Robert Schumann in der Schweiz – Mehr im Blog der Akademie

Robert Schumanns Reise durch die Schweiz mit 19: Weg von der Juristerei – hin zur Musik!

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Zwickau 1915 – Postkarte (gemeinfrei)

Mit 18 Jahren soll Schumann aus Zwickau in Leipzig Jura studieren, doch die Schalmeien-Gesänge der Paragraphenwelt lassen ihn kalt, vielmehr erliegt er den Wonnen des Studentenlebens: die Kumpanei, Streifzüge, die Kneipentour (sein Tagebuch beginnt jeweils mit «Katzenjammer»). Danach soll es Heidelberg richten, die damalige Hochburg des Jura-Studiums. Doch für Schumann ist es das Eldorado der romantischen Dichtung, ist er doch schon seit der Schulzeit ein wahrer Jean Paul-Freak. Seine eigenen Lyrik- Ergüsse zeugen von triefender Schwärmerei, wie z.B. jene Jugendsünde über die Tränen und das Träumen (von 1827) in eigener Vertonung:

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Autograph Universitätsbibliothek Bonn (gemeinfrei)

Hier schreibt er: «Schubert, das ist Novalis, E.T.A. Hoffmann und Jean Paul in Musik…». – In Heidelberg spielt Schumann viel Klavier, seine improvisatorischen Künste an öffentlichen Orten erreichen Kult-Status. So reift in ihm die Überzeugung, zum Künstler geboren zu sein, was zu jener Zeit bedeutet, über eine Italien-Reise zu seinem eigenen Genius zu finden.

Mit dem nötigen Taler-Vorrat im Beutel erreicht er am 20. August 1829 Basel, wo er sich leicht verächtlich über das «neu-altmodische Rathaus, ein Bild der Schweizer Republik» auslässt.

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Basel 1830: Marktplatz mit dem Rathaus vorne rechts (gemeinfrei)

Nach dem Besuch des Münsters und der Kaffeehäuser («ganz wie in Leipzig») geht es nach Baden an der Limmat (mondäner Kurort), wo er am genussreichen Leben der Kurgäste teilnimmt. In Zürich steigt er auf den Uetliberg, ein Hochsitz für die Weitsicht in die Berge. Über den Albispass wandert er danach bis Zug, mit anschließender Bootsfahrt bei Sonnenuntergang. Tags darauf ist die Besteigung der Rigi angesagt, schon damals ein touristischer Hotspot. Schumann genießt den Sonnenaufgang und bewundert die mutigen Engländerinnen in ihren dicken Wolldecken. Nach dem Abstieg nach Vitznau geht es per Schiff weiter nach Luzern, wo er von «todten Gassen» spricht und sich das Löwendenkmal vornimmt, den in Fels gehauenen «erhaben-wehmütigen» sterbenden Löwen als Allegorie für die Schweizergarde 1789 in Paris.

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Schumanns Reiseroute: Fahrten (Kutsche/Schiff) Wanderrouten

Die nächste Wanderung über Sarnen und Lungern gleicht einer Ochsentour, bei Hundewetter, beißender Kälte und verschlammten Wegen (Mendelssohn wird es zwei Jahre später nicht besser ergehen). Jenseits des Brünigpasses liegt das hübsche Städtchen Brienz (heute das schweizerische Cremona des Geigenbaus), und am andern Ende des Sees Interlaken, der damals schon international bekannte Ort der Sommerfrischler. Schräg vis-à-vis dann Thun, wo Schumann «die lieblichen feinen Gesichter und den mächtigen, gesunden Gliederbau» der Bewohner bewundert und die Kellnerin zitiert, die an den französischen und deutschen Gästen kein gutes Haar lässt. In Bern trifft er in der Gaststube auf «wahre Schweizer», neben den «ledernen Deutschen», und im Brief an die Mutter heißt es: «Bern ist die schönste Stadt der Schweiz, wenn nicht sogar darüber hinaus!»

