Werke des Künstlers James Coignard – Ein Geschenk für die Thomas-Morus-Akademie

Kunst in der Thomas-Morus-Akademie

Ein unerwarteter Anruf
Nicht selten sind es glückliche Zufälle, die neue Einsichten eröffnen. So erging es uns vor einiger Zeit, als sich Erich Hochstein, ein langjähriger Wegbegleiter der Akademie aus Rösrath, telefonisch mit einem etwas ungewöhnlichen Anliegen meldete. Er wolle der Akademie einige „Bilder“ aus seinem Besitz schenken. Zugegeben: Wir waren zunächst etwas skeptisch. Was mögen das für Bilder sein? Können wir ein solches Geschenk annehmen? Haben wir hier Raum, um Kunstwerke – über deren Anzahl, Format und Gestaltung wir zu diesem Zeitpunkt nichts wussten – angemessen zu hängen?

Wir riefen zurück und fragten vorsichtig nach, worum es sich bei der in Rede stehenden Schenkung denn eigentlich handele. Die Antwort stellte selbst den sachkundigen Akademiereferenten für Kunst und Kultur vor ein erneutes Rätsel, ging es doch um drei Drucke von James Coignard. Der Name sagte uns nichts. Eine kurze Recherche ergab, dass Coignard ein Zeitgenosse und Wegbegleiter von Braque, Matisse und Chagall war. Seine Werke sind unter anderem in den Sammlungen des Solomon R. Guggenheim Museum in New York sowie des San Francisco Museum of Modern Art vertreten.

Ein Künstlerleben
Am 15. September 1925, also heute vor 96 Jahren, wurde Coignard in Tours geboren. Bereits früh zeigten sich die künstlerischen Neigungen und Interessen des jungen James. Malend und zeichnend entwickelte er eigenständig sein ästhetisches Gespür, bevor er im Alter von 23 Jahren ein Studium an der École des Arts Décoratifs in Nizza aufnahm. Dort konzentrierte sich Coignard zunächst auf die Keramik. Über den Galeristen Galeristen Paul Hervieu lernte Coignard Henri Matisse, später dann auch Georges Braque und Marc Chagall kennen.

Eine entscheidende Wende nahm Coignards künstlerische Entwicklung, als er im 1958 seine Betätigung als Keramiker aufgab, um sich fortan der Malerei zu widmen. In den 1960er Jahren wurde er international bekannt, stellte in vielen Ländern Europas und auch in den Vereinigten Staaten aus. In dieser Zeit experimentierte er mit unterschiedlichsten Ausdrucksformen.

Prägend wurde dabei seine Beschäftigung mit der Carborundum-Technik. Bei diesem auch als Kunstharz-Aquatinta oder Malermanier bezeichneten druckgrafischen Verfahren wird Siliziumkarbid (Carborundum) oder Sand mit Kunstharz vermischt und auf eine Metallplatte aufgetragen. So entsteht ein Punktraster ohne Ätzung. Wird nun die Platte eingefärbt, haftet die Farbe überall, wo die Carborundumschicht vorhanden ist. Dagegen kann man die Farbe an den blanken Stellen der Druckplatte wieder abwischen. Auf diese Weise entstehen Drucke, die sich durch eine besonders satte Farbigkeit auszeichnen. Bis zu seinem Tod im Jahr 2008 widmete sich Coignard immer wieder dieser Technik, zu deren bekanntesten Meistern er heute gezählt wird.

Die Kunst des unablässigen Experimentierens
Coignard gilt als Künstler, der unablässig experimentierte. Wurde er zu Beginn seines Lebens noch zu den Realisten der Pariser Schule gerechnet, erwies sich die Zuordnung seines Werkes zu einer künstlerischen Strömung schon bald als zunehmend schwierig. Der Kunstkritiker und Essayist Marcelin Pleynet urteilte 1989, Coignards Schaffen weise „alle Merkmale eines Werks auf, das dem Raum der modernen Kunst angehört […] Das Werk von James Coignard erscheint seltsam still, sobald wir versuchen, es zu vergleichen, es zu denken, es in Bezug auf diese und jene konventionellen Daten zu verstehen.“

Wie gut passt die offene, experimentierfreudige Herangehensweise, deren Schöpfungen sich einer einfachen schematischen Einsortierung entziehen, zum Selbstverständnis der Thomas-Morus-Akademie!

Ein Geschenk, das uns inspiriert
Nachdem wir dies über den Künstler in Erfahrung bringen konnten, waren wir sehr auf die Drucke und ihre Geschichte gespannt. Erich Hochstein kam eigens in die Akademie, um uns die drei Blätter zu zeigen. Wir staunten, als er uns eine große, fein gestaltete Mappe der Kölner Galerie Boisserrée präsentierte. In diesem angesehenen Kunsthaus hatte Herr Hochstein die Werke vor vielen Jahren erstanden, um sie in den Ausstellungsräumen seines Geschäftes aufzuhängen. Die drei Blätter stammen aus einer kleinen Serie von jeweils 12 Exemplaren. Deutlich ist erkennbar, dass sie in einem Zusammenhang, vielleicht sogar in einem subtilen Spannungsverhältnis mit- und zueinander stehen. Das Spiel mit geometrischen Formen, starken Farben, Linien und Buchstaben wirkt zugleich heiter und ernsthaft, beschwingt und konzentriert.

Nachdem uns der lange pandemiebedingte Lockdown vom Genuss der Bilder ausgeschlossen hatte, erfreuen wir uns jetzt wieder regelmäßig am Anblick „unserer“ drei Coignards, die einen schönen Platz vor unseren Büros gefunden haben. So sind sie uns nun ein täglicher Begleiter und eine freundliche Erinnerung an dieses Ideal der heiteren Konzentration, nach dem wohl jede Akademie strebt.

Am heutigen Geburtstag von James Coignard danken wir dem Ehepaar Hochstein für die großzügige Gabe, die das Leben der Akademie nachhaltig bereichert.

Bilder

Alle Abbildungen: Andreas Würbel, Thomas-Morus-Akademie Bensberg

15. September 2021 || ein Beitrag von Akademiereferent Dr. Matthias Lehnert