Joseph Mallord William Turner (1775-1851) | Krieg. Das Exil und die Napfschnecke, 1842

 

Als Turner dieses Bild 1842 erstmals ausstellt, wird es umgehend als absurd kritisiert. Und das trifft – wenngleich ungewollt – ins Schwarze. Denn dieses Gemäldes ist eine Meditation über die Absurdität jedweder Weltmacht-Phantasie. Turner illustriert auf die ihm so eigene farbmächtige Weise das zeitlose, weil sich ständig wiederholende Drama des Krieges, für das Napoleon hier zur Symbolfigur wird.

Ohnmächtig ist er nur mehr eine kleine einsame Gestalt inmitten einer verwüsteten Welt. Bewacht von einem einzigen Marineinfanteristen steht der Verbannte mit verschränkten Armen vor einer tümpelhaften Wasserfläche, die seine ferne Gestalt unscharf widerspiegelt, versunken in den Anblick einer, wie es der Titel verrät, Schnecke.

Umgeben ist der einstige Weltenherrscher von einer albtraumhaften Szenerie, die von einer untergehenden Sonne in ein Meer von Blut, a sea of blood, wie es Turner selbst formuliert, getaucht wird. Zudem weitet sich die Darstellung zum rechten Bildrand hin in eine neblig-trübe Trümmerlandschaft: Sinnbild für die universelle Grausamkeit, die Machtbesessene wie Napoleon zu verantworten haben – einst wie gegenwärtig.

Denn wieder einmal wird das Denken und Fühlen der Menschen weltweit bestimmt, nein: regiert von Propaganda-geschürter Angst. Und deshalb muss sie kommen, die Frage des Cicero: Wem zum Vorteil? Cui Bono?

Und diese Frage führt die Nachdenklichen zu denen, die jede Forderung nach Austausch und Besinnung, nach Frieden und Gerechtigkeit niederbrüllen, führt zum Maschinenraum des geopolitischen Wahnsinns, dem wir Weltbürger wieder einmal ausgesetzt sind, führt in eine Welt, in der Widersinn zum Prinzip geworden ist, verlängert in eine nihilistische Endzeit-Leere, vor der auch er hier, Napoleon Bonaparte, zu stehen scheint.

1840, kurz bevor Turner dieses Bild malt, kehrt Napoleon nach Frankreich zurück – als Leichnam, um im Pariser Invalidendom seine letzte Ruhestätte zu finden und erneut zum Helden zu werden. Darauf reagiert Turner mit diesem Gemälde, das den Helden schlichtweg verweigert (vgl. Monika Wagner: William Turner, Beck 2011, 69 ff.).

Ihnen und Ihre Lieben alles Gute und uns allen friedlichere Zeiten.

Bildnachweis:

In our article, the art historian Olaf Mextorf describes the picture. We have included the image here for better visualization.
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Joseph Mallord William Turner (1775-1851) | Krieg. Das Exil und die Napfschnecke, 1842
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War. The Exile and the Rock Limpet exhibited 1842 Joseph Mallord William Turner 1775-1851 Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856 http://www.tate.org.uk/art/work/N00529

21. Dezember 2024 || ein Beitrag von Olaf MextorfKunsthistoriker