Demokratie warum? Legitimationsdiskurse um eine fragile Herrschafts- und Lebensform
„Demokratie“ im Sinne der Herrschaft des Volkes ist ein politischer Hoffnungsbegriff, an den hohe Erwartungen geknüpft sind. Von daher braucht es nicht zu verwundern, dass kaum ein politisches Regime sich nicht als demokratisch bezeichnet. Dies gilt nicht nur für die traditionell demokratischen Länder der westlichen Welt, sondern auch für autoritäre Herrschaftssysteme in Asien, Afrika und Lateinamerika wie auch für die zusammengebrochenen realsozialistischen „Volksdemokratien“ Mittel- und Osteuropas.
Seit ihrer Entstehung in der Antike stößt die Demokratie immer wieder auf Kritik und zeitweilig sogar auf Feindschaft. Gegenwärtig lassen tiefgreifende Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Weltpolitik den Eindruck entstehen, die Demokratie befinde sich in einer Krise. Populistische Bewegungen sind entstanden, die mit Berufung auf „das Volk“ die Funktionsfähigkeit der Demokratie in Zweifel ziehen. Für sie ist Demokratie am Ende und nicht mehr zu retten. Andere suchen nach Möglichkeiten sie weiterzuentwickeln. Und in der Tat: Weil der Begriff „Demokratie“ selbst wenig aussagekräftig ist und sich leicht ideologisch instrumentalisieren lässt, bleibt er erläuterungsbedürftig. Auf der Suche nach einer zufriedenstellenden Antwort auf die Frage „Warum überhaupt Demokratie?“ wird man nach dem normativen Fundament wie dem Gesamtethos dieser Herrschafts- und Lebensform fragen müssen.
Dies erfordert eine historische wie systematische Beschäftigung mit den unterschiedlichen Legitimationsdiskursen der Demokratie. Die Demokratie hat ihre Wurzeln in der Antike und seit der frühen Neuzeit wichtige Wandlungsprozess durchlaufen. Bedeutende Denker haben diesen Prozess entweder angestoßen oder kritisch reflektiert. Politische Theorien beschreiben die Ausprägungen der Demokratie als unmittelbar und direkt oder mittelbar und repräsentativ und arbeiten die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Demokratietheorien und der praktischen Ausformung dieser Staatsform heraus. Als Staats- und sozio-politische Lebensform beansprucht Demokratie, anderen Herrschaftsformen überlegen zu sein. Denn nur mit ihr, so die Begründung, lässt sich die menschenrechtliche Basisforderung nach der Unabhängigkeit des Einzelnen von der Willkür anderer auf Dauer sicherstellen.
Die materiellen Elemente der Demokratie (Freiheit und Gleichheit der Bürger, Volkssouveränität, Rechts- und Sozialstaatlichkeit) stellen diese menschenrechtliche Basisforderung an diese Staatsform sicher. Demokratie ist aber nicht nur eine Regierungs-, sondern auch eine sozio-politische Lebensform, die eine „offene Gesellschaft“ (Karl Popper) und ein zivilgesellschaftliches Ethos zur Voraussetzung hat. Ihre partizipations- und freiheitsichernden Zwecke erfüllt sie erst dann, wenn das Gemeinwohl, der Schutz vor Manipulation und die Kontrolle des Einflusses von Gruppeninteressen durch Tugenden und Gesinnungen der Bürger (wie Mündigkeit, Verantwortung, Uneigennützigkeit, Toleranz, Diskursivität, Solidarität) gewährleistet ist.
Wäre da Demokratie als globale Herrschaftsform in allen Regionen und Kulturen dieser Welt nicht wünschenswert? Tatsächlich nährte 1989 – also zur Zeit des Niedergangs des Ostblocks – das Buch des Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama „Das Ende der Geschichte“ die Hoffnung, dass der weltweite Siegeszug der liberalen Demokratie nicht mehr aufzuhalten sei. Inzwischen ist diese Globalisierungshoffnung nicht nur durch die vielen gescheiterten politischen und interventionistisch- kriegerischen Versuche, das westliche Demokratiemodell in anderen Regionen der Welt zu etablieren, als Utopie entlarvt. Selbst Fukuyama hat dies 2020 mit seinem neuesten Werk „Identität. Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet“ eingestanden. Denn in den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der demokratischen Staaten weltweit erschreckend schnell zurückgegangen. Bewusst wird dadurch auch, dass das Gelingen der Demokratie historische wie kulturelle Voraussetzungen hat, die nicht wegzudiskutieren sind. Eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen, Entwicklungen und Anfeindungen der Demokratie als einer fragilen Herrschafts- und Lebensform bleibt also weiterhin spannend.
Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung zur Akademietagung mit Prof. Wildfeuer.
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
Grundlagen, Entwicklungen und Anfeindungen der Demokratie.
Philosophisches Seminar
23. bis 24. Oktober 2021 (Sa.-So.)
26. September 2021 || ein Beitrag von Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer
Nach seinem Studium der Philosophie, Theologie und Musikwissenschaft ist er seit 1997 Professor für Philosophie an der Katholischen Hochschule NRW Köln.
Weitere Informationen über Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer finden Sie hier.