Lieblingskirche: Der Hohe Dom zu Aachen
Wenn ich heute die Bischofskirche in Aachen betrete, werden viele Erinnerungen wach, ich bin sofort glücklich. Welch schöne, intensive Momente habe ich erlebt, seit ich als junge Studentin vor mehr als 20 Jahren hier meine erste Führung gegeben habe. Wie beglückend das Gefühl, die Dankbarkeit und Anerkennung der vielen Menschen, die durch meine Ausführungen die Geschichte, Kultur und Spiritualität dieser Stätte ein wenig besser verstanden haben.
Bis heute stellt die Aachener Marienkirche für mich aber auch eine große Herausforderung dar. Sie ist wie ein Fass ohne Boden, die Forschung zu ihren wichtigsten Fragen scheint nie wirklich abgeschlossen zu sein. Immer wieder kamen in den letzten 20 Jahren neue Aspekte zum Vorschein, die alle Gewissheit über den Haufen warfen. Das reizt mich bis heute – als Historikerin, als Kunsthistorikerin und als Mensch. Ich will es endlich wissen, wer hat nun Recht? Wie kann ich umgehen mit dieser so quellenarmen Epoche? Ohne neue Schrift- oder Sachzeugnisse werde ich mich mit den Theorien nicht zufriedengeben. Aber die wird es wahrscheinlich nicht geben. Ich will es aber doch den Menschen heute „richtig“ nahebringen, will sie wirklich zurück versetzen in die Zeit, da diese Kirche entstanden ist, will ihre „wahre“ Bedeutung darstellen.
Nein. Die großen Fragen nach dem Grab Karls des Großen, rund um den Thron und die Bedeutung seiner Spolien wie auch die Funktion und die Signifikanz dieser Stiftskirche und der Hofschule in einer Epoche, da die Menschen sich dem Ende der Zeit nahe wähnten, müssen noch tiefer verstanden werden. Ich bin noch nicht zufriedengestellt. Ich kann das Gefühl, das die Zeit des Frühmittelalters ausmacht, noch nicht gut genug greifen. Ich forsche weiter…
Am Ende bleibt: Sitze ich in diesem über 1200 Jahre alten Bauwerk, spüre ich das besondere Raumgefühl dieses Rundbaus, die Massivität seiner erhabenen architektonischen Baukunst, die den Wissensstand der Baustatiker der Gotik in den Schatten stellt, werde ich ruhig, werde ich andächtig und ehrfürchtig. Ziehe ich mich in meine Lieblingsecke auf der oberen Etage nahe der Orgel zurück, spüre ich den kulturellen und geistigen Lehrauftrag, den dieses erste deutsche UNESCO Welterbe in sich trägt.
Titelbild: © pexels, Brett Sayles
Welche ist Ihre Lieblingskirche? | Unsere Reihe in der Fastenzeit
Kirche besitzen eine hohe Anziehungskraft und meist eine besondere Atmosphäre. Kirchliche Räume wirken und man spürt, dass sie zur Besinnung, zum Innehalten, Nachdenken und Gebet einladen. Sie sind Bauwerke, denen man sich kaum entziehen kann und sie bewegen etwas in einem. Menschen nehmen diese – selbstverständlich individuell verschieden – wahr. Oft gibt es eine besondere Kirche, mit der man etwas verbindet, in der man sich besonders willkommen und wohl fühlt. In der Fastenzeit fragen wir Menschen, die mit der Akademie verbunden sind, nach ihrer Lieblingskirche. Die Beiträge lesen Sie an den Fastensonntagen 2023.
19. März 2023 || ein Beitrag von Melanie Karolzyk, Kunsthistorikerin
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