Ein eiliger Geist auf Reisen – Johann VIII. Hirtz und die Marienkapelle in Sankt Ursula in Köln
Eine rastlose Karriere und eine ehrgeizige Familie
Am 21.02.1469 wurde der Kölner Johannes VIII. von Hirtz in Pavia zum Doktor des Kanonischen Rechts promoviert. Es war der Abschluss eines langjährigen Studiums und der Auftakt einer internationalen Laufbahn.
Johannes hatte sich in Köln 1455 eingeschrieben, in Orléans und Pavia weiter gelernt und Abschlüsse in bürgerlichem wie geistlichem Recht erworben. Er wurde 1472 Ordinarius, einige Male Dekan der Fakultät, danach Rektor, 1478 Botschafter beim Papst, Ratsherr, schließlich Bürgermeister. Von Hirtz hatte durch seine internationalen Studien entsprechende Kontakte geknüpft und war damit Teil einer Art humanistischer Gelehrtenrepublik geworden. Nicht von ungefähr wird er in einigen Erwähnungen als Doktor und Orator, also explizit als Redner erwähnt. Johann VIII. von Hirtz kann man deswegen unterstellen, dass er Deutsch, Italienisch, Französisch und natürlich Latein sprach, was ihn zum idealen Botschafter der Stadt Köln machte.
1485 spielte von Hirtz eine wichtige Rolle als Gesandter der Stadt Köln an der Kurie in Rom, um Streitigkeiten mit dem Kölner Klerus beizulegen. Mit Empfehlungen des Kaisers an diverse Kardinäle in Rom machte von Hirtz sich also auf die Fahrt nach Italien.
Als Kaiser Friedrich III. einige Jahre danach Köln besuchte und die Kölner Stadtverfassung zu sehen wünschte, begegnete man dem Kaiser selbstbewusst und lehnte dieses ab. Man betonte, im Neusser Krieg gegen Karl den Kühnen von Burgund auf Seiten des Kaisers einige Tonnen Gold ausgegeben zu haben. Diese Rede hielt wiederum Johann VIII. von Hirtz. Im Neusser Krieg hatte der Herzog von Burgund sich in eine Fehde zwischen Erzbischof und Domstift eingemischt. Daraus entstand ein überregionaler Konflikt, in den sich auch der Kaiser einschaltete. Letztendlich gewann der Kaiser diesen Krieg, aber wohl mit Hilfe des Kölner Geldes, wie man meinte.
Johann VIII. hatte Kontakte zur Kurie zum Humanisten Arnold Heymerick. Der widmete von Hirtz einen Dialog, der die prachtvolle Überreichung einer von Papst Innozenz VIII. an Herzog Johann II. von Kleve gesandten goldenen Rose im Jahr 1489 beschreibt. Dass die Empfänger dieses frommen Geschenks nicht immer den Ansprüchen genügten, zeigt die Tatsache, dass man den Herzog als „Kindermacher“ bezeichnete: Summa summarum hatte er 63 Kinder gezeugt. Sei‘ s drum: In diesem Text kommt alles zusammen: humanistische Vernetzung, diplomatische Missionen und Lust an burgundischem wie italienischem Prunk.
Von Hirtz scheint über diplomatisches Geschick verfügt zu haben; so war er um 1490 an der Schlichtung dramatischer Zollstreitigkeiten zwischen Köln und seinen Nachbarn auf dem Reichstag in Nürnberg beteiligt. Er starb in Pavia im November 1495. Auch zu diesem Zeitpunkt war er wohl wieder auf einer diplomatischen Mission, da Streitigkeiten zwischen den Kölner Patriziergeschlechtern mit Hilfe der römischen Kurie beigelegt werden sollten. Es handelte sich also sozusagen um den Tod eines diplomatischen Handlungsreisenden.
