Wo ist eigentlich Karin Dierkes?
Als Studentin habe ich in den Semesterferien 3 Monate in Washington DC auf die dreijährige Ann aufgepasst. Im August fuhren wir eine Woche nach North Carolina zu einem Familientreffen: Martha und Burt, die Großeltern von Ann, haben wie jedes Jahr eingeladen zu einer Woche am Strand und es kamen ihre 4 Kinder und deren Familien. Frank, der Vater von Ann, hatte mir wenig vorher erzählt und das war auch nicht nötig. Alles ergab sich vor Ort, an dem die Familien zusammen kamen; die Woche verging wie im Flug, es war Platz für alle und Aufmerksamkeit für beide Großeltern, 4 Kinder, 3 Schwiegereltern, 7 Enkelkinder und mich. Die Woche war phantastisch und ich habe meiner Familie später begeistert davon erzählt.
Meine Eltern haben die Idee eines „Großfamilienurlaubs“ aufgegriffen und laden seither ihre Familie zu einer solchen Woche ein. Und es kommt eine wachsende Schar aus allen Himmelsrichtungen! In diesem Jahr treffen wir uns in Oostkapelle in den Niederlanden, in einer großen umgebauten Scheune. Erwartet werden meine Eltern, ihre 3 Kinder, 3 Schwiegerkinder, 9 Enkel mit 5 Partner:innen, 2 Urenkel und ein Hund. Es gibt auch hier vorher nicht viel zu erzählen, denn alles ergibt sich vor Ort.
Dabei gibt es ein paar, in den Jahren gewachsene und lieb gewordene Traditionen: Jede Familie und die „Jugend“ sind je einmal für das Kochen am Abend für alle verantwortlich. Beim Frühstück wird geklärt, wer abends den Hut aufhat, wer unterstützt, einkauft, Tisch deckt. Während des Tages heißt es „Offene Küche“, wer hungrig ist, schneidet Obst für ein Müsli, kocht ein paar Nudeln, holt Fisch von der Bude oder wärmt Reste des Vortages auf.
Dann gibt es die Tradition der „Angebote“ – Ich gehe ins Freibad, wer kommt mit. Wir gehen eine Runde am Meer laufen, wer hat auch Lust. Ich will eine große Sandburg bauen, wer baut mit. Oma und Opa fahren in einen kleinen Ort zum Kaffee trinken, wer fährt mit. Ich will Minigolf spielen, wer spielt mit? Ich fahre in eine Ausstellung nach Amsterdam, wen interessiert das auch? Abends nach dem gemeinsamen Essen werden Karten- und Brettspiele für große und für kleinere Runden ausgepackt, Bücher und Zeitungen werden gelesen und Gespräche entstehen hier und da und überall. Es ist ein Jubel und Trubel, ein Reden und Zuhören, Staunen und Schwingen, Tanzen und Singen.
An einem Abend der Woche gehen alle ans Meer für das traditionelle Gruppenbild, das keiner wirklich gerne machen will, das aber alle später wirklich gerne haben, aufhängen, aufstellen, in den Jahresrahmen der Familie aufnehmen möchten. Das Bild erzählt in einem Augenblick das Jahr, wer ist da, wer fehlt, wer kommt dazu, wie jung wir damals waren …. Inzwischen gibt es über 20 dieser Gruppenbilder und sie sind ein wahrer Schatz.
Am Ende der Woche wird die Woche für das folgende Jahr bestimmt. Immer abwechselnd kümmern inzwischen wir drei Geschwister uns um Haus, Anzahlung, Abrechnung, Kommunikation – und alle halten den Termin der nächsten Großfamilienwoche in ihren Kalendern heilig.
9. August 2021 || ein Beitrag von Karin Dierkes, Referentin für Theologie und Philosophie