Wie ein verwunschener Winkel | Ein Besuch im Atelier des Künstlers Egbert Verbeek in Bonn
Wenn man den Künstler im Bonner Melbtal aufsucht, kommt man zunächst in einen weder wilden noch aufgeräumten Garten. Man wird neugierig und hat ziemliche Lust, weiterzugehen, zu schauen, zu riechen und die gedämpfte Farbigkeit zu genießen. Dieser Auftakt mit üppiger Natur am Rande der Stadt ist das pure Leben, hat etwas Labyrinthisches und spricht auch die Sinne voll an. Aus dieser Genusszone sind es wenige Schritte bis ins Atelier und zu einem Ausstellungsraum. Auch wenn der jünger wirkende Künstler sich gut auf Skulptur versteht und als Bildhauer bedeutende Werke geschaffen hat, wird einem doch sofort klar, dass sein künstlerischer Schwerpunkt in Sprache, Inhalt und Anzahl die Malerei, das Bild ist.
Der 1953 in Bad Honnef geborene Künstler lebt seit 1954 in Bonn und hat als Schüler schon gemalt. Seit 1976 arbeitet er freischaffend als Bildender Künstler. Kunst und Kultur wurden ihm sozusagen in die Wiege gelegt, ist er doch fünfter Sohn der Schriftstellerin Helma Cardauns und des Rheinischen Landeskonservators Albert Verbeek. In einem kulturvollen Haus erfuhr er früh vielfältige Anregungen aus der Kunst und aus der Natur. Gerne besuchte er auch das Museum König in Bonn, vor dem sich seine große Skulptur „Schlangenkönig“ befindet. Nach dem Abitur schuf er während des Zivildienstes schon als eine erste große Arbeit das Altarbild (1974/75), welches sich jetzt im Newmanhaus (Bonn) befindet. Ein Studium der Physik, Germanistik, Philosophie an der Uni Bonn brach er ab und widmete sich ausschließlich der Kunst (Malerei, Grafik und Skulptur). Seit 1976 arbeitet er freischaffend als Bildender Künstler. Mit zahlreichen Förderungen und Stipendien bedacht, war er 1993 auch Gastkünstler in der Villa Romana in Florenz.
Was macht das Wesentliche seiner Kunst aus? Seine nicht auf den ersten Blick erfassbaren Bilder sprechen Sinne, Gefühle, Gedanken, Erinnerungen, Erwartungen und Befindlichkeiten an, sie haben vor allem eine spirituelle Dimension. Der Künstler sagt: „Es erschließen sich Geheimnisse“. Auch wenn Egbert Verbeek mehrere großformatige Altarbilder geschaffen hat (z. B. neben dem Bonner Bild im Newmanhaus auch das Altarwandtriptychon 1994 für die Krypta von St. Antonius in Düsseldorf-Oberkassel und das Wandelbild in der Kapelle des Priesterseminars Paderborn) ist er nach eigenen Worten “kein religiöser Maler“. Seine Themen werden durchgeistigt, seine Werke sind aus dem Glauben erwachsene authentische Eigenschöpfungen zwischen Tradition und Innovation, mit christlicher Ikonografie und autonomer Handschrift.
Die meist sehr stillen figurenlosen Kompositionen seiner Gemälde leben von Motiven wie Wasser, Architekturen, Stufen, Kuben, Tunneln, Mauern, Licht, Vanitas-Symbolen, Stillleben, Esswaren und Himmel. Ein bevorzugtes Motiv ist das Labyrinth, das ja Verwirrung und Einsamkeit, Orientierungslosigkeit und Gefängnis ausdrücken kann, aber auch auf die Stärken des Menschen bei der Überwindung dieses Irrgartens verweist. Seine Labyrinthe erscheinen nicht ausweglos, die Stufenwege nicht ziellos, die Throne nicht ohne Funktion. Das Wasser, Leben erhaltend und Leben zerstörend, ist mal unendlich, mal wird es von Mauern begrenzt. Die menschenleeren Gebäude, die unendlichen Fluten, die kalten grauen Farben sind nicht einladend. Steigt oder sinkt das Wasser, wird der Himmel dunkel oder hell?
Wasserwüsten oder andere Zustände, die menschliche Existenz in Frage stellen, sind Verschlüsselungen für den Wellengang des Lebens, das Verbeek in vielen unterschiedlichen Metaphern – von der markanten Landschaft bis zur tristen Nature morte – ausdrückt. Die Bilder spiegeln Realität und Spiritualität, nie sind sie nur trostlos. Es sind keine Werke der Zerstreuung oder Ablenkung, sondern Konzentrate zu Lebensfragen, zu Ängsten und Hoffnungen, zu Vergangenheit und Zukunft, – und damit zum Jetzt. Die Kunst von Egbert Verbeek lebt nicht von Narrativen, sondern sie lebt von künstlerischen Visionen und von Assoziationen, über die der Betrachter befindet.
Professor Zehnder stellt Ihnen weitere Künstler aus der Region und ihr Werk vor.
Bildnachweis
Eva Pöll-Verbeek, VG Bildkunst
12. Oktober 2022 || ein Beitrag von Prof. Dr. Frank Günter Zehnder, Kunsthistoriker, Direktor der Internationalen Kunst-Akademie Heimbach