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Der Bund in meinem Blut (Lk 22,20)

Die Frucht des Weinstocks spielt eine große Rolle in der Liturgie der christlichen Kirchen. Dies hängt mit dem neutestamentlichen Berichten über Jesu letztes Mahl vor seinem Tod und dem damit verbundenen Gedächtnisauftrag zusammen. Jesus gibt und deutet Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut, die er im Tod für das Leben der Welt hingibt (vgl. Joh 6,52). Das gebrochene Brot verweist auf den am Kreuz zerschundenen und zerbrochenen Leib, der rote Wein ebenso markant auf das vergossene Blut.

Dabei fällt auf, dass die Gaben, die Jesus gebraucht, um seinen Tod zu deuten, bereits von der jüdischen Liturgie bereitgestellt sind, vornehmlich im Kontext des Pessahfestes, das den Auszug Israels aus Ägypten und damit aus der Sklaverei begeht.

Brot ist nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern auch Erweis der liebenden Fürsorge Gottes für sein Volk (vgl. Ex 16; 1 Kön 17); der Wein wird zum Ausdruck der tiefen, überquellenden Lebensfreude ( vgl. Ps 23,5), die im Segen Gottes begründet ist und zu der uns Gott endgültig führen will, wofür das Sinnbild des himmlischen Hochzeitsmahles steht.

Die Kirche feiert liturgisch dieses Geheimnis des Lebens und der Sendung Jesu immer wieder und verkündet darin Tod und Auferstehung Jesu. So gewinnt der Wein eine Wirklichkeit, die er nicht aus sich heraus hat, sondern nur durch den, der darin anwesend ist.

So verwundert es auch nicht, dass der Wein in der Liturgie der Kirche nicht nur für die Eucharistie genutzt wird, sondern auch zur Waschung heiliger Gefäße (Ablution) gebraucht, dem Taufwasser wie in der byzantinischen Liturgie beigefügt oder als nichteucharistischer Trank durch vorheriges Eintauchen von Reliquien den Gläubigen gereicht wurde. Auch bei Bischofsweihen gab es wie bis heute in Speyer üblich Weinspenden für alle Anwesenden. Sie erinnerten an die sakramentale Vollmacht des Bischofs, für die stellvertretend der Wein steht. So vereint der Wein heilende, heiligende, vergebende und reinigende Funktionen in der Liturgie, die allen Teilnehmenden zugutekommen sollen.

8. Oktober 2023 || ein Beitrag von Dr. Arno-Lutz Henkel, Theologe und Kunsthistoriker, Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler