Das Auge isst mit!
Bei den prachtvollen Stillleben der Niederlande möchte man sich nicht selten gleich an den Tisch setzen, genießen und in der feinen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts aufgehen. Frischer Fisch, knuspriges Brot, zarte Butter, knackige Äpfel, duftender Käse, saftige Pfirsiche und süßer Wein werden dem Betrachter angeboten. Und das alles angerichtet auf polierten Tischplatten, gestärkten Decken, in glitzernden Gläsern, auf glänzenden Tellern – das ist das Savoir-vivre des „goldenen Zeitalters“.
Und nicht ohne Grund trägt sie diesen Namen, jene Epoche in den Niederlanden, die unzählige brillante Künstler hervorgebracht hat und Zeugnis abgibt über eine Blütezeit, die ihresgleichen sucht. Und diese manifestiert sich in vielen verschiedenen Bereichen, hängt doch auch alles mit allem zusammen: Es ist nicht nur der Glanz auf den Tischen der feinen Gesellschaft, der unter anderem überhaupt erst möglich wurde durch den Aufstieg der Niederlande zur absoluten See- und Handelsmacht. Es ist auch die Kunst, es sind die Künstler, die diese Pracht festhalten. Es ist eine Hoch-Zeit der Künste, aber auch der Wissenschaften. So wird man auf den prachtvollen Stillleben der barocken Niederlande nicht nur appetitliche Genüsse finden, sondern auch Zeugnisse des wissenschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Fortschritts. Bücher mit zerlesenen Seiten, Musikinstrumente, struppige Schreibfedern und geöffnete Tintenfässer, Pfeife und Tabak, Nautilusmuscheln, Globus, Kompass, Karten der Welt, eine Armillarsphäre… Hier werden die Besitztümer von gebildeten Menschen präsentiert, und sie erzählen ihre Geschichten. Es sind Menschen von Welt. Sie sind fasziniert von fernen Ländern, sie genießen die guten Dinge des Lebens, aber sie sind auch in der Lage sind, über den berühmten Tellerrand zu blicken. So sind die Stillleben fast so etwas, wie offene Bücher, man muss sie nur zu lesen wissen.
Und das alles wurde in technisch so einwandfreier Akribie auf die Leinwand gebannt, dass nicht selten ein wahrer Trompe l’oeuil-Effekt entstand. Schon die antiken Künstler Parrhasios und Zeuxis sollen sich der naturgetreuen Perfektion hingegeben haben, und schließlich sollte in einer Wette entschieden werden, wer die beste Augentäuschung schaffen konnte. Zeuxis‘ gemalte Trauben waren so echt, dass die Vögel kamen und versuchten, an den Trauben zu picken, ein unglaublicher Effekt, und Zeuxis schien der Sieg sicher. Daraufhin begab er sich zum Werk seines Kontrahenten und versuchte, den scheinbar über das Gemälde von Parrhasios gelegten Schleier beiseite zu schieben. Er musste feststellen, dass dieser nur gemalt war und Parrhasois mit seinem Gemälde nicht nur Tiere zu täuschen vermochte, sondern sogar den großen Zeuxis.
So scheinen auch die Objekte in diesen Gemälden tatsächlich zu duften, zu schmecken, sich weich oder hart anzufühlen, zu klingen und zerbrechlich zu sein.
KulturDinner im LVR-Landesmuseum
Die Thomas-Morus-Akademie lädt herzlich zu einem KulturDinner ein. Das KulturDinner mit Besuch der Ausstellung bietet ein Fest für die Sinne und eröffnet zugleich einen aufschlussreichen Blick auf die unsichtbaren Schicksale hinter den Bildern und ihren Objekten.
Wir freuen uns auf einen genüsslichen Abend mit Ihnen.
22. Oktober 2022 (Sa.)
Goldene Zeiten?
Detailreiche Stillleben und facettenreiche Küche aus den Niederlanden
KulturDinner im LVR-Landesmuseum
Das LVR-Landesmuseum Bonn widmet sich dem „Buch“ Stillleben und präsentiert 12 Gemälde in exklusivem Rahmen. Im Sinne des neuen Konzeptes der sogenannten „slow exhibition“ wird der Betrachter eingeladen, jedem Werk seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Was es zu entdecken gibt, ist eine ganze Welt. Nicht nur wird dem Betrachter der Mund wässrig gemacht, er erhält die Möglichkeit, vollständig einzutauchen und einen Blick zu werfen in die Kultur des prächtigen „goldenen Zeitalters“.
2. Oktober 2022 || ein Beitrag von Judith Graefe, Akademiereferentin