Eine unterschätzte Epoche – Bauten des Barock in Köln

Sancta Colonia Filia Fidelis Romae Dei Gratia. Heiliges Köln, treue Tocher Roms durch Gottes Gnaden. Die große Zeit der Sancta Colonia liegt im Mittelalter. Die „hillije“ Stadt wird gemeinhin mit dem Dom, den romanischen Kirchen, mit der Kölner Malerschule der Zeit zwischen 1400 und 1530 in Verbindung gebracht. So schaut es jedenfalls in der gängigen öffentlichen Wahrnehmung aus. Die Meinungen gehen auseinander darüber, wann der kulturelle Niedergang einsetzte, ob der Zenit schon 1485 überschritten war, als die Rheinmetropole zur Freien Reichsstadt erklärt wurde, oder ob es nicht vielmehr 1568 war, als der spanisch-niederländische Krieg ausbrach. De facto verringern sich die sakralen Bauaktivitäten mit dem Beginn der Reformation, dasselbe gilt für die Malerei in Köln. Trotzdem gab es florierende Glasmalereiwerkstätten bis Ende des 16. Jahrhunderts und auch die Produktion von Büchern und Graphiken scheint aufgeblüht zu sein. Die Handelswege hatten sich verlagert, bedingt durch die Entdeckung Amerikas und den flämischen Krieg, aber im Dreißigjährigen Krieg war das offiziell neutrale Köln ein vergleichsweise sicherer Ort – und entfaltete dann wieder erstaunliche Bauaktivitäten im Zuge der Gegenreformation. Ab Ende des 17. Jahrhunderts werden darüber hinaus einige Kölner Kirchen barockisiert.

Die Renaissance in Köln ist ein relativ kurzes Experiment, das sich auf die Rathauslaube beschränkt, die aber gotisierende Züge trägt. Dass Fortleben dieses mittelalterlichen Stils in Deutschland bezeichnet man als die posthume Gotik, die sich in der Kirche Sankt Maria Himmelfahrt voll entfaltet, einem gebauten Manifest der katholischen Gegenreformation im Rheinland. Die barocke Kunstproduktion Kölns muss im Zusammenhang mit den dort ansässigen Jesuiten gesehen werden, die 1618 mit bayrischem Geld diesen Kirchenbau begannen. Der hat die Struktur einer spätgotischen Emporenbasilika, vor die jedoch eine Barockfassade mit Flamboyant-Fenstern und scheinbar romanischen Seitentürmen platziert wurde. Der aus Molsheim im Elsass stammende Architekt Christoph Wamser simulierte für die Jesuiten eine Geschichte: mit den Zitaten mittelalterlicher Baustile signalisierte er, dass die Jesuiten Teil der langen Geschichte Kölns gewesen seien. In Wirklichkeit war der Orden erst seit Mitte des 16. Jahrhunderts hier ansässig. In der scheinbar mittelalterlichen Struktur wurden dann innen allerdings alle Register theatralischer barocker Überzeugungskunst gezogen. Gemäß dem Motto des Ordens – De Propaganda Fide – zur Verbeitung des Glaubens – stattete man die Kirche mit frühbarocken Beichtstühlen nach Antwerpener Vorbild aus, mit Gemälden zum Marienleben aus der Rubensschule, mit Stuckaturen, die sich auf die lauretanische Litanei bezogen und schließlich mit einem enormen, goldenen Hochaltar, dessen Malereien viermal im Jahr ausgetauscht werden konnten. Der Tabernakel ließ sich durch ein Maschinchen öffnen, wobei sich zwei Engelskulpturen devot verneigten. Ähnliche Formen der theatralischen Überwältigung durch Kunst findet sich auch im Gesù, der Mutterkirche des Ordens. Das mag auch damit zu tun haben, dass man im Jesuitenorden das Theaterspiel als bedeutsames Mittel der Glaubenspropaganda kultivierte.

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Sankt Mariä Himmelfahrt, außen

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Sankt Mariä Himmelfahrt, innen

Der Architekt Christoph Wamser erneuerte auch die Kirchen Sankt Panthaleon und Sankt Heribert; im 18. Jahrhundert erhielt Sankt Panthaleon darüber hinaus eine prächtige Chorausstattung im neuen barocken Baustil. Nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges erlebt auch der Kölner Dom eine Reihe barocker Dekorationskampagnen. So werden neue Seitenaltäre geschaffen, meist in alternierender Verwendung von schwarzem und weißem Marmor, vor allem stellt man einen imposanten, überdimensionierten Hochaltar in den Domchor. Von diesem Retabel sind nur noch kleine Fragmente übrig, so zum Beispiel eine Marmorplastik des Heiligen Engelbert, der sich in der Kreuzkapelle auf einem Scheinsarkophag räkelt und ein wenig aussieht, als schaue er im Fernsehen den Verkaufskanal. Man merkt, dass hier leider nicht die begabtesten deutschen Steinmetzen eingestellt wurden. Vor allem schuf der Bildhauer Heribert Neuss ab 1668 ein neues Gehäuse zur Aufbewahrung des Drei-Königen-Schreins, das so genannte Mausoleum. Strukturiert wie ein Häuschen mit Volutengiebeln und vergitterten Fenstern, wurde es mit Reliefs geschmückt, welche die Anbetung der Könige und den Transport ihrer Reliquien nach Köln illustrieren – nebst einer kuriosen Geschichte, die sich an der Pforte bei Sankt Maria im Kapitol zugetragen haben soll. Als die Reliquien vorbeigetragen wurden, lagerte in der Nähe eine junge Frau mit ihrem Säugling. Der begann wundersamerweise zu reden, als die Knöchelchen vorbeidefilierten und sprach: „Dies müssen die Reliquien der Drei Heiligen Könige sein.“ Damit hatte man den eloquenten fabulösen Echtheitsbeweis. Caspar, Melchior und Baltasar waren keine Fake News.

Dreikönigenmausoleum im Kölner Dom, Rückwand, Einzug des Dreikönigenschreins in den
Kölner Dom, Gesamtansicht
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk

Eine wichtige Rolle neben den Jesuiten im barocken Köln der Gegenreformation spielten die Karmeliterinnen und die Ursulinen. Die unbeschuhten Karmeliterinnen mit ihrer strengen Klausur und vorbildlichen Frömmigkeit kamen im Lauf des 17. Jahrhunderts nach Köln und bauten sich um 1675 eine Loretokapelle und um 1715 eine Ordenskirche für ihre berühmte wundertätige schwarze Madonna. Die schlichte einschiffige Kirche ist heute mit Kunstgegenständen aus anderen Kirchen Kölns geschmückt, aus der Machabäerkirche und Sankt Kolumba, da die alte Ausstattung im Brand des 2. Weltkriegs vernichtet wurde. Der heutige Innenraum vermittelt jedoch einen guten Eindruck von der Pracht des untergegangenen Baus.

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Sankt Maria in der Kupfergasse, Altar aus der Machabäerkirche

Die Ursulinenkirche Corpus Christi entstand in etwa derselben Zeit. Tätig war hier der venezianische Architekt Matteo Alberti, der in Bensberg das Schloss für den Kurfürsten Jan Wellem erbaut hatte und ebenfalls für die Jesuiten tätig war. Auch hier hat man die Kirche nach dem Krieg in schlichterer Form wiedererrichtet. Seit Anfang des Jahrtausends steht hier der eindrucksvolle Hochaltar aus der Kirche Sankt Kolumba. Bis heute ist diese Kirche im Besitz der Ursulinenschule, die in unmittelbarer Nachbarschaft bis 1988 von den Nonnen des Ordens betrieben wurde. Diese Aufgabe der frommen Schwestern war im von Protestanten umlagerten katholischen Köln der Gegenreform religionspolitisch besonders wichtig und die Tradition besteht bis heute fort.

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Ursulinenkirche Corpus Christi

Neben den barocken Kirchen Kölns sind gerade auch im 18. Jahrhundert ein Großteil der Häuser in der Kölner Altstadt entstanden. Ein seltenes Beispiel für eine barocke Hofanlage in einer norddeutschen Stadt ist die Wolkenburg aus dem 18. Jahrhundert, deren ursprüngliche Besitzerinnen Benediktinerinnen aus Rolandswerth waren. Die Anlage hat erstaunlich weltliche Züge und dient heute unter anderem als Treffpunkt für den berühmten Kölner Männergesangsverein, der das Divertissementchen der Kölner Oper organisiert.

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Wolkenburg

Die barocke Metropole war also in der Zeit zwischen 1570 und 1794 durchaus nicht verödet, wie man oft suggeriert hat. Auffällig ist allerdings, dass die Künstler und Architekten bis auf wenige Ausnahmen von außerhalb stammten und eher zur zweiten Garde gehörten. Man spielte also – wie der FC-Köln – eine Zeitlang in der zweiten Liga oder (wie momentan gegeben) in der ersten Liga auf einem der hinteren Plätze. Mit Sankt Mariä Himmelfahrt entstand zwar ein großes Kunstwerk des Barock, eigene Impulse kamen in jener Epoche in der Regel jedoch nicht aus Köln. Es lebe die Kontinuität…

Titelbild:
Ursulinenkirche-Altar, © W. Horsch, (CC BY 3.0), commons.wikimedia.org

30. Januar 2021 || ein Beitrag des Kunsthistorikers Dr. Till Busse

Bei der Erkundung zu barocken Bauten in Köln werden Sie mit dem Kunsthistoriker Dr. Till Busse die Höhepunkte jenes Stils in Köln kennenlernen: Die 1618 erbaute Kirche St. Mariä Himmelfahrt als offensichtlichstes Manifest gegenreformatorischer Propaganda, die nach venezianischem Vorbild gestaltete Ursulinenkirche, die barocke Innenausstattungen des Kölner Doms wir auch die barocke Gemäldesammlung des Wallraf-Richartz-Museums. Melden Sie sich jetzt an:

23. Juni 2021 (Mi.)
Barocke Bauten im „hilligen“ Köln
Kein Riss im Himmel