Rosenkranz und Güldenkron- Wie Köln zu seinem Münzrecht kam

Am Festtag Mariä Geburt, also am 8. September 1474 gründete der Prior des Kölner Dominikanerklosters, Jacob Sprenger, eine Bruderschaft zu Ehren des heiligen Rosenkranzes. Die neu gegründete Laien-Gebetsgemeinschaft zeichnete sich gegenüber den rund einhundert anderen Kölner Bruderschaften vor allem durch zwei Eigenheiten aus. Zum einen stand sie allen offen. Es mussten keinerlei Eintrittsgebühren oder feste Beiträge für eine Mitgliedschaft bezahlt werden, es genügte der persönliche Eintrag in das am Rosenkranzaltar des Kölner Dominikanerklosters ausliegende Bruderschaftsbuch. So waren Menschen aller Stände, und vor allem die Unvermögenden und Armen, sowie gleichermaßen Männer wie Frauen, zugelassen. Zum anderen besaß die Kölner Rosenkranzbruderschaft keinerlei Funktionsträger und verzichtete auf gemeinschaftlich auszurichtende Gottesdienste oder das sonst übliche gemeinsame Bruderschaftsmahl. Die Teilhabe war lediglich durch wöchentlich frei und individuell einzurichtendes Beten mindestens eines Psalteriums, bestehend aus 150 Ave Maria und 15 Pater Noster, zu leisten. Wurde dies aus welchen Gründen auch immer versäumt, so folgten daraus keinerlei Konsequenzen, außer, dass der oder die Betreffende in der „czeit, in welcher er die rosen krentz nit gebetet hat, nit teyllhafftig wirt des gebetes der anderen brüder und schwester“.

Die Forschung sah in den Reglements der Kölner Rosenkranzbruderschaft hintergründig eine Stärkung der individuellen und disregulierten Glaubenspraxis, wie sie ausgehend von der mystischen Frömmigkeit Meister Eckhardts oder Thomas a Kempis‘ im 14. Jahrhundert entwickelt worden war. Tatsächlich kann man in der Bruderschaft als ganzer aber auch ein Instrument der Disziplinierung und der kollektiven Mobilmachung der Bürger gegen den amtierenden Erzbischof und für die obersten Gewalten von Kirche und Reich entdecken, wie es hier mit Blick auf die mit ihrer Gründung in Zusammenhang gebrachten historischen Ereignisse geschehen soll.

Der Kölner Historiograph und spätere Weihbischof von Osnabrück, Aegidius Gelenius, berichtet von diesen Zusammenhängen in seinem 1645 erschienenen Werk „De admiranda sacra et civili magnitudine Coloniae“ (Von der bewundernswürdigen heiligen und bürgerlichen Größe Kölns). Zwei hohe Vertreter des Kölner Rates hätten in einer Zeit höchster politischer und militärischer Bedrängnis von Stadt und Bürgerautonomie bei Jacob Sprenger im Dominikanerkonvent vorgesprochen und ihn um Rat gebeten, wie der Höchste zu versöhnen und jene Gefahren abzuwenden seien. Des Priors Antwort war die Gründung der Rosenkranzbruderschaft. Was lag damals vor?

