Skulpturenpark in Bensberg - Kunst und Natur - Mehr im Blog

Bensbergs Skulpturenpark – Oellers und Schaffner

Ein Skulpturenpark kann zu einem Wohnsitz hochgestellter Persönlichkeiten gehören, und das ist sicher auch sein Ursprung. Mittlerweile hat er sich aber auch emanzipiert und kann als Park oder Garten alleine stehen. Niki de Saint Phalles Giardino dei Tarrochi beispielsweise befindet sich mitten in der Toskana. Das Herzensprojekt der Künstlerin wurde ausschließlich mit ihren farbenfrohen Objekten ausgestattet und ist seit Jahren ein Publikumsmagnet. Das Storm King Art Center ist ein beeindruckendes Skulpturenprojekt verteilt auf zwei Quadratkilometern im New Yorker Hudson Valley. Im Zentrum steht die individuelle Betrachtung der Kunst mit den wechselnden Jahreszeiten der Natur. Mit Wuppertal und Köln befinden sich prominente Skulpturenparks der Extraklasse gleich vor der Haustür.

Und heute hat das Kardinal Schulte Haus auch einen kleinen Skulpturenpark. 1994 wurde sein Grundstein gelegt, als eine gemeinsame Initiative der Thomas-Morus-Akademie, der Künstler-Union im Erzbistum Köln und des Erzbistums Köln die erste Skulptur in den Park des Kardinal Schulte Hauses brachte. Das Gelände lädt geradezu ein, hier Kunstwerke aufzustellen – einerseits als Schmuck der Anlage und andererseits als Ergänzung des Ortes Kardinal Schulte Haus, das als Tagungszentrum des Erzbistums Köln ein Raum für Begegnung und geistige Auseinandersetzung ist. So stellt auch die Kunst im Skulpturenpark den Austausch und die Kontemplation im Dialog mit Kunst und Natur ins Zentrum und fokussiert dabei besonders auf spirituelle Anstöße.

Es war die 13. Kunstbegegnung mit dem Titel „Parallel – Begegnung in Kunst und Leben. Bilder von Edith Oellers-Teuber – Skulpturen von Günther Oellers“, die vom 1. Februar bis 24. April 1994 in der Thomas-Morus-Akademie im Kardinal Schulte Haus in Bensberg zu sehen war. Und sie hinterließ das erste Werk für den Skulpturenpark Bensberg. Es trägt den Titel Die große Vereinigung (Zweiflammenstein) auf dem Scheitholzsockel, nach dem ‘Hohenlied des Juan de La Crux’. Es besteht aus Basaltlava und entstand 1991/92.

Die lebendige Liebesflamme

O regste Liebeslohe,
die zärtlich mich verwundet
bis in der Seele Kern und tiefstes Leben!
Gesänftigte, du hohe –
tilg, dass mein Herz gesundet,
dem süßen Treffen tilg die Trennungsweben.

O Flamme, mild umleckend!
O Wunde, lind zu dulden!
O holde Hand! O liebliches Durchdringen, nach ewigem Leben schmeckend, vergütend alle Schulden!

Todbringend willst du höchstes Leben bringen.
O Leuchten voll von Brünsten,
dank deren Widerscheine
des Sinns abgründige Höhlen ohne Enden – nicht länger blind von Dünsten –
in fremder Himmelsreine
dem Liebsten beides, Licht und Wärme spenden!

Wie liebreich und verstohlen
erwachst du in Gehegen,
tief im Gemüt mir, wo du sieghaft gründest:
mit würzigem Atemholen
voll sonnenholdem Segen
wie unberührbar zart du mich entzündest!

Das Gedicht Llama de amor viva, zu Deutsch: Lebendige Liebesflamme, wurde 1585 verfasst und schildert die Begegnungen des Johannes mit Gott.

Günther Oellers nimmt dieses Gedicht als Inspiration und Anstoß für sein Werk Zweiflammenstein. Schon mit der Materialwahl Basaltlava, die ein Erzeugnis des Feuers ist, nimmt Oellers Bezug auf die Flamme bei Juan de la Cruz. In seiner Gestaltungsweise präsentiert sich das Werk als zweigeteilte flammende Form, die an ihrer Wurzel eins ist. Eine Symbolik, die der Liebe, die das Werk des Juan de la Cruz durchdringt, entspricht. Zwei Liebende, die zunächst getrennt, aber in der Liebe vereint sind, oder mystisch gesehen anders herum: Zwei Liebende, die in ihrer Wurzel im Grunde schon immer vereint waren. Der mystische Charakter des Werks wird über Ritzungen auf der Oberfläche verstärkt, denn hier finden sich wellenförmige Linien, die parallel verlaufen oder sich kreuzen, Spiralen und Verwirbelungen. Das alles mag auf die Bewegung in einer Flamme hindeuten, denn in ihr finden sich endlos viele Bilder und eine rastlose Bewegung, doch nicht zuletzt stößt der Künstler hier unzählige weitere Gedanken an, Assoziationen aus der Natur und auch der Kunst, die das Werk in seiner Wirkung offen lassen – letztlich unergründlich?

