Felix Austria!

Weltweit müssen derzeit Kultureinrichtungen ihre Türen verschlossen halten. Dies gilt für Konzertsäle und Theaterhäuser, wie auch für Museen und Galerien. Aber die Not macht wieder einmal erfinderisch. Mit kreativem Trotz begegnen kleine und große Institutionen der neuen Herausforderung. Heute stellt Matthias Lehnert einige „Gustostückerl“ aus unserem Nachbarland Österreich vor.

Unsere österreichischen Nachbarn sind mit einer großen Dichte herausragender Kunsthäuser gesegnet. Das gilt ganz besonders für die Kulturmetropole Wien, aber auch für Städte wie Linz oder Graz.

Kunst-Metropole Wien

Wir beginnen unseren kleinen Rundgang aber natürlich in Wien.
Das Kunsthistorische Museum ist mit seinen zahlreichen Sammlungen eine wahre Schatzkammer. In der Gemäldegalerie, die auch bedeutende Werke von Meistern wie Vermeer, Dürer oder van Eyck besitzt, sticht besonders die mit zwölf Gemälden weltweit größte Bruegel-Sammlung hervor. Jeder kennt die von Pieter Bruegel dem Älteren 1568 geschaffene „Bauernhochzeit“, die an heutige „Wimmelbilder“ erinnernden „Kinderspiele“ (1560) und natürlich den Turmbau zu Babel (1563).

Nun kann man diese und weitere Werke des Meisters auf eine ganz neue Art entdecken. Auf der Projektseite „InsideBruegel“ kommt man den Bildern so nahe wie es im Museum niemals möglich wäre. Aus einer Minimaldistanz von wenigen Zentimetern sind auf den Makrofotografien ungeahnte Details zu entdecken. Daneben kann man sich mit wenigen Mausklicks auch Röntgen-Aufnahmen und Infrarotreflektfotografien der Bilder zeigen lassen. Interessant ist hier auch die Abteilung „Backstage“, in der es möglich wird, sich die Gemälderückseiten anzusehen und sich einen Eindruck vom Restaurierungsprozess zu machen.

Über das gewöhnliche virtuelle Angebot weit hinaus geht auch die Wiener Albertina. Das Museum hat bereits 225.000 Werke – von insgesamt etwa einer Million Exponaten! – in seiner digitalen Sammlung erfasst. Neben wesentlichen Eckdaten werden teilweise auch erklärende Texte zum Lesen oder Hören angeboten. Stöbernd und staunend kann man hier Stunden verbringen. Ein besonderes Erlebnis bietet die Sektion „Augmented Reality“: Um diese genießen zu können, braucht man neben dem Computer auch ein internetfähiges Smartphone. Mit der kostenlosen Artivive-App können zahlreiche Werke von so unterschiedlichen Künstlern wie Albrecht Dürer, Alexej von Jawlensky, Edgar Degas oder Vincent van Gogh betrachtet werden. In kleinen Videos werden Details beleuchtet oder die Entstehung der Bilder erklärt. Manches mag dabei als Spielerei erscheinen oder den Kennerinnen und Kennern zu oberflächlich sein, aber zu erleben, wie sich in Paul Signacs Venedig-Bild die Stimmung durch Hinzufügen neuer Farbtöne verändert, macht einfach Freude.

Linz an der Donau

Einige Kilometer aufwärts der Donau lockt das Lentos Kunstmuseum mit seinem direkt am Fluss gelegenen markanten Bau und einem laufend erweiterten Fundus mit Werken vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Lentos Kunstmuseum

Technisch perfekt ist die virtuelle Darbietung der ständigen Sammlung. Der „Puppenhaus-Modus“ erlaubt eine schnelle Orientierung. Zu einzelnen Werken werden Einführungen von etwa anderthalb Minuten Länge im Stil eines Audioguides angeboten. So kann man sich einen sehr guten Eindruck von den Gemälden, Skulpturen und Fotografien machen. Einen Museumsbesuch kann dies natürlich nicht ersetzen, einen intelligenten und informativen Zeitvertreib bietet es aber allemal. Beeindruckend ist, dass das Lentos Kunstmuseum auch die aktuelle Sonderausstellung „Cosmic Order“ mit partizipativen Kunstprojekten des polnischen Gegenwartskünstlers Paweł Althamer virtuell zugänglich macht. Hier gibt es zwar keinen Audioguide, aber zu den einzelnen Exponaten werden kurze erläuternde Texte angeboten. Einen guten Einblick bieten daneben die kurzen Videos, die das Museum aufgezeichnet hat. So kann man auch vom heimischen Bildschirm aus in die kraterhaften Landschaften eintauchen, die Althamer zusammen mit Holzbildhauern aus Mali, Österreich und Polen vor Ort geschaffen hat.

Graz – Hauptstadt der Steiermark

Zum Abschluss unseres Rundgangs geht es in die Steiermark, wo das Kunsthaus Graz die vom japanischen Künstler und Choreografen Michikazu Matsune kuratierte Online-Ausstellung Performance Homework  präsentiert. In Reaktion auf die aktuelle Ausnahmesituation bietet dieses Performance-Projekt, an dem sich zahlreiche Gegenwartskünstlerinnen und -künstler beteiligen, der Öffentlichkeit Ideen und Vorschläge an, die Interessierte allein zu Hause realisieren und ausführen können. Einige Beiträge verweisen dabei auf andere Kunstwerke etwa von Yoko Ono oder Henri Matisse. Manches erscheint etwas schräg, anderes regt durchaus zum Nachdenken und Nachahmen an.

Bilder:
Titelbild Albertina, Robert Bodnar, Prunkstiege von unten,
Albertina, Foto von Matteo Russo auf Flickr, gemeinfrei
Prunkstiege des Kunsthistorischen Museums, Bild von Alexbartek, Wikipedia, gemeinfrei
Der Turmbau zu Babel von Jan Pieter Bruegel der Ältere (1563). rpi virtuell auf Flickr, gemeinfrei
Lentos Kunstmuseum Linz, Konstantinos Dafalias auf Flickr; gemeinfrei

18. April 2020 || empfohlen von Dr. Matthias Lehnert, Referent Forum: PGR