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Kardinal Woelki zurück im Dienst

„Wenn ich nachdenke, was eigentlich die Grundlage der Führung sein muss, dann ist es die Fähigkeit zum Gespräch.“
Wolfgang Habbel

Bischöfe sind Führungskräfte eines großen Unternehmens, etwa 60.000 Menschen beschäftigt die Katholische Kirche im Erzbistum Köln hauptamtlich. Deshalb müssen sie mit Führungskompetenzen ausgestattet sein. Dazu gehören eben auch sogenannte Soft Skills wie die Schaffung vertrauensvoller Beziehungen und überzeugender Kommunikation, die Herstellung von Glaubwürdigkeit sowie die Fähigkeit zu konstruktivem Konfliktmanagement. Auch die römischen Richtlinien für die Bischofsernennung nennen für das Amt, neben vielem anderen, Dialog- und Kooperationsfähigkeit als Voraussetzungen.

In der Missbrauchskrise wurde offenbar, dass bei vielen Bischöfen bzw. Verantwortungsträgern in der Kirche die Fähigkeit zur Empathie und zur Kommunikation sowie die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen und zu übernehmen ausbaufähig sind. Häufig ist zu hören „dafür war ich nicht verantwortlich, das haben meine Mitarbeitenden zu verantworten“. Doch eine Führungskraft ist auch für die Fehler der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich – sie muss kontrollieren, ob Dinge umgesetzt wurden oder sehen, wo es Änderungsbedarf gibt. Natürlich gelingt dies nicht immer in der Hektik des Alltags und auch Führungskräfte sind nur Menschen, aber es ist das Schicksal von Leitung, sowohl für die eigenen als auch für die Fehler im Unternehmen gerade zu stehen und gegebenenfalls den Platz zu räumen, um einen Neubeginn zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund ist es positiv zu werten und verdient Respekt, dass Rainer Maria Kardinal Woelki während seiner geistlichen Auszeit, Papst Franziskus seinen Amtsverzicht angeboten hat. Ob der Papst diesen annehmen wird, bleibt abzuwarten. In vielen Ländern außerhalb des deutschsprachigen Raums – und eben auch im Vatikan – scheint es wenig Gespür dafür zu geben, wie hoch sich der Reformdruck in den letzten Jahrzehnten bei den deutschen Katholikinnen und Katholiken aufgestaut hat und dass ein „Einfach weiter so“ im Angesicht der Missbrauchskrise nicht mehr toleriert wird.

Der Auftrag des Papstes heißt jetzt erst einmal, dass Kardinal Woelki – wie gestern geschehen – seinen Dienst wiederaufzunehmen hat. Die Herausforderung ist groß für alle Beteiligten. In seinem Brief an die Gläubigen zum Aschermittwoch nimmt der Erzbischof von Köln dazu Stellung. Die nächste Zeit sei für ihn eine Zeit des Zuhörens und Zugehens auf die Menschen. Ihm liege daran, „miteinander Räume zu betreten und zu gestalten, in denen wir uns ehrlich begegnen, einander zuhören und in denen wir gemeinsam die Möglichkeiten ausloten, wie es in unserem Erzbistum ‚gut‘ weitergehen kann.“ Es passt gut zum Aschermittwoch und zum Beginn der Fastenzeit, zu einem Neubeginn aufzurufen. Ist es doch die Zeit der Umkehr und Wandlung. Dazu gehört es, Menschen und Prozessen noch einmal eine Chance für Veränderung zu geben.

Um einen Neuanfang zu ermöglichen und eine weitere Spaltung zu verhindern, sollte Kardinal Woelki aktiv auf die Menschen und Gremien in unserem Erzbistum zugehen, wirklich dialogisch sein und Veränderungen zulassen. Weihbischof Steinhäuser hat in seiner Aufgabe als Apostolischer Administrator in den letzten Wochen gezeigt, wie Vertrauen wiederaufgebaut werden kann. Das vom Papst und Kardinal Woelki immer wieder vorgebrachte „Zuhören“ ist dafür in der Tat eine wichtige Voraussetzung, reicht aber nicht. Aus dem aktiven Zuhören muss ein ernsthafter Dialog erwachsen – auch mit den kritischen Geistern, die übrigens die Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland darstellen, auch wenn immer wieder von „Veränderungsunwilligen“ versucht wird, diese Mehrheit als Minderheit zu marginalisieren. Zu einem ehrlichen und ernsthaften Dialog gehört die Bereitschaft, sich überzeugen zu lassen. Wer meint, alles Wissen schon zu besitzen, ist eben nicht offen für die prophetische Gabe anderer Zeitgenossen oder den Heiligen Geist. Zuhören wird somit nur zu einer Hinhaltetaktik, die die meisten nicht mehr gewillt sind hinzunehmen; zu viele Prozesse haben die engagierten Menschen in unserem Bistum schon mitgemacht, ohne dass sich wirklich ernsthaft irgendetwas verändert hat.

Hoffen wir, dass schnell Zeichen der Wandlung und Veränderung sichtbar werden, damit nicht noch mehr der Kirche den Rücken kehren, sondern dass sich anstatt Frustration, Resignation und Wut wieder Hoffnung Bahn brechen kann.

Ein erstes sehr wichtiges Zeichen könnte sein, dass auch unser Erzbistum endlich den Menschen von #outinchurch zusichert, dass ihnen keine Kündigung droht und sich für ein verändertes Arbeitsrecht stark macht bzw. entsprechende Änderungen umsetzt. Durch die Aktion ist deutlich geworden, wie drängend eine solche Veränderung für eine Kirche ohne Angst ist.

3. März 2022 || ein Beitrag von Andrea Hoffmeier, Akademiedirektorin