Lieblingskirche: Der Dom zu Speyer
Der Dom zu Speyer war nicht immer meine Lieblingskirche. Als Kind war er mir zu leer. Ich vermisste marmorne Märtyrer und goldene Schnörkel, wie ich sie aus Barockkirchen kannte. Heute geht es mir da ganz anders. Ich schätze die Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit unseres Doms, der als Prototyp der romanischen Architektur gilt. Nicht von ungefähr wurde er 1981 als zweites Bauwerk in Deutschland auf die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. In der Begründung heißt es: „Der Speyerer Dom ist historisch, künstlerisch und architektonisch eines der bedeutendsten Beispiele romanischer Architektur in Europa.“
Nachdem das Inventar des Doms durch Kriege zerstört und die Ausmalung des 19. Jahrhunderts fast vollständig entfernt wurde ist der Blick frei auf tausende Quadratmeter Sandsteinfläche und auf die klaren geometrischen Bauformen. Der Eindruck von Größe und Erhabenheit rührt aber nicht nur von der schieren Höhe (33 Meter im Mittelschiff) und Länge (134 Meter Außenlänge) sondern vor allem durch die Ausgewogenheit der Proportionen. Von außen sind das die beiden sich ausbalancierenden Turmgruppen im Westen und Osten, im Innern das harmonische Verhältnis von Wandfläche, den darauf liegenden Pfeilern und Halbsäulen, den Arkaden und Fensterflächen. Die klaren Formen und geraden Linien geben mir Zuversicht und Orientierung. „Was krumm ist, soll gerade, / was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil Gottes schauen.“ heißt es bei Lukas 3, Vers 5. An diese Worte, die Händel im Messias so wunderbar vertont hat, muss ich oft denken, wenn ich durch den Dom gehe.
Besonders deutlich wird die klare geometrische Gliederung des romanischen Baus in der Krypta. Hier wiederholen immer wieder 3 x 3 Quadratische Raumteile. Betont wird diese Geometrie durch die rhythmische Farbfolge gelber und roter Flächen an den Gurtbögen. Mein Lieblingsplatz ist aber nicht unten sondern ganz oben auf der Spitze des Südwestturms. Dort liegt einem der Dom zu Füßen.
Titelbild: © pexels, Brett Sayles
Blick vom Südwestturm auf den Speyerer Dom © der pilger, Conny Conrad
Ausgewogenheit und Balance kennzeichnen die Architektur des Speyerer Doms © Domkapitel Speyer, Klaus Landry
Blick in den Innenraum des Speyerer Doms © Domkapitel Speyer, Klaus Landry
Die Krypta © Domkapitel Speyer, Florian Monheim
Friederike Walter, Leitung Dom-Kulturmanagement © Foto: privat
Welche ist Ihre Lieblingskirche?
Kirche besitzen eine hohe Anziehungskraft und meist eine besondere Atmosphäre. Kirchliche Räume wirken und man spürt, dass sie zur Besinnung, zum Innehalten, Nachdenken und Gebet einladen. Sie sind Bauwerke, denen man sich kaum entziehen kann und sie bewegen etwas in einem. Menschen nehmen diese – selbstverständlich individuell verschieden – wahr. Oft gibt es eine besondere Kirche, mit der man etwas verbindet, in der man sich besonders willkommen und wohl fühlt.
Die Reihe startete in der Fastenzeit 2023. Wir fragen Menschen, die mit der Akademie verbunden sind, nach ihrer Lieblingskirche. Die Beiträge lesen Sie an den Fastensonntagen 2023 und darüber hinaus.
13. August 2023 || ein Beitrag von Friederike Walter, Leitung Dom-Kulturmanagement