1995 kam mit Ralf Schaffners Equilibrio, zu Deutsch: Gleichgewicht, ein Projekt nach Bensberg, das weit über die deutschen Grenzen hinausgeht. Bensberg wählte Schaffner als Zentrum seines Großprojekts aus, das übrigens erst 2009, ein Jahr nach seinem Tod abgeschlossen wurde. Die vier weiteren Aufstellungsorte sind Santanyí auf Mallorca (1995), Trondheim in Norwegen (2000), Wolgograd in Russland (2005) und Cork in Irland (2009).

Das Gleichgewicht des Werks ist offensichtlich: Die 13 Steine sind bilden eine 7 m hohe Stele, die ein stolzes Gewicht von 17 Tonnen auf die Waage bringt. Es mag an Steintürme als Wegmarkierung in den Bergen erinnern, nur in einer Größe, die dem Werk eine erhabene Stimmung verleihen, die geradezu historisch ist, wie aus einer anderen Zeit. Die Aufstellung von Stelen war jahrhundertelang sehr verbreitet. Man kennt sie als Wegweiser, als Eigentumsmarkierung, und – besonders prachtvoll – als Symbol für Ruhm und Ehre in Form der römischen Siegessäulen. Hier allerdings steht sie mitten auf der Wiese. Sie hat keine Inschrift und keine Reliefs. Sie besteht ganz und scheinbar unbearbeitet aus dem Naturmaterial Grauwacke. Besonders idyllisch und vor allem im Sinne eine Verschmelzung von Kunst und Natur sieht sie aus, wenn Kühe um sie herum weiden und sich nicht im geringsten an ihr stören – höchstens vielleicht, um sich einmal zu kratzen. Im Gleichgewicht also steht die Arbeit, und selbst die Kühe bringen sie nicht ins Wanken.

Nimmt man alle fünf Aufstellungsorte des Projekts zusammen, offenbart ein Blick auf die Karte eine nicht zufällige Positionierung: Mit Bensberg als spirituelle Mitte ergibt sich ein Kreuz, das in seiner Symbolik zwar mannigfaltig, aber hier auch eindeutig ist. Es geht um eine spirituelle Verbundenheit in Europa. Ortsgrenzen, und nicht einmal Ländergrenzen spielen im Bereich des Glaubens und der Menschlichkeit eine Rolle. Mit dem Kreuz und seinem zentralen Auflagepunkt kann rein formal schon ein Gleichgewicht erahnt werden. Darüber hinaus trägt das Projekt aber besonders die positive und geradezu hoffnungsvolle Aussage, dass wir uns im Grunde alle in einem geistigen Gleichgewicht befinden. Rolf Schaffner nannte die Verbindung die Meridiane des Friedens.

Rolf Schaffner ist der einzige Künstler des Bensberger Skulpturenparks, der mit zwei Werken vertreten ist: Oben vor dem Kardinal Schulte Haus, sozusagen gegenüber dem Zweiflammenstein, steht die Skulptur ohne Titel. Sie erhielt ihren Platz im Jahr 1997, besteht aus bergischem Granit und ist 2,35 m hoch. Hat das Kunstwerk keinen konkreten Titel, wird dem Betrachter ein Anker genommen. Eine Konstante, an der man sich festhalten und so entspannt dem Kunstwerk nähern kann. Nimmt man dem Kunstbetrachtendem diese Sicherheit, gibt man ihm gleichzeitig Freiheit. Die Freiheit, interpretatorisch vollkommen ungebunden in den Dialog mit dem Werk zu treten.

Schon der Aufstellungsort ist besonders: Unter Bäumen und auf halbrundem Platz mit Bänken, die zur entschleunigten Betrachtung einladen. In diesem Beispiel deutlich bearbeitet und in gleichmäßige Formen gebracht stapelt der Künstler drei Steine aufeinander, die zwar alle ansatzweise kubisch geformt, in ihrer Höhe aber unterschiedlich sind. Sie ergeben eine Art Schaft, auf dem sich dann (immer noch auf derselben zentralen Achse) ein in seinen Ausmaßen größerer Stein positioniert. Darauf wieder eine Art Verlängerung des Schafts und abschließend der größte Stein, wieder mit kubischer Grundform. Alle Steine sind behauen und tragen sichtbare Bearbeitungsspuren. Sie erzählen nicht nur die Geschichte der Stelen weiter, die doch so häufig zu einer gewissen Orientierung oder als Markierung dienten, sie berichten auch vom Künstler selbst. Sie machen die handwerkliche Tätigkeit sichtbar, lassen erkennen, welche Werkzeuge Verwendung fanden und sogar erahnen, wie viele Stunden in diesen Schaffensprozess geflossen sind. So wird – je nach Betrachtung – hier sicher einiges angestoßen: Markiert die Arbeit ein Ziel? Und was ist das Ziel? Was ist das eigene Ziel? Was macht handwerkliche Arbeit? Steckt auch darin kontemplative Wirkung? Für was verwende ich meine Zeit? Was eigentlich ist Zeit wirklich?

Bilder von den Werken von Rolf Schaffner  © TMA

Bilder von Günther Oellers dürfen nicht ohne Genehmigung veröffentlicht werden.

22. Oktober 2024 || ein Beitrag von Akademiereferentin Judith Graefe