„Blüthenstaub“ der Frühromantik
„Die Phantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder in der Metempsychose zu uns. Wir träumen von Reisen durch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. — Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich. Jetzt scheint es uns freilich innerlich so dunkel, einsam, gestaltlos, aber wie ganz anders wird es uns dünken, wenn diese Verfinsterung vorbei, und der Schattenkörper hinweggerückt ist. Wir werden mehr genießen als je, denn unser Geist hat entbehrt.“ (Quelle: Novalis: Die Christenheit oder Europa und andere philosophische Schriften, Könemann Verlagsgesellschaft mbH, Köln 1996, Seite 103.)
Fast „gegenwärtig“ sind noch heute die Schriftsteller und Dichter der „Hoch- und Spätromantik“: Achim von Armin, Clemens von Brentano beispielsweise oder später auch Joseph von Eichendorff. Deutlich weniger präsent sind die Dichter und Denker der „Frühromantik“ mit ihren zum Teil komplexen gedanklichen Systemen, die Kultur- und Naturwissenschaften wie selbstverständlich zusammenfügen – allen voran ihr bekanntester Vertreter Friedrich von Hardenberg, genannt „Novalis“.
Historische Veränderungen wie die heraufziehende Industrialisierung oder die gesellschaftspolitischen Folgen der Französischen Revolution mit ihrem in die Zukunft gerichteten Rationalismus und Optimismus führten bei vielen zu einer gefühlten Individualisierung, einer „Vereinzelung“, zu einer Sehnsucht nach dem Aufgehobensein in Gemeinschaft und Glauben. Friedrich Schleiermachers „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ steht beispielhaft für das Sehnen nach Mysterium und Geheimnis der Innenwelt des handelnden Subjektes. Bei Novalis entsteht aus dieser Sehnsucht eine „Universalpoesie“, die die Anhänger des an der Antike orientierten Klassizismus – allen voran Goethe – auf das heftigste ablehnten.
Möglicherweise resultiert aus dieser Haltung die mitunter subjektive Rezeptionsgeschichte der literarischen Frühromantiker; möglicherweise erschließen sich heute die Kronjuwelen der frühen literarischen Romantik – etwa die „Hymnen an die Nacht“, um 1800 von Novalis verfasst – weniger schnell als die Werke der Malerei. „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich, etwa zeitgleich um 1808 entstanden, ist im Unterschied dazu heute eines der bekanntesten Bilder der Romantik.
Prof. em. Dr. Herbert Uerlings wird in seinem Seminar zu „Blüthenstaub und Hymnen“ am 23. und 24. März 2024 die jüngste Forschung zu Novalis, seinem Gedankengut, seiner Dichtung und seiner Person ausrollen. Es wird gelesen, zitiert, verglichen und analysiert. Herzliche Einladung in die Thomas-Morus-Akademie am dritten März-Wochenende! Ich freue mich auf Sie.
23. bis 24. März 2024 (Sa.-So.)
„Blüthenstaub“ und Hymnen
Romantische Poesie, Religion und Politik bei Novalis
Akademietagung Prof. Dr. em. Herbert Uerlings
13. März 2024 || ein Beitrag von Akademiereferentin Felicitas Esser