Auf ein Wort mit … Dr. Gabriele Pieke

Liebe Frau Dr. Pieke, am 5. und 6. August 2023 taucht die Thomas-Morus-Akademie Bensberg ein in die Welt der Mumien, Pharaonen und Pyramiden. Sie sind mit einem Vortrag über Howard Carter und das Tal der Könige dabei und eröffnen Einblicke in die Fundgeschichten der Pharaonengräber. Jahrtausende alt ist diese Kultur und seit Jahrhunderten ist die Begeisterung für alles „Alt-Ägyptisches“ ungebrochen.

Was macht den bis heute spürbaren Zauber des Alt-Ägyptischen aus? Es wird nicht nur das Gold und das Alter der Kultur sein…

Was die altägyptische Kultur anbelangt, haben wir das große Glück, dass sich ganz viele unterschiedliche Dinge erhalten haben. Natürlich gibt es viele Tempel und Gräber oder auch legendäre Goldfunde, aber anders als in den meisten antiken Kulturen, finden wir auch ganz alltägliche Gegenstände gut erhalten, wie etwa Mobiliar oder Kleidung. Dies erleichtert den Zugang zu dieser antiken Kultur und bringt sie uns nah. Für mich persönlich ist es aber auch die hohe handwerkliche und ästhetische Qualität von Statuen oder kunsthandwerklichen Objekten, die mich immer wieder fasziniert.

Wer waren die Menschen, die in den großen Gräbern bestattet wurden? Was weiß man über sie?

Wir haben natürlich das Glück, dass die alten Ägypter alles wie wild beschriftet haben und in der Mehrzahl der Fälle gut bekannt ist, welchen Namen der Tote hatte und welche Funktion er einst in der Gesellschaft gespielt hat. Das, was man als Tourist heute besichtigt, oder auch in Museen ausgestellt ist, spiegelt jedoch die Oberschicht des Landes, die sich große Gräber und reiche Bestattungen leisten konnten. Neben dem König und seiner Familie sind dies die hohen Beamten und Priester, die das Land organisatorisch gelenkt haben.

Von den reichen Menschen des Ägyptischen Reiches ist also viel bekannt. Aber wie sieht es mit „den anderen“ aus? Wie wurden diese beigesetzt? Was weiß man heute noch über die, deren Leben nicht umgeben von Gold und Pracht war?

Die Überlieferungen der großen anonymen Masse an Menschen sind leider bisher deutlich schlechter erforscht, und wir wissen von ihnen weit weniger als von der Oberschicht des Landes. Aber durch Siedlungsgrabungen kennt man mittlerweile die Lebensumstände auch von einfacheren Schichten. Deren Bestattungen sind deutlich einfacher, meist haben sie sich in der Nähe von großen Grabanlagen im Sand verscharren lassen. Aufgrund des Klimas in Ägypten erhält sich immerhin das Skelett und so hatten auch diese Menschen die Hoffnung auf eine körperliche Weiterexistenz im Jenseits.

Nicht grundlos stammen viele der Funde, die heute die Museen füllen, aus Gräbern. Welchen Stellenwert hatte das Jenseits für die altägyptische Welt?

Unser heutiger Blick auf die altägyptische Kultur lässt uns denken, dass die Menschen damals nichts anderes im Kopf hatten, als für ihr Jenseits zu sorgen. Allerdings hat das auch was mit der Forschungslage und dem Erhaltungszustand zu tun. Die Gräber sind wie die Tempel aus Stein und für die Ewigkeit gebaut. Sie liegen im trockenen Areal und haben sich über tausende von Jahren gut erhalten. Die Wohnhäuser hingegen waren aus Lehmziegeln gebaut und lagen dort, wo die Menschen heute noch wohnen, direkt am Nil. Dadurch sind viele antike Siedlungen entweder durch das Grundwasser zerstört oder überbaut.

Nichts desto trotz hatte aber die Jenseitsversorgung einen großen Stellenwert in der altägyptischen Gesellschaft, und wer es sich leisten konnte, hat viele Ressourcen in den Bau eines Grabes und die Anfertigung von Grabausstattung in Form von Särgen, Totenbuch-Papyri, Mobiliar, Keramik, wohlriechenden Salben und vieles mehr gesteckt. Immerhin sollte all das ja das ewige Leben ausstatten.

