Den Tag ausklingen lassen mit Buddha in der Cocktailbar
Ich sage es vorweg: Das war sein Vorschlag. Ich hatte eher an eine Tee-Zeremonie gedacht, aber wahrscheinlich war das schon die erste Belehrung für mich. Wartet er nicht immer mit einer Überraschung auf, damit wir wachgerüttelt werden? Wie bei der Zen-Meditation, wenn man bei einsetzender Müdigkeit diesen Schlag in den Nacken kriegt?
Er lächelt. Wie gut er aussieht! Komisch ist nur, dass ich ihn gar nicht richtig sehe. Es ist alles so hell, so erleuchtet. Nur das Glas in der Hand ist deutlich zu erkennen, ein Gin Tonic. Ob ich auch einen mag, fragt er. Ich nehme lieber etwas Alkoholfreies, antworte ich. Schließlich brauche ich einen klaren Kopf, ich habe viele Fragen und die Zeit ist knapp. Er lächelt, unglaublich, dieses Lächeln, das kann kein Mensch so wie er.
Entspannen Sie sich, trinken Sie ein Gläschen und schauen Sie nicht auf die Uhr, die gaukelt Ihnen nur etwas vor, in Wahrheit haben wir alle Zeit der Welt. Sie vielleicht, halte ich mutig dagegen, ich bin ein Mensch. Stimmt, lacht er und schwupp ist das Glas leer, doch auch das ist eine Fiktion. Im Kern sind alle ewig, es dauert nur, bis man das merkt. Genießen Sie also lieber den Augenblick, das Jetzt.
Er redet von Genuss, denke ich, dabei sagt er doch …
Ja, ja, alles Leben ist Leid. Er scheint meine Gedanken zu kennen. Das verübelt ihr mir wohl bis in eure Ewigkeit! Und jetzt lacht er schon wieder, laut diesmal, die anderen Gäste drehen sich schon nach uns um. Dabei ist das doch nur mein erster Lehrsatz, fährt er fort, durchschaut man das Leid und weiß, wie dies möglich ist, löst es sich auf. Alles ist vergänglich.
Gut, sage ich, aber ich habe da noch eine ganz wichtige Frage, nämlich die, ob Sie ihn kennen, Sie wissen schon, den Mann aus Nazareth…, werde allerdings jetzt vom Kellner unterbrochen, der mir mahnend ins Ohr flüstert, meine Selbstgespräche bitte leiser zu führen. Was?, frage ich, ich selbst? Ich bin verwirrt und außerdem wird es merklich dunkler und so leer. Der Kellner hält mir die Rechnung hin: ein grüner Tee und zwei Gin Tonic. Da flüstert etwas in mir: Beruhigen Sie sich, wir kennen uns, seit über zweitausend Jahren, wir sind ziemlich beste Freunde. Unsere Herkunft unterscheidet uns natürlich, doch wir mögen uns sehr.
Als ich zahle, lächelt mich der Kellner an, unglaublich, wie der jetzt lächelt, was für ein Mensch! Und „ziemlich beste Freunde“ – war das nicht ein Film?
5. September 2021 || ein Beitrag von Liane Dirks, Schriftstellerin und Dozentin
Seit vielen Jahren gibt Liane Dirks in der Akademie Workshops im biografischen Schreiben. Sie hat bisher 26 Bücher veröffentlicht, zahlreiche Auszeichnungen erhalten und einen eigenen zertifizierten Ausbildungsgang, Life Script®, in kreativer, heilender Biografiearbeit entwickelt.
Von Liane Dirks erschien zuletzt das Buch „Sich ins Leben schreiben – Der Weg der Selbstentfaltung“, Kösel Verlag.
www.liane-dirks.de
Seminar mit Liane Dirks in Bensberg
5. bis 7. November 2021 (Fr.-So.)
Sich ins Leben schreiben
Schreiben als Mittel zur Selbstentfaltung – eine Einführung
Den Tag ausklingen lassen mit…
Mit Jesus über Gott und die Welt reden, mit Mahatma Gandhi über zivilen Ungehorsam debattieren, mit Jean-Paul Sartre philosophieren, mit Yoko Ono und Banksy über Kunst, mit Michelle Obama über Gerechtigkeit sprechen… bei einem Glas Wein oder einem Drink.
Es gibt unzählige Menschen, denen werden wir nie begegnen, die uns jedoch sehr faszinieren und mit denen wir uns gerne einmal austauschen möchten. Welche Fragen würden wir ihnen stellen? Welche Antworten würden sie geben? Was genau fasziniert uns an ihnen?
In unserer neuen Sommer-Reihe haben wir Personen, mit denen die Akademie verbunden ist, gefragt, mit wem sie gerne einmal den Tag mit einem Sundowner ausklingen lassen möchten. Heute erscheint der letzte Beitrag dieser Reihe.
Übrigens soll der Sundowner von der britischen Marine erfunden worden sein. Mit diesem Ritual sollte ein Austausch unter der Mannschaft stattfinden. Austausch, Gemeinschaft, Begegnung… danach sehnen auch wir uns.