Arp Museum Rolandseck

Rodin/ Arp – Ein Künstlertreffen im Arp Museum Bahnhof Rolandseck

Viel ist von dem glanzvollen „Ort der Sommerfrische“, wie der Baedeker ihn beschrieb, mit seinen damals 16 Hotels und langen Straßenzügen gründerzeitlicher Villen nicht geblieben. Doch gänzlich still ist es nicht geworden. Das damalige Eisenbahnempfangsgebäude Rolandseck hat seine Bestimmung als Bahnhof zwar aufgegeben, widmet sich aber heute neuen Aufgaben. Es ist nun ein Teil des Arp Museums Bahnhof Rolandseck und als solcher Herberge für Musik und Kunst. Es erzählt seine eigene Geschichte der Entstehung in der Zeit der Industrialisierung und des fauchenden Dampfrosses bis zu seiner heutigen Funktion als Kunst-Schmuckkästchen.

Zur Zeit und noch bis zum 14. November 2021 begrüßt uns dort im Eingangsbereich mit großer Wucht Rodins Denker. Das ganze Museum steht dieses Jahr unter dem Motto „Fantastisch Plastisch“ und präsentiert in mehreren Bereichen des Gebäudekomplexes die Ausstellung „Rodin/ Arp“. Es handelt sich um ein ungewöhnliches Duo – wo ist die Verbindung dieser beiden scheinbar so unterschiedlichen Künstler? Ist nicht der eine „klassisch“ und der andere „modern“? Weit gefehlt. Abgesehen davon, dass die Begriffe „klassisch“ und „modern“ irreführend sind, ist doch die Vorstellung dahinter, dass der eine „gut erkennbare“, also irgendwie „naturalistische“, vielleicht sogar „altmodische“ Figuren und Szenen schafft, während uns der andere oft völlig im Unklaren lässt und meist mit der Ungreifbarkeit seiner Figuren in Atem hält.

Doch Rodin ist moderner, als er auf den ersten Blick scheint. Was zum Beispiel ist mit besagtem Denker passiert? Gehört der nicht triumphierend auf einen Sockel? Schließlich ist er ein Denkmal – oder etwas Ähnliches. Müsste er nicht beeindruckend über allem stehen und seine großen Gedanken der Welt sichtbar machen? Immerhin war er als bekrönende Figur des Höllentores geplant, das ist nun wirklich ein Ort für einen Helden, ihm gebührt der Platz auf dem Sockel. Stattdessen scheint er heruntergestiegen zu sein von seiner Erhöhung. Er setzt sich darauf, krümmt sich, beugt sich. Rodin emanzipiert die repräsentative Figur, sie braucht den Sockel nicht mehr. Der Denker scheint nur für sich allein zu existieren, seine Gedanken gehören ihm und nicht der Welt. Beeindruckend intensiv, irgendwie wichtig ist der Denker, aber kein Denkmal.

Anstoß für diesen Dialog zwischen den beiden heterogenen Künstlern ist eine kleine unscheinbare Granitfigur aus dem Jahr 1938. Sie trägt den Titel „Automatische Skulptur (Rodin gewidmet)“ und wurde dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck aus einer Londoner Privatsammlung geliehen. Und da ist es wieder: Arps Spiel mit Formen, Arps Spiel mit Worten. Und unsere Ratlosigkeit, denn eine befriedigende Entschlüsselung wird uns weder bildkünstlerisch, noch schriftlich im Titel geboten. Was meint er mit „Automatische Skulptur“? Und wo steckt in dieser Figur Auguste Rodin, der Künstler, der so berühmt wurde für Arbeiten wie „Die Bürger von Calais“, „Das eherne Zeitalter“ (ebenfalls zu sehen im Arp Museum Bahnhof Rolandseck) und „Der Kuss“ (auch im Arp Museum Bahnhof Rolandseck). Diese kleine „automatische Skulptur“ erzählt so viel mehr, als ihre Größe vermuten lässt. Sie ist Ausdruck der großen Bewunderung, die Hans Arp für den 46 Jahre älteren Künstler empfand. Sie spricht davon, dass die Formen Rodins etwas Besonderes, Einzigartiges und Wegweisendes sind, weshalb sie ihm im Kopf blieben und sogar in einem „automatischen“ also zum Teil unbewussten künstlerischen Vorgang zum Vorschein kommen. Arp sieht in seiner kleinen Figur Rodins Einflüsse auf ihn und macht mit dem Vergeben dieses Titels deutlich, dass Gemeinsamkeiten einem Betrachter nicht immer ins Auge springen müssen.

Zu einer Beschäftigung mit der Entwicklung von Skulptur und Plastik vom Mittelalter, über das Werk von Rodin und Arp bis in die Gegenwart laden wir Sie herzlich nach Rolandseck ein.

Ein Nachmittag im Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Fantastisch plastisch
Auguste Rodin und Hans Arp
Mittwoch, 29. September 2021, 15.00 bis 17.00 Uhr

Hier finden Sie weitere Informationen.

Bildnachweis:

Auguste Rodin | Der Denker | 1903 | Kunsthalle Bielefeld | Foto: Mark Niedermann

Hans Arp | Automatische Skulptur (Rodin gewidmet) | 1938 | Privatsammlung London | © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Heini Schneebeli

21. September 2021 || ein Beitrag von Judith Graefe, Kunsthistorikerin