Gesegnet mit sieben Gaben
Gemeinsam mit Dr. Arno-Lutz Henkel beschreitet die Thomas-Morus-Akademie Bensberg im Mai diesen Jahres im wahrsten Sinne des Wortes „neue Wege“: die Ferienakademie zu den Sieben Kapellen rund um Dillingen an der Donau widmet sich dabei nicht nur den einzigartigen Bauten, die allesamt zwischen 2018 und 2018 eingeweiht wurden, sondern auch dem gemeinsamen Weg dorthin.
Teamleiterin Sandra Gilles sprach mit ihm über diese ganz besondere Ferienakademie und die Intention, die dahintersteckt.
Lieber Herr Dr. Henkel, die Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung, die eigens für das Projekt der Sieben Kapellen gegründet wurde, verfolgt den Zweck, Kunst und Geschichte, Kirche, Religion und Kultur zu fördern. Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte spielen auch bei Ihnen zeitlebens eine große und wichtige Rolle. Kein Wunder also, dass man Sie nicht lange bitten musste, eine Reise zu den Sieben Kapellen anzubieten. Dabei haben Sie die Sieben Kapellen den sieben Gottesgaben zugeordnet – ein naheliegender Gedanke. Weisheit und Einsicht, Rat und Erkenntnis, Stärke, Frömmigkeit und Gottesfurcht – alles „Gaben“, die die Menschheit aktuell mehr denn je benötigt?
Die Siebenzahl ist ja biblisch betrachtet neben vielen anderen Zahlen eine ganz wichtige, weil sie sowohl als solche den Wochenrhythmus und damit die Zeit mit der Schöpfung verknüpft, die ja in der Kraft des Geistes vollzogen wird. Die Gaben sind solche, die sich in Welt und ihrer Geschichte zu entfalten haben. Gleichzeitig setzt sich die Sieben aus der Addition von vier und drei zusammensetzt und verbindet damit das Kosmische (vier) mit dem Göttlichen (drei) – die Gaben sind nicht kultur- oder zeitgebunden, sondern gelten universal, weil sie in Gott ihren Wurzelgrund haben. Somit geht es bei den Geistesgaben um die personale Entfaltung menschlicher Gottebenbildlichkeit – jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes, er ist mehr als Materie, er ist geistbeseelter Leib, der nur in respektvoller Beziehung zu seinen Mitgeschöpfen (Nächster, Umwelt) und zu seinem Urgrund (Gott) sinnvoll und d.h. auch schöpfungsbewahrend leben kann.
Die Architekten – darunter auch John Pawson, der zuletzt die Augsburger St. Moritz Kirche umgestaltete – hatten bei der Ausgestaltung völlig freie Hand. Einzige Bedingung: aus Holz mussten sie sein und ein Kreuz beinhalten. Eine Reduktion auf das absolut Wesentliche also. Ebenfalls ein Phänomen der heutigen Zeit, das für immer mehr Menschen an Attraktivität gewinnt?
Materialität, Form und Funktion sind drei klassische Aspekte künstlerischen Handelns. Indem der natürliche Werkstoff – Holz – der sicherlich eine berufliche Konnotation zu den Stiftern hat (Holzhandel) – neben der Form eines Kreuzes zur Bedingung des Kapellenbaus gemacht wurde, spiegelt sich darin nicht nur die Reduktion auf das absolut Wesentliche wider, sondern es wird theologisch betrachtet ein spannungsvolles und interessantes Verhältnis, nämlich Natur (Schöpfung) und Erlösung, in Szene gesetzt, dem es anhand der Geistesgaben spirituell auf unterschiedliche Weise nachzuspüren gilt.
In erster Linie führt ein Radwegenetz rund um die Sieben Kapellen. Sie wollen den Weg zwischen den Kapellen überwiegend zu Fuß zurücklegen. Wie darf man sich dieses neue Format in der Praxis vorstellen?
In der Apostelgeschichte werden die Christen als Menschen des neuen Weges bezeichnet. (Apg 9,2). Der Weg dessen prominentestes biblisches Beispiel uns im Auszugsweg des Volkes Israel aus dem Sklavenhaus Ägyptens begegnet, soll als ein durchgehend roter Faden dieser Tage in einem überschaubaren Wanderweg zu den Kapellen aufgegriffen werden. Die Bewegung zu einem konkreten Ziel hin (Kapelle) ist dabei immer auch als Sinnbild der je eigenen Lebenswanderung hin zur letzten Zielbegegnung mit Gott zu verstehen. So gesehen ist der vom Radweg aus konzipierte Gang, in der Regel ein je einstündiges Wandern von einem Ausgangspunkt zu einer der Kapellen hin, eine Abwandlung der ursprünglichen Intention. Als pilgernde Gemeinschaft wird sich ein Gespür für die anderen, sei es auf das angemessene Schritttempo oder auf den Austausch miteinander, einstellen, so dass im Unterwegssein eine Vergewisserung geschieht, dass Glaube nie allein geht und die Erfahrung der Geistesgaben im Miteinander Teilen besteht.
Diese Ferienakademie ist also auch eine Einladung zum persönlichen Innehalten, Durchatmen und Krafttanken. Nun da wir wissen, was unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet – welche Erwartungen stellen Sie an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer? An wen richtet sich diese Ferienakademie?
Ich wünsche mir Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die diese Tage bewusst und d.h. an-wesend erleben möchten, d.h. in der letzten Konsequenz, dass keine anderen, wenn auch noch so bedeutsamen Dinge des persönlichen Lebens, diese Tage überlagern oder gar unterwandern. Präsent-Sein ist eine Übung von Leib-Geist und Seele, die uns sowohl in der Stille als auch im Miteinandersein, sowohl in Bewegung als auch in der Ruhe fordert. Das Angebot zum persönlichen Gespräch mit mir über angestoßene Prozesse ist dabei immer inklusive.
So gesehen freute ich mich, wenn sich Menschen ansprechen ließen, die einem solchem geistlichen Prozess offen gegenüberstehen und sich dafür wirklich „freie Zeit“ nehmen, um ganz am Ort, bei sich, dem anderen und schließlich bei Gott sein zu können.
Haben Sie schon eine ganz persönliche Lieblingskapelle und wenn ja, was fasziniert Sie daran mehr als an den anderen? Eindrucksvolle Orte sind sie ja alle …
Ich habe eine Lieblingskapelle, die ich aber an dieser Stelle nicht verraten möchte. Sie haben völlig recht, dass alle Kapellen eindrucksvoll sind und bei gleichbleibendem Ausgangsmaterial ganz unterschiedliche Umsetzungen präsentieren. Doch es reicht nicht darüber zu sprechen – die Kapellen rufen zur Begegnung, zum Verweilen und Sich-Aufmachen.
Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine inspirierende Zeit!
16. bis 20. Mai 2022 (Mo.-Fr.)
Gesegnet mit sieben Gaben
Geistliche Zeit im Zeichen der Sieben Kapellen
Ferienakademie
Alle Bilder: © Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung
27. Februar 2022 || ein Interview mit Dr. Arno-Lutz Henkel, Theologe und Kunsthistoriker, katholischer Priester mit portugiesischen Wurzeln, Pfarrer in der Pfarreiengemeinde Bad Neuenahr-Ahrweiler