Zum Holocaust-Gedenktag

„Dieses Deutschland wird sich selbst nur dann gerecht, wenn es seiner historischen Verantwortung gerecht wird.“ (Frank-Walter Steinmeier, Deutscher Bundespräsident in einer Rede in Yad Vashem zum Holocaust-Gedenktag am 23. Januar 2020)

Der Bundespräsident stellte in dieser Rede weiter fest und versicherte: „Wir bekämpfen den Antisemitismus! Wir trotzen dem Gift des Nationalismus! Wir schützen jüdisches Leben! Wir stehen an der Seite Israels. Dieses Versprechen erneuere ich hier in Yad Vashem vor den Augen der Welt.“

An diesem Tag ehren wir das Andenken der Opfer des Holocaust. Wir gedenken der sechs Millionen jüdischer Kinder, Frauen und Männer sowie der Roma und Sinti, der Menschen mit Behinderungen und der unzähligen anderen, die umkamen. Wir denken aber auch an die Millionen von Menschen, die vorzeitig ihres Lebens und ihrer Zukunft beraubt wurden.

In unserer Trauer um diese enormen Verluste muss uns immer bewusst sein und bleiben, dass der Holocaust nicht unvermeidlich war. Ein Völkermord ist niemals unvermeidlich. Es gibt immer Diejenigen die Täter sind, aber es gibt auch immer Diejenigen, die schweigen oder wegschauen. Im Holocaust gipfelten Jahrtausende antisemitischen Hasses.

Die Nationalsozialisten konnten nur deshalb mit berechnender Grausamkeit den Schritt von der Diskriminierung der europäischen Juden zu ihrer Vernichtung gehen, weil so wenige Widerstand leisteten und so viele einfach zusahen oder eben wegschauten. Das ohrenbetäubende Schweigen – im eigenen Land wie auch im Ausland – ermutigte sie nur noch mehr! Die Alarmglocken läuteten von Anfang an. Und auch heute läuten diese Alarmglocken wieder stärker als je zuvor, weil schon seit Jahren die rechtsextremen Auswüchse in unserem Land, die antisemitischen Übergriffe, immer stärker zunehmen! Gerade an einem solchen Tag sollte uns dies gerade hier in Deutschland mehr als bewusst sein.

Es gab unter dem nationalsozialistischen, menschenverachtenden Unrechtsregime

  • Hetze und Desinformation,
  • Verachtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit,
  • Gewaltverherrlichung und das Märchen von der Herrenrasse,
  • Missachtung von Demokratie und Pluralismus.

Und auch in diesen Tagen gibt es solche Auswüchse wieder. Wieder gibt es rechtsextreme Bündnisse, unterstützt und gefördert durch die politischen Ansichten der AfD. Auch deshalb sollte uns das Gedenken an den Holocaust an diesem besonderen Tag ebenso wichtig sein, wie das Bewusstsein, dass die Bedrohungen von Freiheit, Würde und Menschlichkeit auch in unserer heutigen Zeit jeden Tag, auch hier in Deutschland, latent vorhanden sind.

Angesichts wachsender wirtschaftlicher Unzufriedenheit und politischer Instabilität, des eskalierenden, aus der Vorstellung weißer Vorherrschaft gespeisten Terrorismus und der starken Zunahme von Hass und religiöser Intoleranz, müssen wir mehr denn je unsere Stimme erheben, auf die Straße gehen und unseren Worten Taten folgen lassen. Zeigen wir Denjenigen, die unsere freiheitliche Demokratie bedrohen und das Grundgesetz hin zu Unmenschlichkeit und Menschenverachtung verändern wollen, dass nun die Zeit ist aufzustehen und festzustellen: „Bis hierhin und keinen Schritt weiter!“

Wir dürfen den Holocaust niemals vergessen – und dürfen nicht zulassen, dass andere ihn jemals vergessen, verzerren oder leugnen. Bekunden wir am Internationalen Holocaust-Gedenktag, wie an jedem Tag, unsere Entschlossenheit, im Angesicht des Bösen nie wieder zu schweigen und die Würde und die Rechte aller Menschen stets zu verteidigen. Nie wieder ist jetzt!

27. Januar 2024 || ein Beitrag von Norbert Michels, Geschäftsführer des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln