Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg
Lieber Herr Möring, Sie sind Historiker und haben sich intensiv mit der Geschichte des Kölner Doms in den Kriegsjahren beschäftigt und darüber sogar ein Buch geschrieben. Was hat Sie dazu gebracht, was hat für Sie den Reiz ausgemacht an diesem Thema?
Als gebürtigem Kölner wird einem die Liebe zum Dom mit in die Wiege gelegt. Als ich im Rahmen meines Studiums in Köln durch Dr. Klaus Hardering von der Dombauverwaltung erfuhr, dass seine Geschichte im Zweiten Weltkrieg größtenteils noch unerforscht war, war meine Neugierde und Begeisterung für das Thema natürlich sofort geweckt. Das vermeintlich unversehrt aufragende Kölner Wahrzeichen inmitten der weitgehend zerstörten Stadt kannte ich aus Fotografien und mich interessierte wie so viele natürlich die Geschichte dahinter: Hat man damals versucht, ihn zu schützen? Wurde der Dom vielleicht bewusst verschont oder hatte er einfach nur großes Glück? Mit diesen Fragen habe ich mich in die Archivarbeit gestürzt …
Köln war eines der Hauptangriffsziele der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, 1945 lag der größte Teil Kölns in Trümmern. Durch seine unmittelbare Nähe zu den militärisch und strategisch wichtigen Zielen Hauptbahnhof und Hohenzollernbrücke war der Dom in besonderem Maße gefährdet. Wie haben die Kölner ihren Dom geschützt?
Mit großem persönlichem Einsatz und Geschick und gegen manche Widerstände. Dass wir heute noch die historischen Fenster des Domes bewundern können, verdanken wir ihrem weitsichtigen Ausbau. Sie wären sonst sicherlich in großen Teilen verloren. Die Schätze im Dom wurden – sofern möglich – ausgelagert, ortsfeste Kunstwerke durch Verschalungen geschützt. Die Brandwachen, die Nacht für Nacht auf dem Dach des Domes ausharrten, konnten ein in den Kriegsjahren installiertes Löschsystem nutzen. Ihre Arbeit kann man gar nicht hoch genug einschätzen.
Fast muss man sich wundern, dass der Dom, der ja so lange bis zu seiner Vollendung gebraucht hat, nicht noch größere Schäden erlitten hat im Ersten und Zweiten Weltkrieg, man denke nur an die wieder aufgebaute Dresdner Frauenkirche oder die Ruine der Berliner Gedächtniskirche. Gibt es Erkenntnisse, dass der Dom vielleicht bewusst ausgespart wurde von Luftangriffen, oder wie erklärt man sich heute, dass er nicht völlig zerstört wurde?
Das ist auf den ersten Blick tatsächlich ein Wunder, lag aber neben seiner Bauart als gotische Kathedrale vor allem an den Kriegsschutzmaßnahmen und dem hohen personellen Einsatz der ihn Schützenden. Ein solch großes Ziel bewusst nicht zu treffen, wäre mit den damaligen Mitteln der Navigation und der Treffgenauigkeit der alliierten Bomber gar nicht möglich gewesen. Tatsächlich kennen wir auch keine Anweisung auf britischer oder amerikanischer Seite, den Dom bei den Angriffen zu verschonen. Aber diese Legende hält sich neben anderen hartnäckig.
Sie berichten in Ihrem Buch – und sicher auch in Ihrem Online-Vortrag – von den Schutzmaßnahmen, die getroffen wurden. Andererseits hatten die Menschen auch persönlich große Sorgen: um Familienmitglieder an der Front, um Knappheit an Nahrung und Geld, um die eigene Sicherheit. Wie muss man sich die Beteiligung an den Schutzmaßnahmen vorstellen – eher als kleine beruflich befasste Gruppe oder doch als Bewegung aus der Bevölkerung heraus?
Den Schutz geplant, organisiert und umgesetzt haben primär diejenigen, deren Aufgabe dies auch zu Friedenszeiten war, also der Denkmalschutz, die Dombauhütte und engagierte Kräfte des Metropolitankapitels. Mich hat ein Bericht aus der damaligen Zeit von einem Polier der Dombauhütte sehr berührt: Bernhard Leich, der als Brandwache nachts den Dom während eines Bombenangriffs auf die Stadt geschützt hatte, fand am nächsten Morgen sein Zuhause zerstört und seine Frau und zwei Kinder unter den Trümmern begraben vor. Er hatte alles verloren und ist trotzdem zum Dom zurückgekehrt und hat noch manche Nacht als Brandwache dabei geholfen, ihn zu schützen.
Heute sehen wir, wie die Menschen in der Ukraine verzweifelt versuchen, wichtige Bauwerke zu schützen, seien es sakrale oder weltliche. Das rückt die Bedeutung solcher Kulturdenkmäler nochmal ins Bewusstsein. Gibt es ein Gefühl, das Sie als Historiker mit dem Erhalt des Domes in Köln verbinden würden?
Ich verspüre große Dankbarkeit gegenüber denjenigen, die ihn damals – oft unter Einsatz ihres Lebens – geschützt haben. Wir können nur mutmaßen, wie der Dom ohne diese Menschen und ihre Arbeit bei Kriegsende sonst möglicherweise ausgesehen hätte. Tatsächlich waren die Schäden bei Kriegsende immens groß und vielen von uns ist beispielsweise die Domplombe, die erst 2005 endgültig entfernt wurde, noch in Erinnerung – die letzten Kriegsschäden sind bis heute noch nicht behoben.
Vielen Dank, lieber Herr Möring! Ich freue mich sehr auf Ihren Vortrag am kommenden Dienstag, 28.2.23, mit weiteren spannenden Informationen – und vielen Bildern!
Nicht verpassen und noch kurzfristig anmelden!
28. Februar 2023 (Di.)
Der Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg
Zwischen Hoffnung und Zerstörung
AkademiePlus | Online
24. Februar 2023 || ein Interview mit Niklas Möring, Kunsthistoriker und Autor