutet fast absurd an, dass Henckel von Donnersmarck, der beim Fall der Mauer 16 Jahre alt war, nicht wusste, als er auf den zwei Dekaden älteren Ulrich Mühe für die Besetzung seiner Hauptrolle des Stasi-Mannes Wieseler zuging, dass dieser schon in der DDR ein Star gewesen war und einer derer, die als Redner bei der Berliner Volksdemo am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz auftraten.

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Mit Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Martina Gedeck und Ulrich Tukur brilliert der Film auf hohem und höchstem schauspielerischem Niveau, wobei alle Darsteller für einen Bruchteil ihrer regulären Gage spielten, weil sie von der gesellschaftspolitischen Relevanz der Produktion überzeugt waren. Kamera, Schnittführung und vor allem Filmmusik überzeugen, und so wundert es nicht, dass der Film mit Auszeichnungen überhäuft wurde: 2006 der Deutsche Filmpreis (sieben Preise bei elf Nominierungen), der Bayerische Filmpreis (in vier Kategorien) und der Europäische Filmpreis (in drei Kategorien) sowie schließlich der Oscar für den besten fremdsprachigen Film.

Doch früh gab es Stimmen, die dem Film einen gravierenden Mangel zuschrieben: Er verfehlt die Wirklichkeit. „Einen solchen Stasi-Offizier, der unter Lebensgefahr einen Dissidenten rettet“, so Werner Schulz, ehemaliger Bürgerrechtler in der DDR und später Mitglied des Bundestages, „gab es nie, und es war im System begründet, warum es ihn nie geben konnte… Verräter riskierten ihr Leben. Deswegen gab es keine.“

Tatsächlich verstärkte der gescheiterte Aufstand des 17. Juni 1953 und die staatlichen Repressionen die Flucht aus der DDR und verringerten gleichzeitig die Hoffnung, durch Widerstand einen Sturz der Regierung zu erreichen. Im Gegenteil: Zehntausende Berliner, die man mobilisiert hatte, zogen am Nachmittag des 26.6.1953 zum Haus der Ministerien in der Leipziger Strasse und demonstrierten damit ihr Vertrauen zur Regierung und zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Ministerpräsident Otto Grotewohl hielt eine Grundsatzrede. Neben ihm Walter Ulbricht.

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„Das Leben der Anderen“ verdankt seinen Erfolg zweifellos der Tatsache, dass es ihm gelungen ist, die bedrückende Atmosphäre eines totalitären Überwachungsstaates auf die Leinwand zu bringen. Er ist nicht komisch, nicht skurril wie die Filme jener Jahre, „Good bye, Lenin“ zum Beispiel oder Leander Hausmanns „Sonnenallee“, es gibt keine DDR-Nostalgie und keine Spreewaldgurken-Folklore.

Doch neben der Berührbarkeit des Menschen durch die Kunst materialisiert sich mit der erfolgten Wende auch die Hoffnung im Film als kathartisches Prinzip: Protagonist Wieseler findet sich in der wiedervereinigten Bundesrepublik vor der Buchhandlung in der Karl-Marx-Allee wieder. Dort schließt sich der Kreis seiner Biografie – und der des Films.

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„Das Leben der Anderen“ ist in seiner atmosphärischen Dichte nach wie vor hochspannend. Prof. Wortmann seinerseits informiert über viele interessante Details zu Entstehung, Realisierung, Rezensionen des Werks.

Erleben Sie den Film und diskutieren Sie am 26. April im KinoKolloquium mit!

Das Leben der Anderen
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In der Reihe KinoKolloquium:

Online-Gespräch zum Film „Das Leben der Anderen“ am Mittwoch, 26. April, 19.30 – 21.00 Uhr, mit Prof. Dr. Thomas Wortmann, Universität Mannheim.

Prof. Wortmann startet den Abend mit einem ca. 45-minütigen Impuls zum Film; danach folgen Diskussion und Austausch mit den Gästen.

Prof Thomas Wortmann

Der Link zum Film geht Ihnen nach Anmeldung zu und kann dann zu jedem beliebigen Zeitpunkt individuell geschaut werden.

Bildnachweis:

© Edmond.frederik, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

© Bundesarchiv_Bild_183-1989-1104-034,_Berlin,_Demonstration,_Rede_Schall,_Mühe auf WikimediaCommons.org

© Bundesarchiv_Bild_183-20115-0006,_Berlin,_Ansprache_Otto_Grotewohls auf WikimediaCommons.org

© Berlin_Karl-Marx-Allee_Karl-Marx-Buchhandlung auf WikimediaCommons.org

11. April 2023 || ein Beitrag von Akademiereferentin Felicitas Esser

Felicitas Esser_Akademiereferentin TMA