Schwellenangst – oder warum es sich lohnt, in Galerien reinzugehen
Ein großer weißer Raum, interessante Kunstwerke und gut gekleidetes Personal – wäre da nicht die Schwellenangst, würde man einfach hineingehen und erleben: Es lohnt sich! Gerade in Köln, einem der bedeutendsten Galerienstandorte, sind die Kunsthäuser meistens nicht weit voneinander entfernt. So kann man die kleine Auswahl der hier vorgestellten Galerien bequem fußläufig erreichen und alle liegen nahe bei den Haupteinkaufstraßen der Domstadt.
Machen Sie mit uns einen kleinen Abstecher zu künstlerischen Highlights! Hineingehen kostet nichts – nur das Rausgehen, wenn man etwas gekauft hat. Gucken darf jeder und die wechselnden Ausstellungen bieten immer wieder Neues, Überraschendes und Herausragendes. Auch die reizvollen, eleganten oder ungewöhnlichen Präsentationsräume machen den Schritt über die Galerie-Schwelle zu einem spannenden und eindrucksvollen Erlebnis. Also keine Angst – kommen Sie mit!
Mit der Galerie Boisserée zu beginnen ist besonders sinnvoll. Sie wurde im 19. Jahrhundert gegründet, also zu jener Zeit, in der die bedeutende Rolle der Galerien für die Moderne ihren Anfang nahm. Seitdem sind Galerien die Orte, wo unzählige Künstler und Künstlerinnen mit vielfältiger Hilfe ihrer Galeristen und Galeristinnen Kontakt zu Käufern und Käuferinnen finden. Bis heute sind sie die Keimzellen für neue Entwicklungen in der Kunst. Darüber hinaus bleiben Galerien auch für erfolgreiche Kunstschaffende eine Heimstatt.
Bei Boisserée steht – neben der Malerei – die Grafik im Zentrum. Gerade diese Arbeiten, meist auf Papier, sind nicht selten auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich. Und wo kann man sonst in einer Art offenem Depot unter den an Schiebewänden hängenden Arbeiten regelrecht stöbern? Soll es ein Max Ernst oder doch lieber eine Peter Doig sein? Eine vergleichbare Fülle bieten einige der aktuell ausgestellten, den Blick irritierenden 3D-Arbeiten von Patrick Hughes. Wie in einem Ausstellungsraum zeigen sie bekannte Werke der Moderne in kleinem Format. Schon mit einem dieser „Galeriebilder“ kauft man quasi eine ganze Kunstsammlung.
Ein paar Häuser weiter ist man schon bei Karsten Greve. Wie auch die von ihm vertretenen Künstler ist seine Galerie international positioniert. Neben Standorten in Paris oder St. Moritz ist sie hier in Köln in einem großzügigen Ladenlokal der 1950er Jahre vertreten. Die eleganten weißen Räume liegen auf verschiedenen Ebenen und sind durch eine offene Treppe effektvoll miteinander verbunden. Die unterschiedlichen, offenen oder mehr geschlossenen Räume tragen zur Wirkung der Kunstwerke wesentlich bei. Ortsbezug ist in anderer Weise auch ein Aspekt der jüngst ausgestellten Arbeiten von Sally Mann. Denn die großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien sind mit einer Lasur überzogen, für die als Pigment Erde vom fotografierten Ort genommen wurde. So ergibt sich ein besonderes Verhältnis zwischen Kunstwerk und Entstehungsort sowie zwischen den Medien Fotografie und Gemälde.
Die Magie des Ortes zeichnet in besonderer Weise die Galerie Buchholz aus. Zunächst wird die Erwartung an eine typische Galerie enttäuscht. Denn statt der Kunst der Moderne finden sich im Schaufenster vielfältige druckgrafische Arbeiten und Bücher eines Antiquariats. Dahinter folgt auch eine buchstäblich bis zur Decke mit papierenen Kostbarkeiten vollgestopfte Wunderkammer, die einer magischen Installation nicht unähnlich ist. Erst wenn man hier durch ist, wirkt dann der Wechsel vom Antiquariat in die weißen Räume der Galerie Buchholz wie ein harter Filmschnitt. Passend dazu erscheinen allerdings die neulich gezeigten Arbeiten von Ulla Wiggen ebenfalls geradezu magisch! Es sind runde Scheiben, die von der Künstlerin in virtuoser und suggestiver Weise jeweils mit Iris und Pupille bemalt wurden: Hier findet Sehen und Gesehenwerden in einem statt!
Die Galerie Van der Grinten mit ihrer jungen Malerei und – teilweise – alter Fotografie übt sich in einer anderen Art von „Zurückhaltung“: Man betritt sie durch einen reizvollen Neurenaissancebau und die Ausstellungsräume sind hier in einer Belle Etage von drei miteinander verbundenen Nachbarhäusern. Entsprechend wohnlich ist der Rahmen für die Kunst, die in Räumen mit Parkett und teilweise Stoffbespannung gezeigt wird. Hier kann man sich unschwer vorstellen, wie die Kunstwerke zuhause wirken könnten. Raum ist auch ein Element der aktuell ausgestellten Werke von Peter Nikolaus Heikenwälder. In Gemälden mit magischem Charakter scheinen organische oder geometrische Körper zu schweben, zu wachsen, teilweise aus dem Dunkel der Bildtiefe aufzuscheinen oder darin zu verschwinden.
Wenn man dann die letzte Galerie verlassen hat, weiß man, dass man wieder über die Schwelle zurückkehren möchte. Gekauft hat man zwar vielleicht nichts, aber eine Fülle von Eindrücken nimmt man auf jeden Fall mit! Und jetzt zur Entspannung in das nette Café nebenan…
Bild: Franz van der Grinten
3. April 2020 || ein Beitrag von Dr. Andreas Baumerich, Kunsthistoriker