Mitglieder der von Hirtz hatten früh öffentliche Ämter im mittelalterlichen Köln übernommen. Ursprünglich gehörte die Sippe zum engeren Kreis der Patrizier, die sich im Hochmittelalter um die Familie Overstolzen scharten, bis diese mit ihrer Clique 1396 entmachtet wurde. Nach der Vertreibung der Adelsgeschlechter 1396 kehrten die von Hirtz zurück, waren zunächst aber unter Polizeikontrolle und durften keine Waffen tragen. Trotzdem spielten sie fortan mit anderer Strategie wieder eine Rolle in der Ratspolitik: als Rentmeister, als Bürgermeister, aber auch als Diplomaten in der Verständigung mit Kaiser und Papst. Eintrittskarte in das politische Milieu war ursprünglich die ritterliche Herkunft der Familie; nach der Zunftrevolution von 1396 war es die gute Erziehung der Söhne, die zu Juristen, Geistlichen und zu professionellen Rednern heranwuchsen. Ein Vorfahre, der Pfarrer von Sankt Martin, Jurist und Ratsherr Johann von Hirtz war beispielsweise in die Tragödie der Judenvertreibung 1424 als Vermittler zwischen Stadt, Kaiser und Erzbischof verwickelt. Etwas verwirrend ist, dass es in jeder Generation einige identische Namensträger gab. Hier hilft eine Nummerierung: unser Johann trägt die Nummer VIII.
Inbesitznahme einer Kapelle
Schon 1461 hatten die von Hirtz die Marienkapelle in Sankt Ursula in Beschlag genommen, deren Verwendung wohl weit über die private Andacht einer Familie hinausging und mit dem Bruderschaftswesen in der Reichsstadt zu tun hatte, wie vermutet wurde.
Innerhalb Kölns verwaltete Johann VIII. von Hirtz einige Jahre bis 1474 mit einigen weiteren Provisoren das Hospital zum Heiligen Geist, das sich auf dem südlichen Domhof neben der Hacht, dem erzbischöflichen Gefängnis befand. Heute steht hier das Domhotel. Vorher hatte sein Onkel Johann VI. von Hirtz diese Aufgabe übernommen. Das Spital geht bis auf den Erzbischof Anno im 11. Jahrhundert zurück. Man betreute in Köln ankommende, oft mittellose Pilger mit Essensspenden, allerdings wohl nicht als Herberge. 1463 brannte die Kapelle der dazugehörigen Bruderschaft nieder und man wich eventuell in die nicht weit entfernte Marienkapelle der Ursulakirche aus, die von Johanns VIII. Vater Eberhard zu Beginn der 1460er Jahre umgebaut worden war. Er ließ neue Gewölbe einziehen und gab nach 1475 einen Altaraufsatz von respektabler Größe beim Meister des Marienlebens in Auftrag, dazu kamen im selben Jahr drei monumentale Pfeilerfiguren, deren genaue Stifter unbekannt sind: Ursula, Maria als Fürbitterin und der segnende Christus als Weltenretter. Dass es hier eine Verbindung zur Heilig-Geist-Bruderschaft gab, verdeutlicht Johanns VIII. Tracht auf der Heimsuchung, einer der Tafeln des Retabels. Er trägt eine Kette mit Symbolen: Wolken, ein Tau-Kreuz und die Taube des Heiligen Geistes.
Zur Zeit des Johann VIII. von Hirtz müssen wir uns vielleicht folgenden Innenraum vorstellen:
Die lange Kapelle war auf der Südseite spätgotisch durchfenstert. Zur Nordseite hin öffnete sie sich zur romanischen Emporenbasilika, war dort also zweigeschossig. Das bedeutete, dass man von der dortigen Empore aus den Besuchern der Marienkapelle auch Reliquien zeigen konnte. An den Pfeilern der Nordseite standen und stehen die drei monumentalen Figuren der Maria, Christi und der Ursula. Die ohne Kapitell aus der Wand aufschießenden Kreuzrippengewölbe erzeugten eine leichte, schwebende Raumwirkung. Der von einem Löwen getragene Altar wurde durch den wandfüllenden goldenen Altaraufsatz mit dem Marienleben hinterfangen. Die Kapelle war eigentlich um das Jahr 1300 begonnen worden. Aus dieser Zeit gibt es bis heute zierliche Blendarkaden, die auf einer bankartigen Sockelzone aufsitzen. Bis zum zweiten Weltkrieg war die Kapelle voller Reliquienbehälter, die meist auf Stiftungen der Barockzeit zurückgehen dürften. Die Familie schenkte auch Glasfenster, die man sich im 15. Jahrhundert als hell mit opakweißen Anteilen, zurückhaltender Schwarzlotmalerei und kräftigen einzelnen Farbakzenten in blau, rot und grün vorstellen darf.
Ein aus Köln entschwundenes Hauptwerk
Wie der Altaraufsatz der Marienkapelle genau aussah, ist nicht überliefert. Erhalten sind sieben Tafeln in München und eine in London. Es kann sein, dass vier Tafeln die Mitte, je zwei die Flügel bildeten und damit Außenseiten verloren gingen. Vermutet wurde, dass der Stifter die Marienthematik ausgewählt hatte, da sie u.a. über das Motiv der Verkündigung mit dem Heiligen Geist zu tun hatte.
Vermutlich arbeitete der Meister des Marienlebens zwischen 1473 und 1490 in Köln und war u.a. durch den flämischen Maler Rogier van der Weyden beeinflusst, der ja für Sankt Kolumba tätig gewesen war. Nach dem Gastspiel Rogiers gab es eine dramatische stilistische Wende in Köln. Die noch durch die Malerei Stephan Lochners und die internationale Gotik beeinflusste Kölner Schule gab ihre Weichheit auf und widmete sich Werken mit realen Gesichtern, knitterigen Faltenwürfen, gleißend weißem Licht. Landschaftsausblicke mündeten in ersten blauen Horizonten. Noch ganz wie Lochner zeigt der Meister des Marienlebens den Goldgrund und spielt mit glänzenden Gegenständen, die er in monochromer Zeichnung auf diesem Goldgrund darstellt, vor allem in der Geburt Mariens, in der Verkündigung und im Tempelgang.
In der Marienkapelle gab es ab 1606 ein neues Altargemälde; wo der alte Aufsatz danach aufbewahrt wurde, wissen wir nicht. Das Retabel gelangte um 1800 durch die Säkularisierung der französischen Besatzer in die Sammlung der Brüder Boisserée und wurde noch im frühen 19. Jahrhundert nach München verkauft, wo es sich in der Alten Pinakothek befindet – bis auf eine Tafel in London.
Die erhaltenen Teile des nach 1475 entstandenen Marienretabels zeigen das Treffen Annas und Joachims an der Goldenen Pforte, die Geburt Mariens, den Tempelgang, die Vermählung, die Verkündigung, die Heimsuchung, die Darstellung Jesu im Tempel sowie die Himmelfahrt Mariens. Da die Tafeln alle gleichgroß sind und zentrale auf den Erlöser bezogene Themen wie Geburt oder Kreuzigung fehlen, lässt sich über die ursprüngliche Gestalt diskutieren. Der Zyklus erzählt von Maria als begnadetem und vom Heiligen Geist ergriffenem Geschöpf. Eventuell wird schon auf das in Köln um 1500 besonders wichtige Sujet der Unbefleckten Empfängnis verwiesen. Jenseits der Theologie fallen die Gesichter auf: voller verinnerlichter Seelenbewegungen, besonders in der Verkündigung Mariens. Abgesehen vom Bild Johanns VIII. gibt es keine weiteren Porträts: hier wären denkbar der Vater Eberhard (ebenfalls Bürgermeister) und die Mutter, aber auch andere Familienmitglieder. Oft taucht in Stifterbildern die ganze Sippe inklusive der Verstorbenen auf. Vielleicht war die Stiftung aber nur auf Johann VIII. bezogen und hatte mit einer seiner vielen Reisen und diplomatischen Missionen zu tun, eventuell mit einem weiteren Aufenthalt in Italien, z.B. der Mission 1478 nach Rom.
Drei wuchtige Bauernheilige und ihre zierlichen Vorbilder: Stifterkonkurrenz
Im Gegensatz zur zarten, miniaturhaft detaillierten Bildsprache der Malereien stehen die drei wuchtigen Pfeilerfiguren an der Nordseite der Kapelle. Sie werden ebenfallsauf die Zeit um 1475 datiert und heute dem Meister Tilman Heisacker zugewiesen, der, vom Niederrhein kommend, Einflüsse der südniederländischen Bildhauerkunst und Malerei mit nach Köln brachte.
