Seine Augen trinken alles…

Max Ernst wurde 1891 in Brühl geboren. Dort, in Sichtweite des Schlosses Augustusburg, nimmt seine persönliche Kunstgeschichte ihren Anfang. Und dort befindet sich heute das Max Ernst Museum Brühl des LVR.

Zunächst als Tanzsaal gebaut, in dem womöglich auch der junge Max Ernst das ein oder andere Mal das Tanzbein geschwungen hat, wurde das Gebäude später zu einem Hotel erweitert, diente dann als Erholungsstätte, als Altenheim, als Asylbewerberunterkunft, bis es seinem heutigen Zweck zugeführt wurde.

In diesem architektonischen Kleinod befindet sich als ständige Sammlung ein umfangreicher Teil des Oeuvres des weltberühmten Surrealistischen. Max Ernsts Werk wird durch alle Schaffensphasen verfolgt und versorgt den Besucher mit einem umfangreichen Bild und einigen Überraschungen. Erweitert wird das Kunstprogramm jedes Jahr um zum Namengeber des Hauses passende Wechselausstellungen im Untergeschoss.

Bereits im ersten Raum der ständigen Sammlung findet sich das folgende Zitat: „Seine Augen trinken alles, was in den Sehkreis kommt“. Max Ernst sprach gerne so poetisch von sich selbst in der dritten Person und nimmt mit diesen Worten Bezug auf sein enorm breit gefächertes Interesse, welches sich bereits in seinem lobenswerten Reifezeugnis spiegelt (zu sehen in der Sammlung des Max Ernst Museums des LVR). Seine Entscheidung, in Bonn zu studieren, hatte er bald gefällt, doch welches Fach sollte es sein? Frei nach dem eben beschriebenen Motto wurden es gleich vier Fächer: Altphilologie, Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte, nicht allerdings studierte Max Ernst Kunst.

Und doch hatte er diesen Weg bereits sehr jung eingeschlagen und wurde in diese Richtung womöglich inspiriert durch die malerischen Arbeiten seines Vaters, seines Zeichens eigentlich Taubstummenlehrer, tatsächlich aber auch Hobbymaler. So stellte der junge Max seine Staffelei oft in den Brühler Schlosspark (Foto ebenfalls zu sehen in der Sammlung des Museums), eiferte seinem Vater aber nur kurz nach, denn schon bald löste er sich von dessen akribischer Filigranmalerei (auch zu sehen in der Sammlung des Museums) und ließ sich treiben in den Wellen der etablierten Künstler seiner Zeit: Monet, Cézanne, van Gogh…

Seine Bonner Zeit brachte ihn in engen Kontakt mit August Macke, der ihn im lokalen Kunstgeschehen unterbrachte und ihm einige Avantgardisten vorstellte, unter anderen Robert Delaunay und Guillaume Apollinaire. Auch der Beginn seiner lebenslangen Freundschaft mit Hans Arp fällt in diese Zeit, ihn traf er 1914 in Köln.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges brachte Max Ernsts Ausbildung ein jähes Ende. Er überlebte den Militärdienst und heiratete kurz vor Kriegsende die promovierte Kunsthistorikerin Louise Strauss. Aus dieser Ehe ging Max Ernsts einziger Sohn, Ulrich Ernst, genannt Jimmy, hervor. Ihm hat die Nachwelt wunderbare Erinnerungen an seinen Vater zu verdanken, er schrieb sie auf und nannte sie „A Not-So-Still Life“ (deutsche Übersetzung „Nicht gerade ein Stilleben“).

Doch bestand hatte diese Ehe nicht, ihr folgten Hochzeit zwei, drei und vier. Die letzte war eine Doppelhochzeit: 1946 heirate Max Ernst die Künstlerin Dorothea Tanning, und gleichzeitig gaben sich Man Ray und Juliet Browner das Ja-Wort. Ein Herzstück des Max Ernst Museums sind die 36 „D-paintings“, Zeugnisse der Liebesgeschichte von Max Ernst und Dorothea Tanning, die über 30 Jahre verheiratet waren. In fast jedem dieser bunten Arbeiten befindet sich – mehr oder weniger versteckt – ein „D“, natürlich stehend für „Dorothea“.

Diese Werke sind eine künstlerisch-technische Explosion, überhaupt ist Max Ernst ein Erfinder und Meister vieler verschiedener Techniken. Er trank eben alles, was in seinen Sehkreis kam.

Begleiten Sie Judith Graefe auf der Erkundung auf den Spuren von Max Ernst und Hans Arp:

22. September 2022 (Do.)
Max Ernst und Hans Arp
Eine rheinische Künstlerfreundschaft


3. Mai 2022 || ein Beitrag von Judith Graefe, Kunsthistorikerin