1473 hatte Kaiser Friedrich III. den Kölner Erzbischof Ruprecht von der Pfalz abgesetzt. Der Kölner Oberhirte hatte sich zuvor in einen tiefen Konflikt mit dem Domkapitel und den freien Landständen begeben, so, als er militärisch die Rückeroberung der freien erzstiftischen Städte Soest, Xanten und Rees zu Gunsten des Erzstuhls intendierte. In Reaktion auf diese Politik, die auch die Autonomie des Kölner Domkapitels beschnitten hätte, wählte das Kapitel Landgraf Hermann von Hessen zum Koadjutor des Erzbistums. Ruprecht von der Pfalz verbündete sich daraufhin mit Karl dem Kühnen von Burgund, welcher wiederum gegen den amtierenden französischen König Ludwig XI. ein großburgundisches Reich zu gründen suchte. Der Kölner Erzbischof versprach Karl die freien Städte Neuss und Köln, wenn er ihn in seinem Kampf gegen das Kölner Domkapitel und die Landstände unterstützte. Er versprach ihm also letztlich die Ausweitung der burgundischen Herrschaft über gesamt Kurköln. Damit hatte Erzbischof Ruprecht sich faktisch Karl dem Kühnen unterstellt und sich zudem in schärfste Opposition zum Römischen Kaiser gebracht. Denn der Kaiser sah in den Territorien der rheinischen Kurfürsten die bedeutendsten Teile seiner Herrschaft. Den drohenden Verlust eines solchen Gebietes konnte er in keiner Weise hinnehmen, da mit dem „Verkauf“ Kurkölns an eine ausländische Macht auch dem Einfluss Burgunds oder gar Frankreichs auf die Wahl des künftigen römisch-deutschen Herrschers Tor und Tür geöffnet worden wäre.

Abb. links:Hans Burgkmair d.Ä.: Friedrich III., nach verlorenem Original 1468, gemeinfrei
Abb. rechts: Rogier van der Weyden (zugeschrieben): Karl der Kuehne, um 1460, gemeinfrei

Köln befand sich zur Zeit dieser Bedrohungen auch wirtschaftlich in prekärer Lage. 1471 war die Stadt aus der Hanse ausgeschlossen worden, weil sie an diesem Handels- und Schutzbündnis vorbei eigene vorteilsnehmende Vereinbarungen mit England getroffen hatte. Die Folge des Ausschlusses war, dass der seit 300 Jahren bestehende, lukrative Englandhandel für Köln komplett zum Erliegen gekommen war. In dieser mehrfach bedrängenden Situation hoffte die Stadt nun auf die Hilfe des Kaisers. Mit Erfolg!

Der Zusammenhang der folgenden und zumindest parallel zur Gründung der Kölner Rosenkranzbruderschaft verlaufenden Ereignisse erhellt sich durch deren Chronologie:

Bereits am 5. Juni 1473 hatte sich die Stadt im Stiftsstreit offiziell auf die Seite des Domkapitels und damit gegen Ruprecht von der Pfalz gestellt. Im Juli desselben Jahres rief Papst Sixtus IV. den auf territoriale Expansion in die Rheinlande drängenden Karl von Burgund zur Zurückhaltung auf. Aber einen Monat später setzte Erzbischof Ruprecht eben jenen Karl zum „Sachwalter“ des Erzstifts ein. Der alarmierte Kaiser suchte daraufhin Köln auf, wo ihm von der Bürgerschaft ein prachtvoller Empfang beschert wurde. Um den Jahreswechsel 1473/74 waren nun Friedrich III. und der in nämlicher Angelegenheit wie der Kaiser in Köln anwesende päpstliche Legat Hieronymus von Fossombrone um Schlichtung des Konflikts mit Ruprecht bemüht. Nach dem Scheitern der Verhandlungen verlieh Friedrich III. am 15. Januar 1474 Köln das Recht, eigene Gold- und Silbermünzen zu prägen. Im Juli richtete die Stadt an den Kaiser ein erstes militärisches Hilfsgesuch gegen den Aufmarsch Karls des Kühnen im Rheinland. Karls am 29. Juli 1474 begonnene Belagerung des ihm Erzbischof Ruprecht überlassene Neuss wurde ein Jahr später, am 5. Juni 1475 durch Friedensschluss zwischen dem Kaiser und dem Burgunderherrscher beendet. Gewichtiger Teil des Abkommens war die Verabredung der Heirat zwischen Karls Tochter Maria und dem Kaisersohn Maximilian.

