Maestras. Malerinnen 1500-1900 | Ausstellung im Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Das große Thema der Gleichberechtigung hat unzählige Unterthemen. Eines davon ist die Gleichberechtigung in der Kunst. In den letzten Jahren haben viele Ausstellungshäuser einzelne Künstlerinnen aus der Unsichtbarkeit geholt und an der Museumswand sichtbar gemacht. „Endlich“ muss man sagen, denn, wenn wir ehrlich mit uns sind, kennen wir nicht alle viel mehr männliche Künstler als weibliche Künstlerinnen? Das hat verschiedene Gründe. Einer davon ist die gesellschaftliche Unterordnung der Frau (als Künstlerin). Und so blieben unzählige Frauen der Kunstgeschichte der Öffentlichkeit verborgen, selbst wenn sie vielleicht zu ihren Lebzeiten schon bekannt waren und zuweilen gefeiert wurden. Wenig bekannt ist beispielsweise auch die Tatsache, dass Frauen erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Weg in eine professionelle akademische Ausbildung erlaubt wurde – und das natürlich nicht überall. Der Akademiebetrieb war jahrhundertelang den Männern vorbehalten. Selbst das moderne Bauhaus, das ausdrücklich Frauen aufgenommen hat, konnte wohl doch nicht ganz aus der Haut seiner Zeit und schickte die Bewerberinnen meist in die Weberei, die schon bald als „Frauenklasse“ bezeichnet wurde. Der Weg in andere Bereiche der Kunst war den Frauen selbst in der Moderne noch ein äußerst steiniger. Das ist alles noch nicht lange her. Umso wichtiger ist es, dass den Frauen der Kunst eine Bühne gegeben wird. Und diese Stimme wird im Arp Museum dieses Jahr zu einem Chor, werden hier in der Ausstellung Maestras. Malerinnen 1500-1900 doch etwa 50 Künstlerinnen präsentiert.
Anstoß dieser Ausstellung ist die Sammlung Rau für Unicef, die seit Jahren ihren Platz im Arp Museum Bahnhof Rolandseck hat. Aus ihr wurden die spannendsten Ausstellungen gespeist, denn Gustav Rau hat in einer Vielfalt gesammelt, die ihresgleichen sucht. Bemerkenswerter Weise haben viele Werke von Frauen ihren Platz bei ihm gefunden. Und so ist es ideal, diese Modernität faktisch und inhaltlich zum Thema zu machen. Die Werke werden durch hochkarätige Leihgaben aus den Uffizien in Florenz, dem Musée d’Orsay in Paris, der Tate Gallery in London und einigen mehr ergänzt.
Die Schau beginnt mit einem Blick in mittelalterliche Skriptorien, denn nicht nur in Mönchsklöstern wurden Bücher kopiert und mit den wunderbarsten Miniaturen ausgestattet. Auch viele Nonnenklöster hatten bedeutende Schreibstuben und dort die Möglichkeit, farbenfrohe und kreative Malereien zu realisieren, zuweilen sogar mit vermeintlichen Selbstportraits.
Mit beeindruckender malerischer Wucht und enormem Selbstbewusstsein geht es weiter, wenn die Judith-Darstellungen von Fede Galizia und Lavinia Fontana in den Blick genommen werden. Judiths Sieg über den tyrannischen Feldherrn Holofernes hatte für viele Malerinnen symbolische Bedeutung und wurde auch einige Male von Artemisia Gentileschi in Szene gesetzt. Auch hier findet Artemisia Gentileschi ihren Platz, allerdings mit einer Malerei zu einer anderen Frau, die zu den großen Persönlichkeiten der Bibel gehört: Maria Magdalena.
Schon einige Male wurde Judith Leyster aus Haarlem in den Blick des Museums genommen. Hier wird sie mit zwei Werken gezeigt: Einem einfühlsamen Portrait eines jungen Mädchens mit Strohhut und einem durch diverse Spiegelungen beeindruckenden Stillleben. Judith Leyster war schon im Alter von 24 Jahren Mitglied der Malerzunft und bildete Schüler aus. Ihre Malerei zeichnet sich durch einen modernen lockeren Pinselstrich aus, der unter anderem von Frans Hals beeinflusst ist, und sogar schon mit ihm verwechselt wurde.
Der lockere Pinselstrich wird Programm, nähern wir uns dem weiblichen Impressionismus, der durch die Augen von Berthe Morisot, Mary Cassatt und Marie Bracquemond gesehen wird. Die „Drei Frauen mit Schirmen“ stammen aus dem Musée d’Orsay und beziehen sich im Untertitel auf das mythologische und ikonografische Motiv der drei Grazien. Die reizvolle Verbindung von Kunstgeschichte und Moderne bezeugt das (kunst)historische Interesse und die (autodidaktische) Vorbildung der Malerin, die vornehmlich in Museen, wie dem Louvre, stattgefunden haben.
Natürlich findet auch Sophie Taeuber-Arp ihren Platz. Obwohl in ihrem Heimatland, der Schweiz, so geschätzt, dass ihr Konterfei lange Zeit die 50-Franken-Note zierte, stand sie doch oft im Schatten ihres Gatten Hans Arp. Ebenso erging es ihrer Freundin Sonja Delaunay, deren Mann, Robert Delaunay, lange Zeit der bekanntere war. Auch Gabriele Münter verschwand viele Jahre hinter ihrem Lebensgefährten Wassily Kandinsky, dabei war sie eigenständiges Mitglied der Neuen Künstlervereinigung München (N.K.V.M.) und des Blauen Reiters. In den letzten Jahren wurde begonnen, diese Künstlerinnen ins (rechte) Licht zu rücken. Heute genießen sie als wegweisende Avantgardistinnen immer größer werdende Bekanntheit.
Und so erwartet den Besucher und die Besucherin ein genauer Blick aus einer anderen, nämlich der weiblichen Perspektive. Auf diese Weise mehrere Jahrhunderte der Kunst zu betrachten, öffnet die Augen und hält die ein oder andere Überraschung bereit.
Bild: das Mädchen mit Strohhut von Judith Leyster, Public domain, via Wikimedia Commons
8. März 2024 || ein Beitrag von Judith Graefe, Akademiereferentin Erkundungen
Maestras. Malerinnen 1500–1900
bis zum 16.6.2024 zusehen im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Hans-Arp-Allee 1 in 53424 Remagen
Jede und jeder kann den Frauentag dazu nutzen, gegen die Ungleichbehandlung von Frauen vorzugehen.