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Bern 1820, Lithographie (gemeinfrei)

In der Folge geht es an Eingemachte: Lauterbrunnen und die Staubbachfälle, der Aufstieg auf die Wengernalp, eine primitive Schlafstätte. In Grindelwald hingegen lässt sich gut leben: Im «Schwarzen Adler» verkehren Deutsche, Engländer und Holländer (die «fürchterlichsten Trinker»). Schumann setzt sich ans Klavier und verblüfft die internationale Gästeschar, dazu spricht er radebrechend französisch mit den Engländern und gibt sich trinkfest bis Mitternacht, will er doch die Strip-Einlage der Kellnerin nicht verpassen…

Weiter geht’s bis zur Großen Scheidegg, ein kräftezehrender Aufstieg, dazu bei prasselndem Regen, dann hinunter nach Meiringen. Er ist völlig durchnässt und wenig angetan von den Hotelgästen. Die kahle Gebirgsgegend beim Grimselpass kommt ihm danach vor wie eine «atheistische Landschaft»: lauter Felsen und Wasserfälle. Im Grimsel-Hospiz geht er in Tuchfühlung mit den Bergbauern, genießt das Hirtenmahl auf 2000 m. und versinkt danach in einen tiefen Schlaf («6 Personen in einer Stube – pfeifende Winde, stechende Flöhe, furchtbarer Gestank»).

Italien ist noch weit. Da gilt es zuerst die Pässe Furka und Oberalp zu überwinden, mit Station in Andermatt, von wo aus man sich die Schöllenen-Schlucht mit der Teufelsbrücke nicht entgehen lassen soll, bevor der Gotthardpass in Angriff genommen wird.

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Teufelsbrücke in der Schöllenen-Schlucht 1832  (gemeinfrei)

Bei Regen und Gewitter erreicht Schumann das Gotthard-Hospiz auf 2100 Metern. Hier spürt er die Nähe zu Italien: Schmuggler, Kartenspieler, lärmige Gesellschaft und «schlechter italienischer Wein». Der Abstieg tags darauf bis Airolo verpasst ihm tüchtige Wadenkrämpfe. Umso mehr genießt er die Weiterfahrt in beinahe mediterraner Landschaft bis Bellinzona («brillantes italienisches Mittagessen») und zum Lago Maggiore.

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Fernwanderung Chiavenna-Thusis (4 Etappen, über 20 Stunden) – gemeinfrei

Nach einem Monat Italien (Verona-Padua-Venedig) führt die Rückreise im Oktober über den Splügenpass nach Splügen: «mühsames Ersteigen des Splügens – Waten durch Schnee – Sehnsucht nach Deutschland», weiter dann bis Andeer, wo gerade der Patron der Herberge gestorben ist. Schumann flieht vor dem Phantom-Bild des Toten, eilt durch die abschüssige Viamala-Schlucht bis nach Thusis, danach weiter bis Chur, wo er erschöpft eintrifft und festhält: «die schlechteste Kneipe, aber auch die wohlfeilste – der grobe Wirth und meine noch gröbere Grobheit – zu Bette – Nasenbluten in der Nacht.»

Für 4 Taler fährt er am 11. Oktober per Postkutsche nordwärts bis Lindau am Bodensee, inmitten einer bunten Reisegesellschaft und mit einem mit allen Wassern gewaschenen Kutscher.

Q U E L L E N :

  • Ernst Burger, Robert Schumann, eine Lebenschronik…, Schott, Mainz 1998
  • Karl W. Wörner, Robert Schumann, sein Leben nach Briefen, Ex-Libris, Zürich 1949
  • Barbara Meier, Robert Schumann, Rowohlt, Hamburg 2010
  • Dokumente aus dem «schumann-portal.de» mit dem stichwortartigen Reisetagebuch (wo er auch minutiös seine Ausgaben auflistet)

25. Juli 2023 || ein Beitrag von Josef Zemp, Studium der Romanistik und Musikologie in der Westschweiz und in Frankreich (Doktorat). Parallel dazu Berufsausbildung am Konservatorium (Cello und Klavier) – Cello-Diplom.

Geboren in einer Familie von Amateur-Musikern. Volksmusikforschung in Madagaskar, danach Unterricht am Gymnasium (französische Sprache und Literatur, Musik). Leitung von Weiterbildungskursen für Gymnasiallehrer. Publikationen in Feuilletons und Zeitschriften zur französischen Literatur. Vortragsreihen an Volkshochschulen zu Literatur und Musikgeschichte.