Wo ist Philipp Neri? Eine Bensberger Miszelle zum Namenstag des Heiligen
Goethe nannte den am 26. Mai 1595 in Rom verstorbenen Philipp Neri einen „humoristischen Heiligen“. Spott und Neid hatte dieser mit Freude über die Freude der Anderen ertragen und sich Zeit seines 80-jährigen Lebens als heiterer Multiplikator von Caritas und Beten betätigt. Wie Franz von Assisi, Alfons Maria von Liguori und Johannes Bosco zählt Philipp Neri zu den vielen italienischen Ordensgründern, die eine besondere Begabung im Umgang mit dem Laienvolk hatten. Die außerordentliche Popularität des Gründers der Oratorianer ist allein an der Wahl des Ordensnamens abzulesen – dieser Name war Programm. Krankenpflege, Rat und geistliche Übungen, die Philipp den in Rom bei ihm Zusammenströmenden angedeihen ließ, waren von fröhlicher Musik und Gesängen in der Volkssprache begleitet. Von diesen „Oratorien“ leiten sich die musikalisch-geistlichen Gesänge, wie wir sie in den großartigen Werken beispielsweise eines Johannes Sebastian Bach erleben können, ab. Philipp Neri war derart erfolgreich in seiner empathischen Affinität zur Einzelseele, dass an seinen Übungen nicht nur einfache Laien, sondern auch Priester und Menschen aus den höchsten Kreisen des römischen Hofes teilnahmen.
Philipp Neri wirkte fast zeitgleich und ebenso in Rom wie die 1534 gegründete Missionsgemeinschaft der Jesuiten, die sich der Gegenreformation freilich unter wesentlich strengeren, zuchtvolleren Vorzeichen widmete. Der erste Provinzialobere der Jesuiten in Deutschland war Petrus Canisius, der als achtes Mitglied der Gemeinschaft bereits 1544 in Köln mit Petrus Faber – Mann der allerersten Ordensstunde um Ignatius von Loyola – zusammengekommen war. Damit hatte sich in Köln die früheste Jesuitenkommunität in Deutschland begründet. Nach Aufhebung des Jesuitenordens 1773 wurde das Kölner Kolleg zunächst weiter als Schulgebäude des städtischen Dreikönigsgymnasiums genutzt, dann aber, 1827, umgewidmet zum Priesterseminar. Patron des Seminars wurde der bei Laien und Klerus gleichermaßen beliebte, fröhliche Hirte Philipp Neri. Womit wir nun im Pingpong zwischen Petrus Canisius und Philipp endlich auch nach Bensberg kämen!
Denn: Im Jahr 1929 zog das Kölner Priesterseminar vom mittlerweile verkehrsumtosten Standort in der Marzellenstraße ins beschauliche und grüne Bergische Land. Am 27.04.1926, also am Festtag des Hl. Petrus Canisius, erfolgte in Bensberg der erste Spatenstich zum neuen Seminargebäude auf dem Bockenberg. Es ist das heutige Kardinal-Schulte-Haus. Auf Petrus Canisius – das Bensberger Seminar hatte den Mann der ersten Kölner Jesuitenkongregation zum Patron erhalten – wurde das Gebäude 1929 benediziert und der Seminarbetrieb aufgenommen. Neben dem neuen Patron kam der alte, Philipp Neri, immerhin in einem gemeinsamen Nebenaltar der Seminarkapelle zu weiteren Ehren.
Die Bensberger Seminarkapelle von 1929 (heute Konferenzsaal K1 im Kardinal-Schulte-Haus) war ein langgestreckter Saal mit eingezogenem, leicht querrechteckigem Chor, welcher beidseitig von den damals üblichen Nebenaltären flankiert wurde: ein Marienaltar links und ein Nährvater-Joseph-Altar rechts, so wie es der Vorstellung des barocken Jesuitentums entsprach, dass die Allerheiligste Trinität in der Heiligen Familie und in der Anordnung von Haupt- und Nebenaltären einer Kirche ihre irdischen Parallelen fände. An die volle Länge des Saalbaus grenzte ein niedriger, in der Abbildung nicht einsehbarer Annex mit dem Petrus-und-Philipp-Altar an. Den Altar zierten Skulpturen der beiden Heiligen. Alle plastischen Arbeiten in der Kapelle fertigte der in Bonn tätige Bildhauer Karl Menser, von dem auch die Erzengel-Michael-Figur am Aufgang zum Kardinal-Schulte-Haus stammt.
1948 wurde die alte Seminarkapelle unter Erzbischof Josef Kardinal Frings umgebaut. Die Altäre verschwanden und es wurde ein neuer Zelebrationsaltar für die Messfeier versus populum eingerichtet. Vom Hauptaltar hat sich lediglich das Gussmarmorrelief der Aussendung der Apostel erhalten. Es befindet sich heute in der ehemaligen Vorhalle zur Seminarkapelle gegenüber dem großen Speisesaal. Die heilige Familie aber steht neben weiteren Ausstattungsstücken des Seminargebäudes von 1929 – so ein großer Billardtisch, Schränke etc. – in den Werkstattkellern der Hausmeisterei des Kardinal-Schulte-Hauses. Es wäre schön, nein dringlich, dass diese Stücke von dort geborgen und wieder einer würdigen Aufstellung zugeführt würden! Von den marmornen
Skulpturen Philipp Neris und Petrus Canisius‘ aber fehlt jede Spur. Lediglich in den originalen Glasfenstern von Alfred Gottwald im Haupttreppenhaus sind die beiden noch zu finden.
Titelbild: gemeinfrei
Bilder im Text: M. Juraschek-Eckstein sowie Historisches Archiv des Erzbistums Köln
26. Mai 2020 || ein Beitrag von Markus Jurascheck-Eckstein, Kunsthistoriker und Germanist