Die Kölner hatten die Belagerung Neuss‘ durch eine auf der rechten Rheinseite versammelte Truppe von 2.000 Mann Stärke zu sprengen versuch. Dabei führten sie sicher auch solche Banner mit den goldenen Stadtkronen mit zu Felde, wie eines hier aus dem Besitz des Kölnischen Stadtmuseum gezeigt wird. Zum Lohn für die Unterstützung der kaiserlichen Truppen hatte Friedrich III. der Stadt bereits im Mai 1475 einen neuen Rheinzoll verliehen und die Reichsunmittelbarkeit der Stadt nun auf alle Zeiten bestätigt. Die „Krönung“ all dieser Ereignisse sah ihr Historiograph, Aegidius Gelenius, im eigenhändigen Eintrag des römisch-deutschen Kaisers, seiner Gattin Eleonore von Portugal und deren gemeinsamen Sohn Maximilian ins Mitgliederbuch der Kölner Rosenkranzbruderschaft am 08. September 1475.

Meister von St. Severin, Mitteltafel des Triptychons der Rosenkranzmadonna und Ausschnitt, Köln, um 1500, gemeinfrei

Die Authentizität von Gelenius‘ Bericht wird durchaus angezweifelt. Vor allem für die eigenhändige Eintragung der kaiserlichen Familie in das Bruderschaftsbuch gibt es keinen Beleg. Sicher werden Friedrich III. und Maximilian nicht als die Erstmitglieder anzusehen sein, wie Gelenius behauptet, denn ihr Eintrag erfolgte ja seinem Bericht zufolge erst exakt ein Jahr nach Gründung der Bruderschaft. Aber Gelenius‘ Verweis auf das um 1500 entstandene und angeblich vom nunmehr regierenden Kaisersohn Maximilian gestiftete neue Bild des Bruderschaftsaltars scheint die Tatsächlichkeit der Ereignisse zu bestätigen. Das heute in St. Andreas befindliche Gemälde zeigt in allegorischer Form den Gründungsakt der Rosenkranzbruderschaft. Engel halten über die Gottesmutter eine dreifache Krone aus Rosenkränzen, welche in zeitgenössischen Praktiken der Marienverehrung tatsächlich von den Gläubigen getragen wurden. Zu Seiten Mariens knien Papst Sixtus IV. und rechts der mittlerweile verstorbene Kaiser Maximilian III. nebst Familie, zuvorderst der 1475 sechzehnjährige, bildanachronistisch bereits mit römisch-deutscher Königskrone versehene Maximilian. Die am südwestlichen Vierungspfeiler von St. Andreas befindliche spätgotische Rosenkranzmadonna wiederum soll eine Stiftung des an den Verhandlungen von 1474 beteiligten päpstlichen Legaten Hieronymus von Fossombrone sein.

Der eigentliche Verlierer der kölner-kölnisch-burgundisch-habsburgischen Fehde von 1474/75, Ruprecht von der Pfalz, behielt nach der Niederlage zwar seinen Titel als Erzbischof, musste aber auf das Erzbistum verzichten. Noch vor Annahme seines Rücktritts durch den Papst verstarb er und wurde im Bonner Münster beigesetzt. Zum Zeichen seiner Unwürde versah man das erzstiftische Wappen an seinem Hochgrab mit dem sogenannten Bastardfaden: Man strich seinen Anspruch auf das Erzstift also buchstäblich als illegitim aus. Nachfolger Ruprechts auf dem Kölner Erz- und Kurthron wurde Koadjutor Hermann IV. von Hessen.

Abb. links: Meister von St. Severin, Mitteltafel des Triptychons der Rosenkranzmadonna und Ausschnitt, Köln, um 1500, gemeinfrei
Abb. rechts: Die Rosenkranzmadonna in St. Andreas, Köln um 1475,  gemeinfrei

8. September 2020 || ein Beitrag des Kunsthistorikers und Germanisten Markus Juraschek-Eckstein