Die Figuren stehen auf raffiniert mit Pflanzen, Maßwerk und nicht identifizierten Wappen behauenen Sockeln und fragilen gewundenen Stützen. Die blockhaften Körper verzichten auf Durchstechungen, spielen aber mit virtuosen, kristallinen Faltenwürfen. Verhalten deutet sich das Spiel zwischen den drei Heilsfiguren an. Christus in der Mitte gewährt segnend die Bitten Mariens mit dem Rosenkranz und Ursulas mit den unter ihren Mantel geflüchteten Kölner*innen. Offensichtlich geht es um Bitten für das Jenseits. Die Gruppe stellt eine erweiterte Variante einer anderen, bekannteren Darstellung in der Hardenrath-Kapelle in Sankt Maria im Kapitol dar, einer Kirche, mit der die von Hirtz ebenfalls eng verbunden waren.
Schon im 14. Jahrhundert hatten die von Hirtz – wie viele andere dem Rat und der Herrschaft der Stadt verbunden Familien der Oberschicht – in Sankt Maria im Kapitol gestiftet. Am Ende des 15. Jahrhundert scheint man das Bedürfnis verspürt zu haben, diese Stiftungen zu erneuern.
Nach dem Tod des Johann VIII. von Hirtz wird in der Koelhoffschen Chronik deshalb eine weitere Hirtz-Kapelle vermerkt: „Auf der linken Seite hat im Jahre des Herrn 1493 eine allzu köstliche Kapelle machen lassen der wohlgeborene und hochgelehrte Herr … Johann von Hirtz Doktor in geistlichen und kaiserlichen Rechten, vormals Ordinarius der heiligen Stadt Köln und auch nachmals Bürgermeister daselbst.“ Diese Kapelle befindet sich als etwas kahle Rekonstruktion an der Nordostflanke der Kirche Sankt Maria im Kapitol. Gegenüber hatte die Bürgermeistersippe Hardenrath einige Jahrzehnte vorher eine ebenfalls prunkvolle Kapelle gebaut – mit ehedem üppiger Malerei, einem Glasfenster mit einer Kreuzigung und einer Statuengruppe des Straßburger Bildhauers Nikolaus Gerhardt von Leyden. In der Hardenrathkapelle stehen bis heute neben dem Altar der Salvator und die für uns (und Herrn Hardenrath) bittende Madonna. Die feinsinnige und detailrealistische Darstellung war ca. 10 Jahre vor den Skulpturen in Sankt Ursula entstanden und nahm viel von dem vorweg, was wir mit süddeutschen Bildschnitzern wie Riemenschneider verbinden. Der Bildhauer ging dann von Straßburg nach Wien, wo er das Grabmal des Kaisers begann. Es muss um 1475 eine Art Stifterkonkurrenz zwischen den Hardenraths und den Hirtz gegeben haben. Die Kirche Sankt Maria im Kapitol wurde regelmäßig für die Exequien verstorbener Bürgermeister verwendet, und wir wissen, dass Johann VIII. 1471 bei einer solchen Totenmesse dabei war. Stifter in Sankt Ursula kannten die Statuen in der Hardenrath-Kapelle also und bestellten eine ästhetisch und inhaltlich veränderte Variante.
Eventuell haben die Stifter aus dem Umfeld der von Hirtz eine bewusste Stilentscheidung bei der Wahl des Bildhauers in Sankt Ursula getroffen. Der Inhalt war ähnlich, aber die hier so massigen Heilsfiguren strahlen eine etwas bäuerliche Kraft aus. Sie sind trutzige Verteidiger. Es reicht ein Blick auf die sehnigen Pranken Christi in der Mitte im Gegensatz zum gut manikürten Christus in der Hardenrath-Kapelle.
Ein möglicher politischer Hintergrund
Auch in der Cappella Hardenrath leistet Maria Fürbitte und Christus gewährt diese Bitte gnädig. Der Gestus Mariens in beiden Kapellen hängt eventuell zusammen mit einer berühmten Muttergottes, die sich im Dominikanerinnenkloster San Sisto Vecchio in Rom befand, der Madonna Advocata. Diese syrische Ikone stammt aus dem 6. Jahrhundert und gilt als eines der ältesten Marienbilder überhaupt. Die Tatsache, dass sie in einer Dominikanerinnenkirche hing, dürfte eine Rolle gespielt haben, da in genau diesen Jahren eine neue dominikanische Andachtsform auftauchte, in der Köln eine besondere Rolle spielte: der Rosenkranz. Die Geste der Advocata wird auch von der Marienfigur in Sankt Ursula übernommen, über deren ausgebreiteten Händen heute ein Rosenkranz liegt.
