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Von Hamlet zu Don Quixote. Heldentypen in der russischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts

In Iwan Turgenjews Roman Rudin kommt der gleichnamige russische Titelheld auf das Landgut von Darja Lasunskaja, wo er in der provinziellen Gesellschaft sofort Aufsehen erregt. Der ehemalige Student aus Heidelberg und Berlin ist intelligent, eloquent und streitbar. Die Tochter des Hauses verliebt sich in Rudin und beide schmieden Pläne, wie man in der Zukunft zusammenleben soll. Am Ende aber kommen die beiden nicht zusammen, Rudins Pläne verlaufen im Sand und als 1848 in Paris die Revolution ausbricht, sieht man ihn mit Säbel und roter Fahne in der Hand auf den Barrikaden, wo er von einer Gewehrkugel getroffen wird und stirbt: Ein sinnloser Kampf für eine Sache, an die er nicht glaubte, brachte dem russischen Aristokraten in einem fremden Land den Tod. Als Gipfel der Absurdität wird er von französischen Aufständischen auch noch ausgerechnet für einen Polen gehalten.

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Szenenwechsel: Keine sechzig Jahre später demonstriert der Sohn einer Arbeiterfamilie, Pawel Wlassow, in Maxim Gorkijs Roman Die Mutter auf einer 1. Mai-Kundgebung in einer russischen Großstadt für die Sache der Fabrikarbeiterschaft. Pawels Vater, ein Trinker, hatte seinem Kind nichts mitgegeben außer Schläge. Der Junge hat sich selbst anhand sozialistischer Schriften sein Wissen angeeignet und die Ungerechtigkeit der sozialen Zustände im zaristischen Russland erkannt. Fortan will er sein Leben dem Kampf für eine gerechte Gesellschaft widmen und ist bereit, auch Verhaftung und Verbannung hinzunehmen. Die Demonstration wird von der zaristischen Polizei zerschlagen und die Rädelsführer, unter ihnen auch Pawel, verhaftet und vor Gericht gestellt. Dort aber kann er in einer flammenden Verteidigungsrede seine Ideale verkünden: „Wir sind Sozialisten. Das heißt, wir sind Feinde des Privateigentums, das die Menschen entzweit, sie gegeneinander rüstet und unversöhnliche Interessengegensätze schafft […]“

Turgenjew schrieb Rudin 1855, Gorkij seine Mutter 1906: zwei Jahrhunderte – zwei völlig konträre Heldentypen, einmal der scheiternde adlige Intellektuelle, das andere Mal der von den sozialistischen Ideen überzeugte Proletarier, einmal ein „überflüssiger Mensch“, das andere Mal ein „positiver Held“. Beide Figuren sind absolut typisch für ihr Jahrhundert und paradigmatisch für eine ganze Reihe bedeutender literarischer Werke der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts und der sozialistischen Literatur der Sowjetunion im 20. Jahrhundert. Und so wollen wir den Versuch unternehmen, anhand dieser Heldentypen, die Turgenjew in einem Essay als die beiden konträren Charaktere „Hamlet“ und „Don Quixote“ gekennzeichnet hat, einen Abriss der russischen Literaturgeschichte der letzten zweihundert Jahre zu unternehmen.

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Gewagt wird auch ein Ausblick in die russische Literatur der Gegenwart.

Ein Ansatz also, der einen wesentlichen Aspekt russischer Romane aufgreift und damit ein tieferes strukturelles Verständnis dieses Teils der Weltliteratur eröffnet.

Wir laden herzlich ein, am 26. und 27. August 2023 in Bensberg dabei zu sein.

26. bis 27. August 2023 (Sa.-So.)
Von Hamlet zu Don Quixote
Heldentypen in der russischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts
Akademietagung in Bensberg

Bildnachweis
Adam Jones aus Kelowna, BC, Kanada, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Benny Vandergast, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Cesare Augusto Detti, Public domain, via Wikimedia Commons
Miron Sherling, Public domain, via Wikimedia Commons

8. August 2023 || ein Beitrag von Prof. Dr. Christoph Garstka, Seminar für Slavistik Ruhr-Universität Bochum

26. bis 27. August 2023 (Sa.-So.)
Von Hamlet zu Don Quixote
Heldentypen in der russischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts
Akademietagung in Bensberg