So viele Jahre haben Archäologen schon daran gearbeitet, die ägyptischen Rätsel zu lösen. Wie sieht es mit der aktuellen Forschungsarbeit aus? Wo liegen die „letzten Geheimnisse“ des alten Ägyptens?

Ach, das ist eine gute Frage. Wir wissen heute sehr viel über die verschiedenen Aspekte der altägyptischen Kultur. Seit nunmehr 200 Jahren können wir die Hieroglyphen lesen und haben daher Zugang zu der reichen Schriftkultur der Ägypter. Aber es gibt trotzdem noch ganz vielen Dinge, die wir nicht kennen oder nur rudimentäre Vorstellungen davon haben. So wissen wir beispielsweise bis heute nicht wo alle Pharaonen bestattet wurden, und zu einigen Zeiten der langen Ägyptischen Geschichte, den sogenannten Zwischenzeiten, ist unser heutiger Kenntnisstand extrem gering. Da fehlt es an historischen Quellen aber auch an Funden in Form von materieller Kultur. Zudem sind Friedhöfe wie etwa Saqqara, da wo sich die älteste Pyramide der Welt befindet, noch nicht mal zur Hälfte ausgegraben. Von daher gibt es noch für viele kommende Forschergenerationen ganz viel Neues zu entdecken.

Liebe Frau Dr. Pieke, ganz herzlichen Dank für das Gespräch! Wir freuen uns schon sehr auf die Tagung „Pharaonen, Hieroglyphen, Pyramiden“ in der Thomas-Morus-Akademie.

Das Interview führte Judith Graefe, Akademiereferentin Erkundungen.

Akademietagung
Pharaonen, Hieroglyphen, Pyramiden
Die bleibende Faszination des alten Ägypten
5. bis 6. August 2023 (Sa.-So.)

Pyramiden, Pharaonen, großartige Grabfunde mit Mumien und Goldschätzen sowie die Landschaft am Nil … Von der altägyptischen Kultur geht bis heute eine ungebrochene Faszination aus. Der Reiz ihrer Artefakte liegt unter anderem in ihrem hohen Alter und guten Erhaltungszustand, in der strahlenden Farbigkeit, in der klaren Formen- und wiedererkennbaren Bildsprache und in der monumentalen Wirkung selbst kleinster Objekte.

Forscher und Ausgräber wie Heinrich Schliemann oder Howard Carter versuchten die letzten Geheimnisse dieser Kultur zu erschließen, Sammler holten zahlreiche Objekte in private und öffentliche Sammlungen – ohne Rücksicht auf Besitzansprüche der einheimischen Bevölkerung, Künstler reisten nach Ägypten, um dieses Land und seine Geschichte direkt zu erleben.

Was fasziniert noch heute an dieser Kultur? Was wissen wir von der Religion, der ägyptischen Götterwelt, vom Pharaonenkult und den Jenseitsvorstellungen im alten Ägypten? Welche Bilder prägen noch bis heute unsere Vorstellungswelt?

Zu einer Beschäftigung mit der bleibenden Faszination des alten Ägypten laden wir Sie herzlich nach Bensberg ein.

Referent/in:

Annika Felten
Dr. Gabriele Pieke
Dr. Karin Rhein
Dr. Nadja Tomoum
Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner

Einmal im Monat erscheint „Auf ein Wort mit…“ und stellt interessante und engagierte Personen vor, mit denen die Akademie auf unterschiedliche Weise verbunden ist. Gesprochen wird über Gott und die Welt, über Kunst und Kultur, über Aktuelles aus Gesellschaft und Kirche ….

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16. Juli 2023 || ein Gespräch mit Dr. Gabriele Pieke, Leiterin der Abteilung Antike und Medien bei den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Sie hat zahlreiche Ausstellungen kuratiert und ist seit vielen Jahren in internationale Forschungsprojekte eingebunden.

Dr. Gabriele Pieke