Die erste Rosenkranzbruderschaft wurde in Douai von dem Dominikaner de la Roche gestiftet, die zweite 1475 in Köln von dem Dominikanerprior Sprenger. Die Beziehung zwischen den Dominikanern und Sankt Ursula scheint relativ eng gewesen zu sein. Von Köln aus verbreitete sich die Bruderschaft als Massenphänomen innerhalb von fünf Jahren bis hinab nach Florenz und Venedig und wurde insbesondere durch Papst Sixtus IV. gefördert. Es ist anzunehmen, dass Johann VIII. nicht nur Kontakte zur Bruderschaft des Heiligen Geistes, sondern eben auch zum Kölner Rosenkranz und zur Laienvereinigung des Ursulaschiffchens pflegte.
Anlass für die Gründung der Rosenkranzgemeinschaft war, dass man erfolgreich den Überfall Karls des Kühnen auf Neuss abgewendet hatte und in Form von Marienlob für diese Errettung danken wollte. Man erinnere sich: genau dieses Ereignis erwähnte Johann VIII. von Hirtz dem Kaiser Friedrich III. gegenüber, als jener 1488 in Köln zu Besuch kam. Die Kölner hatten ja einige Tonnen Gold für den Neusser Krieg aufgewendet. Maria, Christus und Ursula sind hier demnach als Verteidiger der Stadt zu verstehen, was ihre Trutzigkeit vielleicht erklären mag.
Johann VIII. hatte 1474 seine Amtszeit als Vorsteher am Heilig-Geist-Spital beendet und der Bau der Kapelle der Heiliggeistbruderschaft am Dom war 1478 abgeschlossen. Im selben Jahr brach er auf seine Mission nach Rom als Gesandter zum Papst auf. Die Stiftung könnte eine Art Bitte um Schutz auf seinen Reisen darstellen.
Alle diese Hypothesen würden die besondere marianische Thematik der Kapelle in Sankt Ursula in den Jahren 1475-80 erklären. Als die Heilig-Geist-Bruderschaft wieder in ihre alte Kapelle im Spital einziehen konnte, wurde diese übrigens neben dem Heiligen Geist und den thebäischen Märtyrern auch der Heiligen Ursula mit den 11000 Jungfrauen geweiht.
Der ständig reisende Diplomat Johann VIII. von Hirtz – eilig wie der Heilige Geist – reiste jedenfalls auf Routen, die durchaus der Wegstrecke der 11000 Jungfrauen entsprachen und verstarb, wie jene, vor Erreichen des Ziels. Aber das geht uns, glaube ich, leider allen so.
Epilog
Den heutigen Zustand der Kapelle prägen die Wunden der Kriegszeit. Die barocken Reliquienschränke sind untergegangen. In den Blendbögen tummeln sich Goldmosaiken der Neoromanik, und die uneinheitlichen Fenster spiegeln die ehemalige Teilung des Raums in den Nachkriegsjahren. Heute hinterfängt den Altar kein güldenes Retabel mehr. Ein schlicht gestalteter turmartiger Gedenkort für die katholischen Märtyrer der Nazizeit bildet den Fokus, auf den sich die Kapelle zubewegt. Ksg-Architekten haben 2008 einen strengen, meditativen Raum in Weißtönen erschaffen, der rund um den ergreifenden spätgotischen Kruzifixus an den heute meist vergessenen katholischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten erinnert. Sprache als Zeugnis ersetzt die bildlastige Welt des Mittelalters, vielleicht da wir heute meist in einer von Bildern überfluteten Welt leben. Hier wird unter anderem des Dichters, Philosophen und Widerstandskämpfers J.M. Verweyens mit einer Stelle aus dem Matthäus-Evangelium gedacht, die von einer ganz anderen Reise spricht:
Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. (Matt. 16,24)
Bildnachweise:
– Titelbild: © Raimond Spekking /
– St. Ursula, Außenansicht © Raimond Spekking, CC BY-SA 3.0
– Meister des Marienlebens, Wikicommons, gemeinfrei
– Alle Anderen Bilder: Dr. Busse
26. Juli 2020 || ein Beitrag von Dr. Till Busse